[Rezension] Im Bucerius Kunst Forum treffen in der Ausstellung „Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol“ vier Künstler-Ikonen aufeinander, die alle den American Way of Life des 20. Jhd. auf unterschiedliche Art darstellten. Walt Disney (1901-1966), Norman Rockwell (1894-1978), Jackson Pollock (1912-1956) und Andy Warhol (1928-1987) prägten mit ihren Arbeiten die Wahrnehmung von den USA, in der Popkultur ebenso wie in der Hochkultur. In Hamburg werden nun rund 170 Fotografien, Gemälde, Grafiken, Skulpturen und Zeichnungen einander gegenübergestellt. So zeigen sich bemerkenswerte Parallelen in den Werken der vier Künstler, die nur auf den ersten Blick komplett unterschiedlich erscheinen. Disney, Rockwell und Pollock stehen dabei jeweils für die amerikanischen Kunst-Kategorien lowbrow, middlebrow und highbrow – eine Abstufung von einfacher Massenkultur bis zu anspruchsvoller Hochkultur. Am Ende steht Warhol, bei dem alle Kategorien verschwimmen zu einer künstlerischen Popkultur.
Walt Disney
Der Disney-Konzern gehört heute zu den bedeutendsten Medienunternehmen der Welt. Namensgeber und Filmstudio-Gründer Walt Disney war nicht nur Zeichner, sondern vor allem Geschichtenerzähler. Mit massentauglichen Filmen wie „Fantasia“, „Schneewittchen“ oder „Dornröschen“ traf er nicht nur den amerikanischen Geschmack, sondern setzte weltweit Maßstäbe im Animationsfilm. Er selbst bezeichnete sich angeblich als „no art lover“ – vielleicht, weil Kunst für ihn etwas Elitäres war und er mit seiner Arbeit lieber ein breites Publikum erreichen wollte.
Geboren wird Warst Disney 1901 in Chicago, verbringt seine Jugend jedoch in Kansas. Als die Familie 1917 zurück nach Chicago zieht, belegt er Cartoon-Zeichenkurse am Art Institute of Chicago. Nach Einsätzen im Ersten Weltkrieg als Ambulanz-Fahrer beginnt Disney eine Stelle in einer Werbeagentur in Kansas City. 1920 gründet er mit Ub Iwerks eine eigene Agentur für Grafik und Illustration; 1922 startet er ein eigenes Trickfilm-Studio.
Ein Jahr später gründet er mit seinem Bruder in Kalifornien The Walt Disney Company und erfindet 1928 die Figur Micky Maus. Im Laufe der Jahre wird Disney zum Konzept-Entwickler und Regisseur; das Zeichnen übernehmen Mitarbeiter. Im Jahr 1966 verstirbt Walt Disney in Burbank bei Los Angeles. [1]
Disneys Werke in der Ausstellung
Das Bucerius Kunst Forum zeigt diverse Zelluloid-Zeichnungen von Künstlern der Disney-Studios, etwa von den „Three Little Pigs“ aus den „Silly Symphonies“. Im Jahr 1934 gewannen „Die drei kleinen Schweinchen“ den Oscar in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“. Auch Walt Disneys berühmteste Figur, Mickey Mouse, darf in der Ausstellung nicht fehlen. Zu sehen sind Reinzeichnungen zum Kurzfilm „Mickey’s Garden“ von 1935 und zu „Fantasia“ von 1940.
Neben Entwurfzeichnungen sowie Zelluloid-Zeichnungen zu „Snow White an the Seven Dwarfs“, dem ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm von Disney, sind zudem Zeichnungen zum Film „Lady and the Tramp“ von 1955 sowie Storyboard-Skizzen und Zeichnungen zum Film „Bambi“ von 1942 ausgestellt, dessen impressionistischer Stil auf den chinesischen Künstler Tyrus Wong zurückgeht. Den Schwerpunkt des Ausstellungsabschnitts zu Walt Disney bilden Zelluloid-Zeichnungen zu „Sleeping Beauty“ von 1959. Die Ästhetik von „Dornröschen“ wurde von Eyvind Earle geprägt, der sich an der europäischen Kunst des Mittelalters orientierte.
Norman Rockwell
Bis heute gilt Norman Rockwell als einer der beliebtesten Künstler in den USA – in Deutschland hingegen kennt ihn fast niemand. Das Bucerius Kunst Forum zeigt hierzulande erstmals Rockwells Gemälde und Illustrationen, die über 40 Jahre die amerikanische Identität prägten. Seine Werke sind dabei nicht unumstritten. Der Künstler selbst räumte einmal ein: „I paint life as I would like it to be.“ Die negativen Seiten und das Hässliche des Alltags blendete er stets in seinen über-realistischen und teils satirischen Bildern aus.
