Mehr als Mumins: Die fantasievolle Kunst von Tove Jansson

In der Ausstellung „Tove Jansson: Fresken und der Hut des Kobolds“ zeigt das HAM – Helsinki Art Museum diverse künstlerische Arbeiten der Erfinderin der Mumins.

In der Ausstellung "Tove Jansson: Fresken und der Hut des Kobolds" zeigt das HAM - Helsinki Art Museum diverse künstlerische Arbeiten der Erfinderin der Mumins.

[Ausstellung] Die finnlandschwedische Künstlerin und Schriftstellerin Tove Jansson (1914-2001) ist vor allem für ihre Erfindung der Mumintrollen bekannt. Im Jahr 1945 veröffentlichte sie die erste Mumin-Geschichte „Småtrollen och den stora översvämningen“, die unter dem Titel „Mumins lange Reise“ auch auf Deutsch als Kinderbuch erschien. Die Geschichte war der Start des Mumintroll-Universums, das seitdem die Herzen von vielen Menschen auf der ganzen Welt erobert hat. Zum 80. Jubiläum der Mumins 2025 feiert ganz Finnland die Künstlerin und ihre zauberhaften Figuren, vom Snorkfräulein über die Hatifnatten bis hin zu Muminpapa. Auch das HAM – Helsinki Art Museum widmet zu diesem Anlass der Künstlerin eine ganze Reihe an Ausstellungen. Aktuell ist hier „Tove Jansson: Fresken und der Hut des Kobolds“ zu sehen, eine kleine Installation, die neben ihren Entwürfen für die Mumintrolle auch andere Werke der Künstlerin zeigt.


Feier auf dem Land und Feier in der Stadt

Im Verlauf ihrer künstlerischen Laufbahn schuf Tove Jansson zahlreiche Werke für öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Restaurants. Ein Großteil dieser Arbeiten entstand in den 1940er und 1950er Jahren, als sie bereits als etablierte Künstlerin galt. Zu dieser Zeit leitete das Ende des Zweiten Weltkriegs in Finnland eine Phase des intensiven Wiederaufbaus ein, die Kunstschaffenden neue berufliche Perspektiven eröffnete. So erhielt im Jahr 1947 auch Jansson einen Auftrag, Wandmalereien für das Kellerrestaurant (Kaupunginkellari) im Rathaus von Helsinki zu gestalten. Statt einer zurückhaltenden Umsetzung entschied sich die Künstlerin für zwei raumgreifende Fresken, die die gesamte Wandbreite des Restaurants einnahmen: „Feier auf dem Land“ zeigt eine ländliche, märchenhafte Szene, während „Feier in der Stadt“ ein festlich-urbanes Ambiente unter freiem Himmel inszeniert.

Die Technik des Freskos, bei der auf frischen, feuchten Putz gemalt wird, war für Jansson zunächst neu. Sie erarbeitete sich das notwendige Wissen autodidaktisch durch intensive Lektüre und eigene Notizen. Fachliche Unterstützung erhielt sie von ihrem ehemaligen Studienkollegen Niilo Suihko (1912–1973), einem erfahrenen Restaurator und Spezialisten für Wandmalerei. Die Fresken wurden in metallgerahmten Segmenten umgesetzt; ein großer Vorteil, da die Werke so später an andere Orte gebracht werden konnten. 1974 wurden sie zunächst in die schwedischsprachige Volkshochschule Helsinkis überführt; 2016 gelangten sie dann ins HAM, wo sie nun dauerhaft präsentiert werden. Aktuell sind sie Teil der Ausstellung „Tove Jansson: Fresken und der Hut des Kobolds“.

Obwohl das Fresko „Feier in der Stadt“ für einen öffentlichen Raum konzipiert wurde, zeigt das Werk persönliche Aspekte aus dem Leben der Künstlerin. Im Zentrum der dargestellten Festgesellschaft positionierte Tove Jansson ein deutlich erkennbares Porträt ihrer damaligen Partnerin, der Theaterregisseurin Vivica Bandler (1917–2004). Diese ist als dunkelhaarige Frau dargestellt, die mit einem eleganten Herrn im Frack tanzt. Jansson selbst ist im Vordergrund der Szene sitzend zu erkennen. Sie wendet dem Geschehen den Rücken zu und ist dabei von einer kleinen Mumin-Figur begleitet, die auf dem Tisch vor ihr platziert ist.

Die Entscheidung, ein intimes Porträt ihrer Geliebten so zentral in einer öffentlichen Auftragsarbeit zu verankern, ist sehr ungewöhnlich. In den 1940er Jahren herrschten in Bezug auf Geschlecht und Sexualität noch stark normierende gesellschaftliche Vorstellungen, insbesondere im öffentlichen Raum. Janssons bewusste Integration ihrer homosexuellen Beziehung in eine offiziell beauftragte Wandmalerei kann daher als subversiver Akt der Sichtbarmachung betrachtet werden.


