Was Museen vom Clickbait-Effekt lernen können

Überall im Netz wird man von übertriebenen Überschriften verfolgt. Nervt der Clickbait-Effekt – oder lässt er sich im Kulturbereich nutzen?

Überall im Netz wird man von übertriebenen Überschriften verfolgt. Nervt der Clickbait-Effekt - oder lässt er sich im Kulturbereich nutzen?

[Debatte] Noch immer setzen einige Online-Medien auf plakative, Neugier erweckende oder emotionalisierende Headlines. Dieser sogenannte Clickbait-Effekt – also Klickköder – erzielt besonders in Social Media beachtliche Reichweiten. Doch Clickbaits haben keinen guten Ruf, besonders weil viele Überschriften am Ende nicht das halten, was sie versprechen. Der spannend geteaserte Text stellt sich zu häufig als langweilige Luftblase heraus. Doch was, wenn Museen und Kulturinstitutionen das anders machen würden? Was wäre, wenn sie den Clickbait-Effekt für sich positiv nutzen würden?


Das Clickbait-Konzept

In Online-Medien begegnen uns ständig emotionalisierende oder Neugier erweckende Hinweise auf verlinkte Inhalte, die dazu verleiten sie anzuklicken und sie weiter zu teilen. Der sogenannte Clickbait-Effekt zeigt: Wenn der Antexter stimmt, ist der verlinkte Inhalt im Prinzip egal. Was mit Seiten wie BuzzFeed oder Upworthy im amerikanischen Raum startete, wurde konzeptuell mittlerweile von mehreren Medien für den deutschsprachigen Markt übertragen. Warum also nicht auch im Kulturbereich?

Bemerkenswert am Clickbait-Konzept ist, dass so präsentierte Beiträge einen Großteil ihrer Reichweite in erster Linie durch Soziale Medien erzielen bzw. dadurch, dass Internetnutzer die Inhalte dieser Seiten auf Facebook, Twitter & Co. deutlich häufiger teilen, als sie es mit den Inhalten „konventionell“ präsentierter Online-Medien tun. 

Doch sollten sich Museen oder andere Kulturinstitutionen an diesem Stil wirklich ein Beispiel nehmen? Auto-Fachblogger Jens Stratmann rät in seinem Beitrag „Wenn Blogger übers bloggen reden sollen…“ entschieden davon ab:

„…Fehler die man im Social Media Bereich besser vermeiden sollte. Kleines Beispiel gefällig? Kennt ihr diese heftig Überschriften? ‚Unfassbar? Welch trauriges Leid diese Fachblogger erleben mussten. Ich habe die Story von Jens S. gehört, war erschüttert und musste weinen.‘ solche Sachen z.B. sollte man nicht adaptieren, es sei denn man mag seine Leser / Kunden nicht.“

Jens Stratmann

Natürlich kann nicht der Inhalt dieser Clickbait-Seiten als Vorbild für Kulturinstitutionen dienen. Es steht außer Frage, dass weder niedliche Tier-Videos*, tränenreiche Schluchtz-Geschichten oder aufgebauschte Hollywood-News in Frage kommen. Was allerdings eine Überlegung wert sein sollte, ist die Art und Weise, wie diese Onlinemedien auf ihre Inhalte in Social Media aufmerksam machen.

* Für einige Freilichtmuseen kommen niedliche Tier-Videos natürlich doch in Betracht und sie sollten unbedingt davon Gebrauch machen! Für Naturkundemuseen gilt hingegen: Finger weg von niedlichen Tierpräparaten. Ausgestopftes Tier eignet sich nur für Social Media, wenn es sehr sehr gruselig aussieht. Dann dient es immerhin noch als Meme-Material.

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Kultur-Clickbaiting

Kulturinstitutionen haben den verrufenen Clickbait-Medien etwas Entscheidendes voraus: Sie stellen inhaltlich relevanten und hochwertigen Content zur Verfügung.  Häufig erzielen die über soziale Medien wie Facebook oder Twitter verlinkten Inhalte, wie beispielsweise Pressemitteilungen, Blog-Inhalte oder News, jedoch nicht die gewünschte Reichweite.

Zu oft wird in Sozialen Medien auf konventionelle, überlange und sperrige Titel und Anlesetexte gesetzt – oder die wichtigsten Fakten zum verlinkten Inhalt werden bereits zusammengefasst und vorweggenommen. Die so präsentierten Inhalte können dazu führen, dass der Leser nur einen geringen (oder im schlimmsten Fall keinen) Impuls verspürt, den zur Verfügung gestellten Link zum Blog oder zur Museums-Website anzuklicken bzw. diesen in Sozialen Netzwerken zu teilen.

Clickbait-Medien zeigen, dass die Bereitschaft des Nutzers, Inhalte über Social Media zu verbreiten, hauptsächlich durch ungewöhnliche Überschriften und Fotos geweckt wird – idealerweise ergänzt durch einen originellen Teaser-Text.