Norman Percevel Rockwell wird 1894 in New York City geboren. Hier beginnt er 1909 ein Studium an der National Academy of Design, wechselt jedoch bald zur Art Student League und erhält erste Aufträge für Illustrationen. Im Jahr 1914 wird er künstlerischer Leiter des Pfadfinder-Magazins Boys’ Life; nur zwei Jahre später übernimmt er erste Aufträge für The Saturday Evening Post. Im Jahr 1924 schließt er einen Exklusiv-Vertrag mit dem Verlag ab. Seine Illustrationen für diese Publikation werden legendär.
In den 1930er Jahren werden die Arbeiten von Rockwell zunehmend durch die Fotografie beeinflusst; in den 1940er und ‘50er Jahren entstehen seine bedeutendsten Gemälde. Nachdem 1963 die Zusammenarbeit mit der Evening Post endet, arbeitet Rockwell für das Magazin Look und befasst sich zunehmend mit wichtigen gesellschaftlichen Themen. Im Jahr 1978 verstirbt Rockwell schließlich im Alter von 84 Jahren. [2]
Rockwells Werke in der Ausstellung
Zu den Highlights in der Ausstellung im Bucerius Kunst Forum zählen die Titelblätter der Saturday Evening Post, die Norman Rockwell zwischen 1916 und 1960 schuf. Es sind vor allem idealisierte und überspitzte Darstellungen des amerikanischen Alltags, die hier zu sehen sind. Daneben werden diverse Ölgemälde gezeigt, etwa die Boxring-Szene „Strictly a Sharpshooter“ von 1941, ein Werk das Rockwell für die Juni-Ausgabe des American Magazine schuf. Auch die Plakat-Serie „Four Freedoms“ ist in der Ausstellung zu sehen. In Auftrag gegeben wurden die Drucke von der Saturday Evening Post und dem Office of War Information. Durch die Plakatierung von öffentlichen Gebäuden sollte mit den Motiven bei der Bevölkerung dafür geworben werden, Kriegsanleihen zu kaufen.
Nachvollziehen lässt sich in der Ausstellung auch die Entstehung des Gemäldes „Marriage Counselor“ von 1963. Während in der Referenzfotografie die Frau noch unsicher zu ihrem stolz blickenden Mann aufblickt, dreht Rockwell die Machtverhältnisse in seinem Gemälde um. Der Mann erhält ein „Feilchen“ am Auge, während die Ehefrau ihn schadenfroh aus dem Augenwinkel mustert. Schließlich zeigt das Bucerius Kunst Forum auch Norman Rockwells Bezug zu Jackson Pollock: In seinem Cover für die Saturday Evening Post vom 13. Januar 1962 mit dem Titel „The Connoisseur“ setzt Rockwell seinem Zeitgenossen ein Denkmal. Hierfür schuf Rockwell ein Gemälde, das den Stil von Pollock imitiert.
Jackson Pollock
Jackson Pollocks Action Painting gilt als erste moderne Kunstströmung, die in den USA ihren Ursprung hatte. Die Ungegenständlichkeit seiner Werke sahen viele in der Zeit des Kalten Krieges als Synonym für amerikanische Demokratie und Freiheit. Sein abstrakter Expressionismus wirkte wie der Gegensatz zur Kunst des sozialistischen Realismus der UDSSR.
Der 1912 in Wyoming geborene Künstler zieht 1930 nach New York, um an der Art Students League zu studieren. 1935 arbeitet er zunächst für das Federal Art Project; 1936 ist er in der Werkstatt des mexikanischen Künstlers David Alfaro Siqueiros beschäftigt und experimentiert mit neuen Materialien und Techniken. Nach einer Therapie aufgrund seiner Alkoholsucht im Jahr 1937 beginnt er 1939 die Therapie bei einem Psychoanalytiker, die ihn künstlerisch prägt.
Ab 1940 vereint er in seiner Kunst Anregungen aus der Kultur amerikanischer Ureinwohner, die Lehren C. G. Jungs und Einflüsse des Surrealismus. Pollock heiratet 1945 die Künstlerin Lee Krasner und setzt die Therapie gegen seine Alkoholsucht fort. 1947 entstehen erstmals die Drip Paintings, worauf das Life-Magazin ihn als größten noch lebenden US-Künstler betitelt. Anfang der 1950er Jahre widmet sich Pollock wieder der abstrakten und figurativen Malerei. Er stirbt schließlich 1956 bei einem Autounfall. [3]
Pollocks Werke in der Ausstellung
Zu den frühesten von Jackson Pollock noch erhaltenen Werken zählt das Bild „Untiteled (Woman)“, das um 1930-33 während seines Studiums bei Thomas Hart Benton an der Art Students League entstand. Neben diesem Werk zeigt das Bucerius Kunst Forum auch Gemälde der 1940er Jahre, die an den kubistischen Stil nach Joan Miró erinnern, etwa „The Tea Cup“ von 1946.
