Was macht eine gute Team-Leitung aus?

Was macht eine gute Team-Leitung aus? Ein Dirigier-Workshop zeigt, was man aus der Zusammenarbeit von Dirigent und Orchester lernen kann.

Was macht eine gute Team-Leitung aus? Ein Dirigier-Workshop zeigt, was man aus der Zusammenarbeit von Dirigent und Orchester lernen kann.

[Pressereise] Jeder kennt die Situation: Ein Dozent an der Uni ist herrisch und dominant seinen HiWis gegenüber, eine Abteilungsleiterin verbreitet im Büro schlechte Stimmung durch ihre Meckerei über die Arbeit oder ein Chef bietet seinen Mitarbeitern überhaupt keine Orientierung und gibt keine klaren Ziele vor. Möchte man für so eine Person arbeiten? Tatsächlich sind solche Arbeitsbedingungen auch im Kulturbereich nicht selten. Es gibt vieles, was eine gute Team-Leitung ausmacht und einige Anzeichen, die auf einen schlechten Führungsstil hinweisen. Ein Team kann man hier leicht mit einem Orchester vergleichen: Gemeinsam arbeitet man auf ein Ziel hin, aber der Dirigent muss die Musiker koordinieren und anleiten, sie motivieren und auf die Qualität des Ergebnisses achten. Tatsächlich kann jeder, der in einem Team arbeitet, aus der Zusammenarbeit von Dirigent und Orchester etwas lernen – davon konnten wir uns jetzt in einem Dirigier-Workshop selbst überzeugen.


Eine ungewöhnliche Workshop-Idee

Es ist eine ungewöhnliche Workshop-Idee: Führungskräfte greifen zum Taktstock und dirigieren ein Orchester. Nicht etwa, weil sie eine zweite Karriere im Musikbereich anstreben. Keiner der Teilnehmer eines Dirigier-Workshops soll im Anschluss daran tatsächlich zum Dirigenten werden. Vielmehr geht es darum, seinen eigenen Führungsstil zu analysieren, sich über Stärken klar zu werden, aber auch zu merken, wo eigene Schwächen bestehen. Das Orchester liefert hier ein direktes Feedback – es spielt laut oder leise, schnell oder langsam und unharmonisch oder aus dem Takt, wenn der Dirigent Fehler macht. Es ist ein Workshop unter erschwerten Bedingungen, könnte man sagen. Denn jede noch so kleine Ungenauigkeit wird sofort bemerkt, jede Schwäche ist hörbar für alle. Auch mit Druck müssen die Führungskräfte umgehen – nicht nur im Dirigier-Workshop.

Vor etwa zehn Jahren startete das Konzept der Dirigier-Workshops im deutschsprachigen Raum. Den Anfang in Deutschland machte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Ab 2008 fanden solche Dirigier-Workshops für Manager dann auch mit dem RIAS Jugendorchester oder mit der Jungen Sinfonie Berlin statt. Hinter der Idee steht die Frage, ob es Gemeinsamkeiten zwischen dem Dirigieren eines Orchesters und dem Führen von Mitarbeitern gibt – und ob sich Erfahrungen mit dem einen auf das Verhalten im anderen Bereich übertragen lassen.


Dirigieren als Kreativitätsförderung

Auf Dirigenten ruhen alle Augen des Publikums; sie stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Während die einzelnen Musiker sich auf ihren Part konzentrieren, müssen Dirigenten alle Aspekte eines Stücks im Blick behalten. Schon vor einer Aufführung vermitteln sie dem Orchester die Form und den Inhalt des Musikstücks und legen damit den Grundstein für das gemeinsame Spiel. Während einer Aufführung leiten Dirigenten dann das Stück ein, koordinieren die Einsätze der Musiker, bestimmen das Tempo und bringen ein Stück zu seinem Abschluss. Es geht um Führung, Qualitätsmanagement und Motivation.

Dass es starke Parallelen gibt zwischen der Rolle von Dirigenten, die ein Orchester leiten, und der Rolle von Führungskräften, die ein Team von Mitarbeitern leiten, davon ist das Siemens Arts Program überzeugt. Um Führungskräfte des Unternehmens kreativ weiterzubilden, wurde deshalb das Programm SCENE ins Leben gerufen – Siemens Cultural Empowerment for New Executives. Das Programm vereint Angebote mit den Schwerpunkten Musik, bildende Kunst und kulturelle Bildung. Die Beschäftigung mit diesen kreativen Feldern soll dabei die Innovationsfähigkeit bei den Workshop-Teilnehmern fördern und neue Wege der Kommunikation aufzeigen. Im Rahmen dieses Programms werden auch die Dirigier-Workshops durchgeführt, koordiniert von Stephan Frucht, dem Künstlerischen Leiter des Siemens Arts Program.