Kunst und Magie im Kindergarten Koboldhut

Tove Jansson verfolgte mit ihren öffentlichen Kunstwerken das Ziel, ästhetische Qualität und Lebensfreude in den Alltag der Menschen zu integrieren. Ihr letztes Werk in diesem Kontext entstand im Jahr 1984 für den Kindergarten Koboldhut (Taikurinhattu) im finnischen Pori, der vom Architekten-Paar Raili und Reima Pietilä entworfen wurde. Der Kindergarten wurde so gestaltet, dass er eine kindgerechte Umgebung schaffen sollte, die sowohl funktional als auch atmosphärisch auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt ist. Die bauliche Anlage ist als eine Art „Dorf“ konzipiert, das sich um eine zentrale Halle gruppiert. Im Mittelpunkt des architektonischen Konzepts standen Anpassungsfähigkeit und die Förderung kindlicher Kreativität, zum Beispiel durch Spielhäuser und verwinkelte Spielecken.

Der Name des Kindergartens verweist auf Tove Janssons Buch „Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft“ (im Original: Trollkarlens hatt, auf Deutsch: Der Koboldhut). In der Erzählung wird die Welt der Mumin-Familie durch den Fund eines magischen Huts in ein Reich aus Chaos und Wunder verwandelt; ein Motiv, das sowohl thematisch als auch formal in das architektonische Konzept des Kindergartens mit aufgenommen wurde. Reima Pietilä bemerkte, dass das Gebäude in seiner Form selbst an einen Zauberhut erinnere. Der persönliche Kontakt der Architekten zu Tove Jansson kam über die Künstlerin Tuulikki Pietilä (1917–2009) zustande, die Lebenspartnerin von Jansson und Schwester von Reima Pietiläs. So erhielt Jansson den Auftrag, ein Wandgemälde für den Kindergarten zu gestalten.

Für den Kindergarten Koboldhut schuf Tove Jansson das dreiteilige Wandgemälde „Sommer, Frühling, Herbst“. Es thematisiert das Leben im fiktiven Mumintal über drei Jahreszeiten hinweg und zeigt dessen Bewohner sowohl in alltäglichen Tätigkeiten als auch in magisch-fantastischen Szenen. Wie viele ihrer großformatigen Arbeiten im öffentlichen Raum zeichnet sich auch dieses Werk durch einen hohen Detailreichtum aus, der die Fantasie anregen soll. Die dargestellte Bilderwelt eröffnet viele Interpretationsmöglichkeiten und lädt die Kinder zur Entwicklung eigener Geschichten ein. Das Wandgemälde wurde im großen Spielzimmer des Kindergartens installiert; um es vor mechanischer Beschädigung durch das Spielgeschehen zu schützen, wurde es hinter Acrylglas montiert. Neben dem Wandbild schuf Jansson auch mehrere Mixed-Media-Arbeiten für den Kindergarten mit Figuren aus dem Mumin-Universum. Diese Werke, ebenso wie Katzenbilder von Tuulikki Pietiläs, wurden in den Räumlichkeiten des Kindergartens ausgestellt.

Aktuell wird der Kindergarten Koboldhut renoviert. Deshalb sind die Kunstwerke nun temporär im HAM zu sehen, wo sie gemeinsam mit einem maßstabsgetreuen Modell des Kindergartens präsentiert werden. Nach Abschluss der baulichen Maßnahmen werden sämtliche Werke an ihren ursprünglichen Standort im Kindergarten zurückkehren.


Tove Jansson und die Freie Kunstschule von Helsinki

Die Ausstellung „Tove Jansson: Fresken und der Hut des Kobolds“ wird im HAM neben der Jubiläumsausstellung „Free 90“ zur Freien Kunstschule (Vapaa Taidekoulu) von Helsinki gezeigt. Die Ausstellung widmet sich der Geschichte dieser Institution und ihrer zentralen Rolle in der Entwicklung der finnischen Malerei sowie des Modernismus im 20. Jahrhundert. Tove Jansson war von 1937 bis 1944 selbst Schülerin der Freien Kunstschule und nahm bereits zuvor regelmäßig dort an Veranstaltungen teil. Einige ihrer frühen Zeichnungen aus dieser Zeit werden im Rahmen der Ausstellung gezeigt und verdeutlichen die Grundlagen ihres künstlerischen Werdegangs.


Tove Jansson: Fresken und der Hut des Kobolds
/ Free 90

HAM – Helsinki Art Museum
25.04.2025-04.01.2026


Header-Bild: Angelika Schoder – Fresken von Tove Jansson im HAM, Helsinki 2025


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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