[Rezension] Das Bauhaus hat seine Spuren nicht nur in Weimar, Dessau und Berlin hinterlassen. Auch im Westen Deutschlands finden sich zahlreiche und vor allem vielfältige Wirkungsstätten der Bauhaus-Akteure, wie die Reihe „100 Jahre Bauhaus im Westen“ zeigte. Ob Krefeld, Oberhausen, Hagen, Essen oder Dortmund – die Architektur und Design-Ideen des Bauhaus sind in vielen Städten in Deutschland zu finden. Doch nicht nur hierzulande wurden die Ideen der Gestaltungsschule aufgegriffen. Auch im Ausland fand eine Bauhaus-Rezeption statt, wie die Publikation „Staatsaffäre Bauhaus“ zeigt.
Zu den Einflüssen des Bauhaus
Das Bauhaus beeinflusste nicht nur die Architektur im Industrie- und Wohnbereich. Auch das Kunstgewerbe wurde stark von den Ideen der Bewegung geprägt, von Geschirr über Möbel bis hin zu Textil-Design. Unter dem Motto „Die Welt neu denken“ feierte im Jahr 2019 das Land Nordrhein-Westfalen mit verschiedenen Projektpartnern das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum und begab sich auf dessen Spuren im Westen. In diesem Zusammenhang ging der Blick aber auch über die Landes- und Bundesgrenzen hinaus. Mit der jetzt erschienenen Publikation „Staatsaffäre Bauhaus“ rückt auch die internationale Bauhaus-Rezeption in den Fokus.
Der Begriff der „Staatsaffäre“ ist dabei bewusst gewählt. Das Wort kann ein Aufsehen erregendes Ereignis bezeichnen, oft mit einem politischen Skandal verbunden. Der Begriff kann aber auch eher neutral genutzt werden und einen Tatbestand in der Sphäre des Staates umschreiben. In der vorliegenden Publikation geht es um eine Reihe von „Bauhaus-Affären“ als eine verzweigte Rezeption von oft tatsächlich staatstragender Bedeutung. Bei der „Staatsaffäre Bauhaus“ handelt es sich also um das Bauhaus als Angelegenheit vieler Staaten. Genauer gesagt, rücken hier acht Länder in den Fokus. [1]
„Es sollte nicht nur um die Erinnerung an eine avantgardistische Gestaltungsweise von Häusern, Möbeln, Lampen und Aschenbechern gehen, sondern um einen Aufbruch, um Bauhaus als Moment(um) der Moderne“. [2]
Das Bauhaus als Staatsaffäre
Das Bauhaus wird in der Publikation zunächst als Affäre der Weimarer Republik benannt. Die Designschule galt als kulturelle Avantgarde der ersten deutschen Demokratie und fiel den gleichen politischen Kräften zum Opfer, wie die Republik selbst. [3] Neben der historischen Perspektive wird auch das 100. Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 als Staatsaffäre bezeichnet, denn bundesweit wurde in Deutschland mit staatlicher Unterstützung ein umfangreiches Programm umgesetzt. Dabei ging es nicht nur um die Kunst- und Designgeschichte des Bauhaus, sondern auch um die politischen Rahmenbedingungen seiner Entstehung.
Die Vortragsreihe, auf die sich der Band „Staatsaffäre Bauhaus“ bezieht, begleitete zwei Wanderausstellungen:
- „Neues Bauen im Westen“ vom 6. bis 27. September 2019, eine Ausstellung der Architektenkammer NRW
- „Mies im Westen“ vom 11. Oktober bis 14. November 2019, eine Ausstellung des Museums für Architektur und Ingenieurkunst NRW, der TH Köln, der TH Mittelhessen und der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft
Zum Jubiläum von „100 Jahre Bauhaus im Westen“ sollte darüber hinaus aber auch die komplexe Internationalität der Bauhaus-Rezeption reflektiert werden. Neben der Rezeptionsgeschichte in Israel geht es dabei u.a. um Perspektiven aus Polen, Belgien und den Niederlanden. Die Publikation versteht sich deshalb als Fortsetzung des vom Bauhaus-Archiv im Jahr 2010 herausgegebenen Sammelbands zur Konferenz „bauhaus global“.
„Bauhaus, sollte es überhaupt existieren, lässt sich weder in Stile einsperren, noch in historische Biografien, auch in Netzwerke nicht, einspannen.“ [4]
Zur internationalen Bauhaus-Rezeption
Über Architektur der Zwischenkriegszeit in deutsch-polnischen Grenzregionen schreibt Beate Störtkuhl. Sie zeigt, wie in den späten 1920er Jahren die mit Internationalität konnotierte Architekturmoderne in den zwischen Deutschland und Polen umkämpften Regionen dazu missbraucht wurde, nationale Überlegenheit zu demonstrieren.
