[Pressereise] Zu den mittlerweile bekanntesten Motiven von Kara Walker zählt der frühere US-Präsident Barack Obama. In einem Bild von 2019 stellt sie ihn wie auf einer Theater-Bühne als Othello dar, in seinen Händen den abgetrennten Kopf von Jago. In Shakespeares Stück ersinnt Jago aus Hass auf Othello einen Plan, um ihn zu vernichten, indem er ihm vorgaukelt, dessen Frau habe eine Affäre mit seinem Leutnant. Jago gilt als einer der größten Bösewichte Shakespeares, er ist ein Manipulator und Verschwörer nach machiavellischem Vorbild. Bei Kara Walker trägt Jago die Züge von Donald Trump – zur Zeit der Entstehung des Bildes noch amtierender US-Präsident. Das Kunstmuseum Basel zeigt nun dieses Bild zusammen mit rund 650 weiteren Papierarbeiten von Kara Walker in der Ausstellung „A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be“.
„Geboren aus dem Impuls heraus, einen Teil meiner eigenen Geschichte wiederzufinden, habe ich den Instinkt über den Intellekt siegen lassen – jetzt werde ich aufgefordert, mich dafür zu verantworten. „Lass doch einfach das Werk für sich selbst sprechen!“, bricht meine innere Stimme mit Entrüstung heraus. In etwa 650 Arbeiten – Schnipseln, Notizen, Zeichnungen, Skizzen, Fragmenten und Schriften – wird verdammt viel gesprochen, geschrien und geflüstert.“ [1]
Kara Walker über die Ausstellung „A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be“
Ein Einblick in das Archiv von Kara Walker
Die US-amerikanische Künstlerin Kara Walker wurde 1969 im kalifornischen Stockton geboren. Sie wuchs in Atlanta auf und studierte hier zunächst am College of Art und anschließend an der Rhode Island School of Design, wo sie 1994 den Master of Fine Arts erlangte. Sie erhielt für ihre künstlerische Arbeit zahlreiche Auszeichnungen und wurde 2019 von der Royal Academy of Arts in London zum Ehrenmitglied ernannt. Die Künstlerin lebt und arbeitet heute in New York; ihre Arbeiten sind in zahlreichen Museen und öffentlichen Sammlungen vertreten, etwa im New Yorker Museum of Modern Art, in der Londoner Tate Gallery und auch im Kupferstichkabinett des Kunstmuseum Basel.
In der Ausstellung „A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be“ präsentiert das Kunstmuseum Basel nun erstmals rund 650 Werke der vergangen 28 Jahre von Kara Walker. Der Großteil der nun gezeigten Arbeiten stammt aus dem privaten Archiv der Künstlerin. Zu sehen sind Skizzen, Collagen, Zeitungsausschnitte, handschriftliche Einträge auf Indexkarten sowie persönliche Notizen. In der Ausstellung werden all diese Elemente nicht chronologisch präsentiert, sondern laden eher zum intuitiven Entdecken ein. Im Vordergrund steht dabei die Präsentation der Vielschichtigkeit von Kara Walkers künstlerischen Arbeiten.
Durch die Öffnung ihres Archivs ermöglicht die Künstlerin der Öffentlichkeit, sich mit ihrer Biographie und mit ihrer künstlerischen Vergangenheit seit 1992 auseinanderzusetzen. Dieser Schritt kommt für sie auch einer Selbstanalyse gleich; sie nennt es Ausgrabung (engl. excavation). [2] Tatsächlich waren viele der nun im Museum gezeigten Inhalte nie für eine Ausstellung gedacht, teils sind sie sehr privat, teils provokant und explizit.
