Trilobiten im Parkhaus: „Backdrop“ von Gerrit Frohne-Brinkmann

Im Rahmen von Imagine the City zeigt der Künstler Gerrit Frohne-Brinkmann eine Installation mit dem Titel „Backdrop“ in der Hamburger HafenCity.

Im Rahmen von Imagine the City zeigt der Künstler Gerrit Frohne-Brinkmann eine Installation mit dem Titel "Backdrop" in der Hamburger HafenCity.

[Ausstellung] Seit 2018 bringt das experimentelle Kulturpgrogramm Imagine the City verschiedene Kunstprojekte in die Hamburger HafenCity. Die jüngste Installation des Künstlers Gerrit Frohne-Brinkmann mit dem Titel „Backdrop“ entführt dabei in den Untergrund, besser gesagt in eine Tiefgarage am Sandtorkai. Hier warten im 2. Untergeschoss etwa 500 Millionen Jahre alte Wesen in einer Art Tiefseepanorama. Auf den ersten Blick entdeckt man hier fröhliche Trilobiten, Moostierchen, Nesseltiere, Glieder- und Armfüßler. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Artgenossen nicht alle so harmlos sind, wie zunächst gedacht…


Backdrop: Unter der Oberfläche

Gerrit Frohne-Brinkman wurde 1990 im niedersächsischen Friesoythe geboren und studierte an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg. Zuletzt stellte er u.a. im Kunstpalais Erlangen und im Kölnischen Kunstverein aus. Mit „Backdrop“ spielt Frohne-Brinkman jetzt mit dem Kontrast zwischen dem Straßenleben der Hamburger HafenCity und der darunter verborgen liegenden Infrastruktur. Auf einem Paravent aus verstrebten Metallelementen hat der Künstler mit Airbrush diverse Lebewesen aus der Periode des Kambrium abgebildet. Der Paravent auf den Stellplätzen 2/077 und 2/031 des Parkhauses kann über eine Tür betreten werden. Im Inneren sind allerdings nur die blanken Rückwände der Installation zu sehen, diverse geöffnete Fenster und Klappen ermöglichen einen Blick auf das Parkhaus.

Bewusst wirkt die Installation wie ein billiger Aufsteller aus einer Werbe-Dekoration. Unförmig auseinander gefaltet und mit umgeklappten Deckenelementen, so als ob das ganze Objekt eigentlich zu groß geplant sei, zwängt sich die Arbeit von Gerrit Frohne-Brinkman in das Parkdeck. Ein merkwürdiger Fremdkörper, der verschiedene Charaktere abzubilden scheint. Ähnlich wie die diversen Menschen des urbanen Raumes zeigen sich auch in „Backdrop“ ganz unterschiedliche Akteure: geschäftige Einzelgänger, kleine und große Familien oder sogar kopulierende Pärchen. In gewisser Weise scheint es, als hätte Frohne-Brinkman die Bewohner der Hamburger HafenCity abgebildet – nur in einer Form, wie sie vielleicht vor 500 Millionen Jahren ausgesehen hätten.


Die HafenCity als Kunstraum

„Backdrop“ von Gerrit Frohne-Brinkmann ist bereits das dritte Projekt im Rahmen von Imagine the City. Noch bis zum 27. September 2020 ist die Installation „Public Face“ an der Kibbelstegbrücke in der Nähe des Miniatur Wunderland Hamburg zu sehen. Das sieben Meter hohe Emoji-Gesicht aus Stahl und Neon-Röhren von Julius von Bismarck, Benjamin Maus und Richard Wilhelmer war 2018 das erste Kunstprojekt im öffentlichen Raum, das von Imagine the City initiiert wurde. Das „Public Face“ reagiert auf die Passanten der Hamburger HafenCity: Je nachdem, wie die Stimmungslage der vorbeigehenden Menschen ist, ändert sich auch der Gesichtsausdruck des Kunstwerkes. Das Emoji-Gesicht kann traurig oder zornig schauen – meist lächelt es aber. So harmlos das riesige Emoji wirkt, hinter dem Projekt steht ein ernstes Motiv. „Public Face“ greift auf Daten von Überwachungskameras in der HafenCity zurück – die Künstler machen damit auf das Problem einer ständigen Überwachung des öffentlichen Raumes aufmerksam.

Das zweite Projekt von Imagine the City fand im Sommer 2019 in Kooperation mit dem Künstler Terence Koh statt. Der chinesisch-kanadische Künstler lebte einen Monat lang am Störtebecker Ufer gegenüber dem Internationalen Maritimen Museum Hamburg und kümmerte sich hier um ein Bienenvolk. Täglich konnte er in einem selbst angelegten Kräuter- und Blumengarten von Kunstinteressierten und Anwohnern besucht werden. Hauptanlaufpunkt war Kohs „Bee Chapel“, ein auf Stelzen stehendes Häuschen, das im oberen Teil vom Bienenvolk bewohnt wurde. Bei Regen zog sich der Künstler selbst in die mit Wachs bestrichene „Bienen-Kapelle“ zurück. Auch Besucher waren eingeladen, die Bienen hier aus der Nähe zu betrachten. Nachdem Terence Koh seine Performance beendet hatte, wurden die Bienen in das Ökumenische Forum HafenCity übersiedelt, wo sie in der „Bee Chapel“ nach Anmeldung weiterhin besucht werden können.


Zwischen Kultur und Stadtplanung

Das Projekt Imagine the City sieht seine Aufgabe in der Verschränkung von stadtplanerischen und ästhetischen Strategien. Dass die Hamburger HafenCity eine solche kulturelle Initiative nötig hat, versteht jeder, der den Stadtteil noch aus den Anfangsjahren kennt. Jahrelang war die HafenCity eine Art Geister-Stadtteil, in dem nur Berufstätige während der Woche wohnten. Abends und am Wochenende wirkte das Areal lange wie ausgestorben.

Imagine the City versucht hier Kunst ins Spiel zu bringen, die für die Öffentlichkeit auch zugänglich ist. Es sind keine elitären Projekte in abgesperrten Räumen, sondern es geht um Kunst im öffentlichen Raum – oder wie jetzt im Fall von „Backdrop“ von Gerrit Frohne-Brinkmann um einen Raum, der kostenlos jederzeit aufgesucht werden kann. Nicht nur die (neuen) Bewohner der HafenCity sollen dazu angeregt werden, sich mehr mit ihrer urbanen Umgebung auseinanderzusetzen. Auch Publikum aus anderen Hamburger Stadtteilen soll durch die frei zugänglichen Kunstprojekte angelockt werden und vielleicht dadurch ein bisschen die Berührungsängste mit der HafenCity verlieren, die noch immer als elitärer Ort mit unbezahlbaren Mietpreisen und überteuerten Restaurants gilt.

In der Shanghaiallee bietet Imagine the City in eigenen Räumlichkeiten übrigens in unregelmäßigen Abständen auch ein Rahmenprogramm zu aktuellen Projekten an, u.a. Vorträge, Filmabende oder Workshops.


Gerrit Frohne-Brinkmann: Backdrop

17.04.2020-11.04.2021
Tiefgarage am Sandtorkai, Parkdeck P -2
Eingang im Innenhof in der Singapurstr. 2
20457 Hamburg


Bilder: Angelika Schoder – HafenCity Hamburg, 2019 und 2020


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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