Um die moderne Architektur in der kemalistischen Türkei geht es bei Bernd Nicolai. Betrachtet wird hier die „implantierte Moderne“ als Eliteprojekt, eine Architektur, die eine Synthese von Tradition und Moderne anstrebt und sich durch zahlreiche Rückbezüge letztendlich vom ursprünglichen Bauhaus-Kontext entfernt.
Natürlich geht es in der Publikation „Staatsaffäre Bauhaus“ auch um die Rezeptionsbedingungen des Bauhaus in Westdeutschland. Thomas Schleper widmet sich dem „Neuen Bauen im Westen“ und hier besonders der „Vorwegnahme der Moderne“. [5]
Mit der Bauhaus-Idee im Perspektivwechsel zwischen den USA und der BRD befasst sich Gerda Bauer in ihrem Beitrag zu „Bauhaus und Amerika“. [6] Tatsächlich war die Emigration der Bauhaus-Akteure nämlich für eine vielfältige Rezeption auf deutscher und US-amerikanischer Seite verantwortlich.
Um eine „ostdeutsche Staatsaffäre“ geht es im Beitrag von Andreas Butter, genauer gesagt um die Bauhaus-Rezeption in den Gründungsjahren der DDR. Butter wirft einen Blick auf die wechselvolle Geschichte der Moderne-Rezeption in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ).
Frederike Huygen setzt sich mit der Bauhaus-Rezeption in den Niederlanden auseinander – besonders interessant in Anbetracht der geografischen Nähe zu NRW. Huygen unterstreicht die prägende Rolle des westdeutschen Bauhaus-Bildes für das Nachbarland. Zugleich geht es aber auch um den in der BRD lange unterschätzten Einfluss der De Stijl-Bewegung.
Einen Blick auf das Bauhaus und die Kunstwerkstede De Coene im Belgien der Nachkriegszeit wirft Fredie Floré. Die Modernisierung des belgischen Möbelmarktes, und damit eines ganzen Lebensstils der wohlhabenderen Schichten, kommt interessanterweise fast ohne Bauhaus-Bezug aus. Eine Rezeption als Relativierung sozusagen.
Thomas Schleper befasst sich schließlich noch mit der „erfundenen Moderne Israels“ und „paradoxen Blicken“ auf Tel Aviv-Jaffa, ergänzend zu Milena Karabaics Beitrag „Migrant Bauhaus“ zur Wanderausstellung über die beiden Architekten Josef Rings und Erich Mendelsohn und „Neues Bauen in Deutschland und Erez Israel“.
Im Rahmen der Vortragsreihe des Doppeljubiläums „60 + 100 – 60 Jahre Landschaftsverband Rheinland in Köln“ und „100 Jahre Bauhaus im Westen“ (06.09.-14.11.2019) erschien die Publikation „Staatsaffäre Bauhaus. Beiträge zur internationalen Bauhaus-Rezeption“, herausgegeben von Thomas Schleper, 2020 im Gebr. Mann Verlag Berlin. (ISBN: 978-3-7861-2845-8). Der Band enthält mit zahlreichen Abbildungen versehene Beiträge von Beate Störtkuhl, Bernd Nicolai, Thomas Schleper, Gerda Breuer, Andreas Butter, Frederike Huygen, Fredi Floré und Milena Karabaic.
musermeku dankt dem LVR-Dezernat Kultur und Landschaftliche Kulturpflege für die kostenfreie Überlassung der Publikation als Rezensions-Exemplar.
Header-Bild: Angelika Schoder – Haus Esters in Krefeld, entworfen von Ludwig Mies van der Rohe, 2019
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Thomas Schleper: Einleitung oder: Auch (k)eine Staatsaffäre, In: Staatsaffäre Bauhaus. Beiträge zur internationalen Bauhaus-Rezeption, Hg.v. Ders., Berlin 2020, S. 13-21, hier S. 13
[2] Ebd., S. 13f
[3] Ebd. S. 13 – Die Historikerin Sandra Franz hat in ihrer Forschung zum Bauhaus im Nationalsozialismus allerdings festgestellt, dass das Bauhaus aus finanziellen Gründen geschlossen wurde – nicht aus ideologischen. Auch eine Verfolfung und Ermordung von einzelnen Bauhäuslern erfolgte aufgrund ihrer (kommunistischen) politischen Aktivitäten oder aufgrund ihrer jüdischen Herkunft. Dazu: Petra Diederichs: Das Bauhaus und der Nationalsozialismus, In: RP Online, 19.07.2019. Siehe: Sandra Franz: Bauhaus und der Nationalsozialismus, In: Die Heimat. Krefelder Jahrbuch, Jg. 90 – Nov. 2019, Hg.v. Verein für Heimatkunde in Krefeld, S. 144-150
[4] Ebd., S. 19
[5] Dazu auch: Thorsten Scheer: Neues Bauen im Westen. 100 Jahre Bauhaus. Beiträge zum Verhältnis zwischen Avantgarde und Bauen in Nordrhein-Westfalen, Hg.v. Ders., Köln 2019
[6] Dazu: Hermann Arnold: Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung, LWL-Museum für Kunst und Kultur, 2018
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