„Wenn man durch die Ausstellung geht, könnte man meinen, dass man sich durch Walkers Atelier und gleichzeitig durch ihre persönliche Geschichte bewegt. Die Vielfalt der ausgestellten Arbeiten, die nicht nach einer Hierarchie organisiert ist, gibt einen Einblick in ihre Arbeitsweise. Bei den Zeichnungen hat man das Gefühl, die Künstlerin während des eigentlichen Schöpfungsakts zu beobachten.“ [3]
Anita Haldemann, Kuratorin der Ausstellung im Kunstmuseum Basel
Sexualität und Gewalt im Spiegel der Zeit
Kara Walkers Werk zeichnet sich durch traditionelle künstlerische Techniken aus, doch im Vordergrund stehen ihre Themen, die sie häufig schonungslos offenlegt und bis ins letzte grausame Detail hinein seziert. Es geht um Rassismus, die historische Darstellung Schwarzer, die bis heute nachwirkt, um Sexualität und Gewalt. Mit ihrer künstlerischen Arbeit macht Kara Walker auf tief in der Geschichte verwurzelte Konflikte und anhaltende soziale Missstände aufmerksam, die heute durch die Black Lives Matter Bewegung auch in die breite öffentliche Aufmerksamkeit gerückt sind. Walkers Arbeiten sind dabei explizit und brutal, gleichzeitig aber auch immer wieder sehr persönlich, insbesondere wenn sie Einblicke in ihre Notizen gewährt.
Zuletzt sorgte Kara Walker im Winter 2019/20 mit ihrer monumentalen Skulptur „Fons Americanus“ in der Londoner Tate Modern für Aufsehen. Die Skulptur in Form eines vierstufigen Brunnens ist nicht nur eine Erzählung über die Ursprünge der afrikanischen Diaspora, sondern hinterfragt auch, wie wir uns in unseren öffentlichen Denkmälern an die Geschichte erinnern. Seit Mitte der 1990er ist die Künstlerin zudem für ihre wandfüllenden Scherenschnitte und für ihre Filme bekannt. Im Vergleich dazu sind die nun im Kunstmuseum Basel gezeigten Zeichnungen sehr viel emotionalere und persönlichere Arbeiten. Kara Walker setzt sich hier häufig mit ihrer eigenen Identität auseinander, als Schwarze Frau, als Künstlerin und als Mutter. In der Ausstellung wechselt dabei stets eine individuelle Perspektive auf die behandelten Themen mit der Auseinandersetzung auf gesellschaftlicher Ebene.
„Für mich ist jeder Fetzen Papier der Ereignishorizont – die Grenze zwischen der geordneten Welt und dem Chaos. Eine Zeichnung oder das Schreiben navigiert diese Grenze und ihre Permutationen. Mehr sage ich dazu nicht.“ [4]
Kara Walker
Die Publikation „Kara Walker. A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be“, herausgegeben von Anita Haldemann für das Kunstmuseum Basel, die Schirn Kunsthalle in Frankfurt und das De Pont Museum in Tilburg, ist begleitend zur gleichnamigen Ausstellung 2021 bei JRP | Editions erschienen (ISBN: 978-3-03764-557-4). Das englischsprachige Buch enthält, neben Abbildungen der in der Ausstellung gezeigten Werke, Texte von Kara Walker, Anita Haldemann, Maurice Berger und Aria Dean.
Kara Walker. A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be. Drawings 1992-2020
Kunstmuseum Basel | Neubau
05.06.-26.09.2021
Im Kunstmuseum Basel | Gegenwart ist begleitend zu der Ausstellung im Neubau der zweiteilige Film von Kara Walker mit dem Titel „Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands“ zu sehen.
Weitere Stationen der Ausstellung:
- Schirn Kunsthalle Frankfurt, 15.10.2021-16.01.2022
- De Pont Museum, Tilburg, NL, 19.02.-24.07.2022
musermeku dankt dem Kunstmuseum Basel für die Einladung zum Besuch des Museums und für die Übernahme der Kosten der Reise.
Bilder: Angelika Schoder – Kunstmuseum Basel, 2021
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Kara Walker: The Black (W)hole, and What It Means to Me, In: Kara Walker. A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be, Hg.v. Anita Haldemann, S. 558, Zitat übersetzt von der Autorin.
[2] Siehe: Silke Boerma: Interview with Kara Walker, In: Kara Walker, Ausstellungskatalog, Hg.v. Stephan Berg für den Kunstverein Hannover, 2002, S. 165-173, hier S. 165, zitiert nach: Anita Haldemann: Kara Walker’s Drawings: „A Dance of Skepticism and Faith“, In: Ebd., S. 561.
[3] Anita Haldemann, Ebd., S. 561, Zitat übersetzt von der Autorin.
[4] Kara Walker: The Black (W)hole, and What It Means to Me, In: Ebd., S. 559, Zitat übersetzt von der Autorin.
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