Schließlich stehen aber natürlich Pollocks Drippings im Mittelpunkt des Ausstellungsabschnitts. Pollock arbeitete für diese Gemälde nicht mehr mit dem Pinsel, sondern mit Messern, Stöcken und Farbdosen. Er experimentierte mit Materialien wie Emaille, Autolack, Sand oder Glasscherben. In der Ausstellung sind u.a. „Reflection of the Big Dipper“ von 1947 oder „Number 23“ von 1948 zu sehen. Den Abschluss bilden Gemälde aus Pollocks „Schwarzen Jahren“, etwa „Painting B (Black over Yellow)“ um 1950.
Andy Warhol
„Good business is the best art“, soll Andy Warhol gesagt haben. Für seine Werke ließ er sich deshalb von Marken, Personen und Trends inspirieren, die ebenso mit dem Massengeschmack wie mit der Hochkultur kompatibel waren. Alltagsobjekte und Hollywood-Stars wurden durch seine Pop Art in den Rang der Kunst gehoben. Er selbst wurde zur Ikone, sowohl in der Kunstwelt als auch in der New Yorker Club-Szene.
Geboren wird Andrew Warhola, so sein bürgerlicher Name, 1928 in eine arme slowakische Einwandererfamilie in Pittsburgh. 1945 beginnt er in seiner Heimatstadt ein Studium als Werbegrafiker. Nach seinem Abschluss 1949 zieht er nach New York und illustriert zunächst Zeitschriften und Grußkarten. 1962 gründet er die Factory, ein Kunstraum für Fotografie, Malerei, Film und Partys. Der Nachfolger, die Silver Factory, in der er von 1964 bis 1968 arbeitet und feiert, wird Kult.
In den frühen 1970ern verlagern sich die Partys in den Club Studio 54, wo Warhol mit Künstlern, Musikern, Schauspielern und anderen Prominenten feiert. Der Künstler wird in den folgenden Jahren immer mehr zur Marke. Er verstirbt 1987 nach einer Operation. [4]
Warhols Werke in der Ausstellung
Zentrales Werk der Ausstellung im Bucerius Kunst Forum ist Andy Warhols „Silver Liz“ von 1963. Das Porträt der Schauspielerin Elisabeth Taylor ziert auch den Ausstellungskatalog und wirbt in der Hamburger Innenstadt als Banner-Motiv für die Ausstellung. Tatsächlich zeigt der Siebdruck nicht Liz Taylor als private Person, sondern eher als Ikone des Films. Nicht fehlen darf in der Ausstellung zudem die „Brillo Box“ von 1964. Die Holzfaserkiste hat die Originalmaße wie die Kartons der Firma Brillo, in denen Putzschwämme in den Handel kamen. Warhol spielt mit dem Werk, das einem Supermarkt-Produkt ähnelt, auf die Käuflichkeit von Kunst an.
Nach diesem Vorbild entstand auch die Holzbox „Campbell’s Tomato Juice“ im selben Jahr, die an die Dosen-Verpackung von Tomatensaft für den Großhandel erinnert. Die Produkte der Firma Campbell’s finden sich immer wieder in Warhols Werk, etwa als Drucke der ikonischen Suppendosen von 1968. Das Bucerius Kunst Forum zeigt in seiner Ausstellung eine Reihe von Warhols Siebdrucken, u.a. auch die Spätwerke „Self-Portrait“ und „Black Light Self-Portrait“ von 1986. Eine Parallele zu Jackson Pollock zeigt sich schließlich in Warhols „Yarn Paintings“ von 1983, die stark an dessen Drippings erinnern.
Der Begleitband zur Ausstellung “Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol“, herausgegeben von Kathrin Baumstark für das Bucerius Kunst Forum, ist 2019 erschienen (ISBN: 978-3-7774-3487-2). Der Band enthält, neben zahlreichen Werk-Abbildungen, Künstlerbiografien und einem Glossar, Texte u.a. von Greg Barnhisel, Wolfgang Ullrich, Stephanie Haboush Plunkett und Daniel Kothenschulte.
Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol
Bucerius Kunst Forum
19.10.2019 – 12.01.2020
musermeku dankt dem Bucerius Kunst Forum für die kostenfreie Überlassung des Ausstellungskatalogs als Rezensions-Exemplar.
Header-Bild: Angelika Schoder – Bucerius Kunst Forum, Hamburg 2019
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Kathrin Baumstark: Walt Disney, In: Amerika! Disney, Rockwell, Pollock, Warhol, Hg.v. ders. für Bucerius Kunst Forum, 2019, S. 139
[2] Kathrin Baumstark: Norman Rockwell, In: Ebd.
[3] Kathrin Baumstark: Jackson Pollock, In: Ebd., S. 140
[4] Kathrin Baumstark: Andy Warhol, In: Ebd.
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