[Ausstellung] Bei einem Besuch der andalusischen Hauptstadt Sevilla sollte man einige Stunden für den Real Alcázar einplanen. Dieser Architektur- und Garten-Komplex, der auf einer römischen und später westgotischen Siedlung errichtet wurde, ist seit Anfang des 8. Jhd. Residenz muslimischer und christlicher Herrscher und Monarchen. Sowohl die Gärten als auch die Gebäude des Real Alcázar de Sevilla sind wunderschön. Aber es gibt hier noch mehr zu sehen: Neben dem Eingang der Anlage befindet sich eine sehr empfehlenswerte Ausstellung mit Keramiken und Kacheln aus der Sammlung Carranza.
Eine der bedeutendsten Keramiksammlungen Spaniens
Die Ausstellung zur Carranza Sammlung befindet sich in den ehemaligen Admiralssälen. Wer den Real Alcázar de Sevilla besucht, sollte sich diese nicht entgehen lassen. Die Triana Keramik- und Kachel-Ausstellung ist nicht allzu umfangreich, bietet aber außergewöhnliche Objekte. Das hier gezeigte Kunsthandwerk ist einer der markantesten Aspekte der andalusischen und iberischen Kultur. Wer keine Zeit hat, das sich ebenfalls in Sevilla befindende Centro Cerámica Triana zu besuchen, in dem auch Stücke aus der Carranza-Sammlung ausgestellt sind, kann hier interessante Einblicke in das Thema gewinnen.
Die Carranza Sammlung war im Besitz von Vicente Carranza Escudero (1928-2019). Sie gilt als eine der bedeutendsten Keramik- und Fliesensammlungen Spaniens. Der Sammler machte 2001 umfangreiche Schenkungen an den Palacio de Santa Cruz de Toledo und 2005 an das Museo Comarcal de Daimiel (in Carranzas Heimatstadt). Der größte Teil der Carranza Sammlung wurde allerdings an die Stadt Sevilla gestiftet, um in den Reales Alcázares und im Keramikmuseum von Triana ausgestellt zu werden.
Die Sammlung Carranza im Real Alcázar
Die Eröffnung der Ausstellung im Real Alcázar verzögerte sich jahrelang bis zum 2. Dezember 2010. An diesem Tag wurden die drei Säle der Ausstellung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die ausgestellten Stücke stammen aus der Zeit zwischen dem 12. und 18. Jhd. Den erklärenden Objekttexten folgend, hat man den Eindruck, dass die gezeigten Exponate ausgewogen für die Ausstellung ausgewählt wurden, wobei es sowohl um ihre Ästhetik als auch um besondere kunsthandwerkliche Techniken geht. Es fehlen allerdings Keramiken ab dem 19. bis heute. Ursprünglich war geplant, die Ausstellung um einen 4. Raum zu erweitern, der diesem Zeitraum gewidmet sein sollte. Doch bis heute scheint das Projekt nicht umgesetzt worden zu sein.
Auf dem Weg zur Ausstellung betritt man als Besucher einen Korridor mit großen Fenstern. Dort stehen Vitrinen mit Stücken, die auffällig groß und besonders aufsehenerregend sind. Die Objekte scheinen etwas aus dem Zusammenhang gerissen zu sein, sind aber offensichtlich dazu gedacht, den Besucher auf die Ausstellung einzustimmen. Am Eingang der Ausstellung befindet sich zudem eine Büste von Miguel Ángel Carranza, dem Sohn des Sammlers. Er teilte die Leidenschaft seines Vaters und hätte dessen Sammlung geerbt, verstarb jedoch 1995. Die Ausstellung im Real Alcázar ist ihm gewidmet.
Wertvolle Objekte in der Dunkelheit
Die Räume der Ausstellung zur Sammlung Carranza sind abgedunkelt. Das einzige Licht dort ist das, welches die Objekte beleuchtet. Die Vitrinen sind in einen Halbschatten gehüllt, in dem die Stücke der Sammlung Carranza zu schweben scheinen. Wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, ist es möglich, die Werke zu betrachten, die zweisprachigen Informationstexte (auf Spanisch und Englisch) zu lesen und ein großartiges Werk der museografischen Komposition zu erleben.
Die Wände der Ausstellung sind mit einer durchgehenden Leinwand bedeckt, die mit Motiven der Triana Keramiken bedruckt ist. Dank der sorgfältigen Beleuchtung wirkt dies wie ein elegantes Detail und lenkt nicht von den ausgestellten Werken ab. Im Allgemeinen ist die Ausstellung nicht mit Werken überladen: Jedes Stück hat seinen eigenen Platz und damit die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zu ziehen.
Der Raum in der Mitte der Ausstellung zeigt eine auf den Boden projizierte Animation, die von historischer Musik begleitet wird. Dies bringt Abwechslung in die Ausstellung und nutzt die hervorragende Akustik des Raums. Leider gibt die Ausstellung keine Informationen über diese audiovisuelle Installation; als Besucher erfährt man also hier nicht mehr über die gezeigten Bilder und die Musik.
Insgesamt kann man die kleine Ausstellung im Real Alcázar schnell durchlaufen; man braucht etwa 10 Minuten bis zu einer halben Stunde. In jedem Fall lohnt sich aber ein Besuch.
Die Geschichte des Real Alcázar de Sevilla
Die Reales Alcázares de Sevilla sind ein königlicher Palast, der sich in der Nähe der Kathedrale von Sevilla befindet, neben dem Archivo Gerneral de Indias. Die architektonischen Einflüsse beginnen in der arabischen Periode Spaniens und setzen sich bis ins späte Mittelalter und weiter bis ins 19. Jhd. fort. Nachfolgende Monarchen haben die Gebäude und Gärten des Real Alcázar de Sevilla auf ihre Weise ergänzt.
Ein besonderes Highlight sind die Gärten, deren Vielfalt an die Zeit der Renaissance in Sevilla erinnert. Neben den Palästen Palacio Gótico und Palacio Mudéjar erstrecken sich die Gärten im italienischen Stil – Las Damas, La Danza, Troya, Galera und Flores – neben der Almohaden-Mauer in Richtung Süden. Im Osten des Komplexes befinden sich die Jardín del Marqués de la Vega Inclán im französischen Stil; im Westen befindet sich der englische Garten Jardín Inglés.
Der Palast gilt als eines der herausragendsten Beispiele der Mudéjar-Architektur in Spanien. Bis heute werden die Reales Alcázares von der spanischen Königsfamilie im Sommer als offizielle Residenz in Sevilla genutzt. Daher kann er als der älteste noch genutzte Königspalast in Europa angesehen werden. Der Komplex wird vom Patrimonio Nacional verwaltet und wurde 1987 von der UNESCO in die Liste der Weltkulturerbe aufgenommen. Fantasy-Fans ist der Palast heute vor allem als Drehort der TV-Serie „Game of Thrones“ bekannt. Der Real Alcázar dient hier als Kulisse für die Wassergärten von Sonnspeer, in denen Prinz Doran Martell residiert.
Azulejos y lozas de Triana en la Colección Carranza
Real Alcázar de Sevilla
Patio de Banderas, 41004 Sevilla
Bilder: Angelika Schoder – Real Alcázar de Sevilla, 2022
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Bei musermeku schreibt Damián Morán Dauchez über Geschichtsthemen, Ausstellungs- und Museumsdesign sowie über Erinnerungskultur.
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