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Reichweite außerhalb der Zielgruppe

Reichweite wird – wie die Clickbait-Medien zeigen – nicht dadurch erzielt, dass ein Beitrag nur die direkte Zielgruppe erreicht. Erst wenn Mitglieder der primären Zielgruppe auf die Inhalte reagieren (per Like oder Kommentar) und sie teilen, kann eine breitere Öffentlichkeit angesprochen werden. Dies kann – zumindest bei Facebook – aber nicht mehr dadurch erreicht werden, dass in einem Beitrag offensiv darauf hingewiesen wird, Inhalte zu teilen oder sie mit „Gefällt mir“ zu markieren. Schon im April 2014 änderte Facebook seinen Newsfeed-Algorithmus und straft seitdem Clickbait-Beiträge so ab, dass diese von vorneherein weniger Personen der direkten Zielgruppe angezeigt werden. Josh Constine fasste damals das Facebook-Ranking in seinem techcrunch-Beitrag so zusammen:

„Share unique, interesting content and you’ll be fine.“

Josh Constine

Trotz dieser Veränderung bei Facebook zeigten sich weiterhin Erfolge der Clickbait-Medien. Eine überdurchschnittlich starke Verbreitung der Inhalte über Soziale Medien findet noch immer statt. Eine Erklärung hierfür ist, dass die Reichweite eben nicht durch die reine Aufforderung zu „Like & Share“ erzielt wird, sondern durch die für Nutzer ansprechende Präsentation, also die erwähnten Neugier erweckenden Headlines und ansprechendes Bildmaterial.

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Anspruchsvolle Inhalte ungewöhnlich umsetzen

Für Museen und andere Kulturinstitutionen bedeutet dies, dass der eigentliche Inhalt im Blog oder auf der Website gerne komplex, umfangreich, sehr spezifisch bzw. anspruchsvoll sein kann – solange der Hinweis auf den Inhalt im Social-Media-Posting spielerisch und spannend präsentiert wird. Das Posting soll Neugier wecken, den verlinkten Inhalt anzuklicken und ihn zu teilen.

Natürlich sind Kulturinstitutionen nicht auf reine Klickzahlen angewiesen (etwa, wenn sie auf ihren Internetseiten keine Werbung schalten) sondern es liegt in ihrem Interesse, dass ihre Inhalte – also (Presse-)Mitteilungen, Ankündigungen und Blog-Beiträge – gelesen werden. Doch nur wenn ein ausreichender Interessentenkreis auf die Inhalte aufmerksam wird, werden diese auch rezipiert.

Bei Facebook zeigt sich, dass derjenige, der mit seinen Seitenbeiträgen eine hohe Reichweite erzielen möchte, letztendlich doch auf Klicks angewiesen ist. Denn das Soziale Netzwerk wertet dies als positive Interaktion und wird daher in Zukunft der jeweiligen Person eher wieder einen ähnlichen Beitrag anzeigen, je häufiger in der Vergangenheit eine Interaktion mit den Beiträgen einer Seite festgestellt wurde. Oder umgekehrt: Interagiert eine Person über einen längeren Zeitraum nicht mit einer Facebook-Seite, erhält die Person irgendwann keine Meldungen der Seite mehr in ihrem Newsfeed angezeigt. Eine gewissen Reichweite für Beiträge kann also nur aufrecht erhalten werden, wenn die bereitgestellten Inhalte zu einer Interaktion (z.B. zu einem Klick auf den verlinkten Inhalt) anregen – ohne dies aber direkt im Text einzufordern.

Übrigens besteht – laut einer Studie eines Webanalyse-Anbieters – kein Zusammenhang zwischen der Zeit, die für das Lesen eines Beitrags aufgewendet wird, und der Häufigkeit, mit der der Beitrag geteilt wird. Untersucht wurden zwei Millionen Internet-Interaktionen im Verlauf eines Monats. Die Ergebnisse zeigten, dass die meisten Nutzer, die einen Link anklicken, den damit verbundenen Inhalt nicht lesen. Tatsächlich verbrachten 55% der Nutzer weniger als 15 Sekunden auf der angeklickten Internetseite.

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Der erste Eindruck entscheidet

Auch die erwähnte Untersuchung scheint zu bestätigen: Die Entscheidung, einen Beitrag bzw. einen Link zu einem Beitrag in Social Media zu teilen, wird häufig bereits nach dem Lesen der Überschrift oder des Anlesetextes getroffen. Demnach sollten Kulturinstitutionen in Sozialen Medien hierauf besonders großen Wert legen, denn wenn die Überschrift, das Beitragsbild oder der Antexter nicht überzeugen (also Neugier wecken), wird der Beitrag letztendlich nicht gelesen – unabhängig davon, wie qualitativ hochwertig dieser letztendlich inhaltlich ist. 

Es lohnt sich also, sich von Clickbait-Medien inspirieren zu lassen, denn ungewöhnliche Beitragsfotos, die Formulierung einer Neugier erweckenden Frage oder typische Clickbait-Headlines wie „10 Dinge die Sie noch nicht wussten über …“ lassen sich auch für Museen und andere Kultureinrichtungen umsetzen.


Header-Bild: Detail aus: Portrait of Gerard Andriesz Bicker, Bartholomeus van der Helst (ca. 1642) – Rijksmuseum, SK-A-147Public Domain


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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