[Pressereise] In der Abenddämmerung werden Fledermäuse aktiv, im Schutz der Dunkelheit geht Batman auf die Jagd nach Verbrechern und eine Parkour-Gruppe knipst nachts die Leuchtreklamen in ihrer Stadt aus. Andere schützen in der Nacht ihren Schlaf vor bösen Träumen, pflegen Schweizerisches Brauchtum oder feiern als Partygänger bis zum Morgengrauen. Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang kann viel passieren, das zeigt jetzt die Ausstellung „Nacht. träumen oder wachen“ im Museum der Kulturen Basel.
Fledermäuse als Glücks- und Unheilsbringer
Zahlreiche Tiere sind nachtaktiv; zu den bekanntesten zählt wohl die Fledermaus, die in vielen Kulturen eine besondere Bedeutung einnimmt. Als thematischer Einstig in die Ausstellung zum Thema Nacht wirft das Museum der Kulturen Basel einen Blick auf die „ambivalenten Flattertiere“, von denen es weltweit rund 1.000 Arten gibt, davon auch rund 30 in Mitteleuropa. Einige Menschen finden Fledermäuse als Blutsauger unheimlich, andere bewundern die Fähigkeit, sich in der Dunkelheit orientieren zu können.
In verschiedenen Kulturen gelten Fledermäuse als Überbringer von Unheil oder Krankheit, in anderen steht das elegante Tier mit der markanten Silhouette als Symbol für Glück und Wohlstand, zum Beispiel in Indonesien, wo den Fledermäusen positive Kräfte zugeschrieben werden oder in China, wo die Worte für Glück und Fledermaus ähnlich klingen. Diese positive Bedeutung wurde auch in Japan übernommen, wo Fledermäuse als Glücksbringer auf diversen Alltagsgegenständen dargestellt wurden.
In Bali werden Fledermäuse sogar in Verbindung mit der hinduistischen Gottheit Brahma gebracht, dem Schöpfer des Lebens. In Peru bei den Moche oder in Costa Rica und Mexiko wurden Fledermäuse hingegen eher in Verbindung mit dem Tod gebracht und als Abbildungen bei Bestattungszeremonien verwendet. Auch in der Welt der Comics findet sich die Fledermaus wieder, zum Beispiel als Symbol des Superhelden Batman, dessen Maske in der Ausstellung zu sehen ist, neben einer rituellen Fledermausmaske aus Burkina Faso.
Von Gruselgestalten und Nachtschwärmern
Das Wort „Nachtleben“ zeigt, wie stark der Begriff der Nacht mit dem Feiern und Ausgehen verbunden ist. In Zusammenarbeit mit dem Verein Wie wär’s mal mit zeigt das Museum der Kulturen Basel in der Ausstellung Liebesbriefe ans Basler Nachtleben und Fotografien von Feiernden. Doch nicht nur Partygänger sind nachts unterwegs. Manchmal tauchen in der Dunkelheit auch Hexen und böse Geister auf. Wie ein solches Aufeinandertreffen zwischen Feiernden und düsteren Gestalten aussehen kann, zeigt in der Ausstellung ein Ausschnitt aus der Produktion „Dämonen“ des Theater Basel von 2022. Die Kamera folgt dabei einer Gruppe von Menschen mit unheimlichen Masken und Kostümen, die ihr Unwesen im nächtlichen Basel treiben. Sie rennen an Nachtschwärmern und Passanten in der Stadt vorbei, die sich mal erstaunt und mal weniger beeindruckt vom dämonischen Geschehen zeigen.
Vielleicht sind die Schweizer es ja gewohnt, dass man nachts unheimlichen Wesen begegnet, immerhin gibt es in vielen Gemeinden jedes Jahr eine Reihe von Ritualen, bei denen Fabelwesen in Erscheinung treten. So vertreibt zum Beispiel im bernischen Haslital die Schnabelgeiss in den Nächten der Altjahrwoche böse Geister. Die Gestalt könnte auch in Bali nützlich sein und dort vor der Hexenkönigin Rangda schützen. Sie gilt als mythisches nachtaktives Wesen, das schwangere Frauen jagt, um deren Blut oder die Eingeweide des ungeborenen Kindes auszusaugen. Um den Kampf gegen Dämonen geht es auch im indonesischen wayang kulit Schattentheater, bei dem traditionell Öllampen genutzt wurden.