Während sich die Teilnehmer im Workshop als Dirigenten eines Orchesters versuchen, zeigen sich Stärken und Schwächen, die auch Rückschlüsse auf das Verhalten im Team zulassen. Haltung, Zögern, Spannung, Entschlossenheit – das alles wird in der Interaktion deutlich. Es geht um Körpersprache und nonverbale Kommunikation. Wie tritt man vor den Menschen auf, die von einem Orientierung erwarten? Das Ziel: Eine gute Führung lässt einen harmonischen Prozess entstehen, der zu einem erfolgreichen Ergebnis führt. Dabei ist es wichtig, wertschätzend mit dem Team zu arbeiten – es kommt auf positives Feedback, Motivation und Austausch an.


Die Komfortzone verlassen

Man könnte sagen, das Orchester funktioniert im Dirigier-Workshop als akustischer Feedback-Geber. In unserem Workshop waren es die Salzburg Chamber Soloists, die durch ihr Spiel unmittelbar das Verhalten der Person vor ihnen spiegelten. Vor dem Orchester steht im Dirigier-Workshop meist eine Person, die noch nie einen Taktstock in der Hand gehalten hat, wahrscheinlich sogar keine Ahnung von Musik hat. Wer selbst ein Instrument spielt und mit Noten vertraut ist, ist hier klar im Vorteil – das zeigte sich bei unserem Workshop in Salzburg. Das trifft aber nicht auf jeden zu und umso mehr steigt die Herausforderung.

Normalerweise richtet sich der Dirigier-Workshop im Rahmen des SCENE Programms von Siemens Arts an Führungskräfte. Es sind Personen, die es gewohnt sind, viele Menschen zu koordinieren, Aufgaben zu verteilen und Ergebnisse zu fordern. Diese Zielgruppe des Workshops ist mit den Soft-Skills eines Dirigenten vertraut – wer aber selbst kein Instrument spielt und sich mit Musik nicht auskennt, dem fehlt die inhaltliche Kompetenz. Der Dirigier-Workshop führt die Teilnehmer damit aus ihrer Komfortzone. Aber auch für das beteiligte Orchester ist es vermutlich nicht leicht. Die Musiker brauchen für den Workshop sicher viel Geduld – und Humor.


Leiten, ohne zu stören

Der Dirigier-Workshop verdeutlicht, wie wichtig eine gute Team-Leitung ist. Je mehr Menschen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, umso höher die Verantwortung der Person, die alles koordinieren muss. Auf ihr lastet der Druck, Fehler werden ihr zugeschrieben, sie muss das Endergebnis im Blick behalten. Dafür ist es wichtig konzentriert zu sein, aber man muss auch im richtigen Moment loslassen können – diese Fähigkeit ist beim Dirigieren notwendig, glaubt man dem Star-Dirigenten Herbert von Karajan (1908-1989). Er soll einmal gesagt haben: „Dirigieren ist die Kunst zu wissen, wann man das Orchester nicht stören soll.“ Ein guter Leitsatz auch für die Arbeit im Team. Manchmal muss man Mitarbeiter in Ruhe ihre Arbeit machen lassen. Sie wissen in ihrem Aufgabengebiet oft besser was zu tun ist, als die Führungskraft. Das Orchester im Dirigier-Workshop ist das beste Beispiel: Hier sind professionelle Musiker am Werk, die Workshop-Teilnehmer mit dem Taktstock vor ihnen sind nur Amateure im Bereich der Musik. Eine wichtige Erkenntnis, die Führungskräfte hier für ihren Berufsalltag mitnehmen können: Mitarbeitern muss man in ihrer Expertise vertrauen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das richtige Zuhören. So wie ein Dirigent darauf achten muss, dass alle Instrumente harmonisch hörbar sind, muss auch die Leitung eines Teams gewährleisten, dass alle Mitarbeiter optimal arbeiten können. Hier sind Empathie, Einfühlungsvermögen und Motivationsfähigkeiten gefragt. Es gilt, eine gemeinsame Kommunikationsebene zu finden und dann die richtigen Impulse zu geben – ob im Konzertsaal oder im Büro.

musermeku dankt dem Siemens Arts Program für die Einladung zum Programm und für die Übernahme der Kosten der Reise.


Fotos: Angelika Schoder – SCENE Dirigier-Workshop, Salzburger Festspielhaus 2019


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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