Mit einer Lampe waren auch Nachtwächter unterwegs, die ab dem Mittelalter in europäischen Städten für nächtliche Ruhe und Sicherheit sorgten. Um ihre Wachsamkeit zu zeigen, riefen sie jede Stunde die Uhrzeit aus. Die Nachtwächter wurden irgendwann von der Polizei abgelöst, doch in Basel waren Mitte des 19. Jhd. noch immer Menschen beruflich nachts in der Stadt unterwegs, und zwar als Laternenanzünder. Sie waren dafür verantwortlich, die öffentliche Gasbeleuchtung jeweils abends an- und morgens wieder ausmachten.
Auf Knopfdruck wird das Löschen der Straßenbeleuchtung in Basel heute erledigt. Einmal im Jahr, zum Morgenstreich der Fasnacht, passiert das genau um 4 Uhr – dann wird es stockfinster in Basel und die Stadt wird erhellt von unzähligen großen Laternen sowie Kopf- und Steckenlaternen. Auch in anderen Schweizer Gemeinden sind Laternen Teil der Tradition, so zeigt die Ausstellung auch sogenannte Kläuse, leuchtende Kopfaufsätze in Form von Bischofshüten, die in der Vorweihnachtszeit in St. Gallen oder Schwyz durch die Straßen getragen werden. Die ausgeschnittenen und mit farbigem Seidenpapier hinterlegten Muster der Laternen werden von innen beleuchtet und erinnern an Kirchenfenster. Im Ausstellungsraum, der im Intervall abgedunkelt wird, kann man die diversen Laternen in Aktion sehen.
Guter Schlaf und nächtliches Licht
Alle Menschen müssen schlafen, doch nicht überall auf der Welt schläft man nur nachts und nicht alle Kulturen schlafen auf die gleiche Art. Das Museum der Kulturen Basel zeigt in einem zentralen, hell gestalteten Ausstellungsraum diverse Objekte, die den ruhigen Schlaf ermöglichen sollen, etwa Decken aus Mali, Moskitowedel aus Papua-Neuguinea sowie Räucherwerk oder Netze aus China, die vor stechenden Insekten schützen sollen. Verschiedene handgefertigte Hängematten aus Peru, Kolumbien oder Venezuela aus Materialen wie Baumwolle oder Palmfasern, aber auch geflochtene Schlafmatten aus Indonesien oder Timor-Leste zeigen, dass nicht überall ein Bett genutzt wird, um zu schlafen. Und auch in Europa war bis ins 20. Jhd. hinein in vielen Ländern kein klassisches Bett sondern ein mit Laub gefüllter Sack eine übliche Schlafunterlage, etwa in Spanien oder in der Schweiz.
Die Ausstellung „Nacht. träumen oder wachen“ wirft auch einen Blick auf historische Nachtbekleidung, die zunächst nur von der reichen Oberschicht getragen wurde, und auf diverse Objekte, die zum Vor- und Aufwärmen des Bettes genutzt wurden. Auch der Schlaf von Kindern wird thematisiert, insbesondere wie diese durch Symbole und Objekte in manchen Kulturen nachts vor bösen Geistern oder vor Unheil geschützt werden sollten, etwa mit christlich-religiösen Elementen aus Frankreich und der Schweiz oder mit Opferplätzen in Bali.
Im letzten Ausstellungsraum werden Darstellungen von nächtlichen Mythen gezeigt, etwa die balinesische Geschichte des Dämonenkönigs Kala Rahu, der versucht den Mond zu verschlingen, oder Holzschnitte aus Japan, die den Nachthimmel oder die Dämmerung zeigen. Schließlich wird auch das Thema Licht aufgegriffen, von verschiedenen historischen Laternen, Lampions und Lampen bis hin zu modernen Beleuchtungskonzepten für den urbanen Raum. Gerade in Städten ist der Nachthimmel aufgrund von Lichtverschmutzung kaum noch erkennbar; auch über den Stromverbrauch muss man sich dabei Gedanken machen. Eine Parkour-Gruppe aus Frankreich wird hier aktiv; die Mitglieder klettern an Wänden und Fassaden hoch, um Leuchtreklamen auszuschalten. Die Social-Media-Videos der Wizzy Gang sind auch in der Ausstellung zu sehen.
Nacht. träumen oder wachen
28.04.2023-21.01.2024
Museum der Kulturen Basel
musermeku dankt dem Kunstmuseum Basel für die Übernahme der Kosten der Reise.
Bilder: Angelika Schoder – Museum der Kulturen Basel, 2023
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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