[Ausstellung] Vor 500 Jahren startete im spanischen Sevilla der Seefahrer Ferdinand Magellan im Jahr 1519 seine Reise zu den Gewürzsinseln. Obwohl es ursprünglich nicht beabsichtigt war, wurde diese Reise die erste Weltumsegelung in der Geschichte. Das Archivo Gerneral de Indias widmet diesem historischen Ereignis nun eine große Sonderausstellung, die inhaltlich und szenografisch sehr gelungen ist.
Eine Ausstellung als Publikumserfolg
Es ist ein sonniger Wintermorgen in Sevilla und das Archivo General de Indias hat erst seit einer Stunde geöffnet. Das prächtige Gebäude aus der Zeit der Renaissance war ursprünglich die Börse der Stadt, bis es im 18. Jhd. zum Zentralarchiv der spanischen Kolonialgeschichte wurde. Es befindet sich in der besten touristischen Lage, zwischen der Kathedrale und den Reales Alcázares. Üblicherweise sind die öffentlich zugänglichen Räume des Archivs an einem Wochentag, trotz freiem Eintritt, nicht wirklich überfüllt. Doch nun ist es anders: Seit dem 12. September 2019 hat sich die Ausstellung „El Viaje Más Largo: La Primera Vuelta al Mundo“ als echter Publikumsmagnet erwiesen. Lange Besucherschlangen vor dem historischen Gebäude zeigen, wie groß das Interesse am Thema der ersten Weltumsegelung ist.
Wie die Mitarbeiter des Archivs uns verraten haben, dürfte die umfangreiche Medienberichterstattung einen erheblichen Einfluss auf die Publikumsnachfrage gehabt haben. Immerhin war das spanische Königspaar bei der Ausstellungseröffnung anwesend, was großes Interesse mit sich brachte. Doch die Ausstellung schildert auch eine besonders spannende Geschichte und ist thematisch sehr aktuell. Die Medienberichte zur Ausstellung waren deshalb nicht nur zahlreich, sondern auch durchweg sehr positiv. Dafür gibt es Gründe.
Die Konzeption der Ausstellung
Über 3 Jahre hat das Team des Archivs an der Ausstellung „El Viaje Más Largo“ gearbeitet – in etwa so lange, wie auch die erste Weltumrundung gedauert hat. Bei der Konzeption wurden alle Aspekte der Geschichte berücksichtigt, auf die die Ausstellung Bezug nimmt. Denn hier geht es sowohl um internationale Politik, als auch um persönliche Schicksale. Themen wie Wirtschaft, Navigation, Kartographie, Ethnologie, Biologie, Schiffbau und andere technische Entwicklungen des frühen 16. Jhd. spielen eine zentrale Rolle. Es wurde hier in alle Richtungen recherchiert, um ein vollständiges Bild zu zeichnen. Hierzu zählt auch die Darstellung der Reisevorbereitungen, ebenso wie der Blick auf die weiteren Ereignisse nach der Weltumsegelung.
Für die Recherche zur Ausstellung war es hilfreich, dass das Archivo General de Indias selbst im Besitz der wichtigsten Dokumente und Quellen zu Magellans Reise ist. Es wurde aber auch außerhalb des Hauses geforscht. Denn die Ereignisse finden in der Renaissance statt, einem Zeitalter, das sehr detailreich dokumentiert wurde. Man merkt der Ausstellung an, dass es hier das Ziel war, das Thema so vollständig wie möglich zu betrachten. Wer sich ein Bild davon machen möchte, kann den Katalog der Ausstellung kostenlos herunterladen.
Solch eine akribische Recherche ist zwar lobenswert, die zahlreichen Inhalte stellen aber auch eine museografische Herausforderung dar. Je mehr Fakten und Aspekte man vermitteln möchte, desto schwieriger wird es, dies räumlich umzusetzen. Besucher erfahren Ausstellungen auf eine ganz individuelle und deshalb auch unterschiedliche Art und Weise. Als Ausstellungsmacher möchte man, wenn möglich, niemanden über- oder unterfordern. Eine weitere Herausforderung stellen die Exponate dar. In einem Archiv sind die zentralen Objekte geschriebene Dokumente und bedruckte Unterlagen – also Flachware auf Papier. Es gilt zu bedenken: So wichtig etwa Exponate wie der „Vertrag von Tordesillas“ für die Weltgeschichte sind, das Original wird nur einen Bruchteil der Ausstellungsbesucher beeindrucken. Doch der Ausstellung „El Viaje Más Largo“ gelingt es, diese Herausforderungen mit relativ simplen, aber klugen szenografischen Mitteln zu bewältigen.
Die Szenografie der Ausstellung
Der öffentlich zugängliche Bereich des Archivs bildet einen Kreis um das Atrium des Gebäudes. Das ist natürlich äußerst praktisch, um die Geschichte der ersten Weltumrundung im Raum zu erzählen. Doch die Räumlichkeiten stellten die Ausstellungsgestaltung auch vor besondere Herausforderungen, denn der Boden und ein Teil der Wände sind aus hellem, mehrfarbigem Marmor. Zudem sind die Räume mit sehr hohen Decken versehen und beinhalten einige Strukturen aus edlem Holz. Zudem ist das Gebäude auf allen Seiten mit großen Fenstern versehen, die viel Licht einlassen. Das Ganze ist prächtig – zu prächtig. Die meisten Exponate würden in solchen Räumen verloren und unbedeutend wirken. Dazu kommt das Problem, dass 500 Jahre alte Papiere für Monate dem Tageslicht ausgesetzt werden müssten, was eine konservatorische Katastrophe wäre.
Die Lösung für diese Probleme lag auf der Hand, war aber bestimmt nicht leicht umzusetzen: Für die Ausstellung „El Viaje Más Largo“ wurden die gesamten Innenräume des Archivs verdunkelt, indem sie mit schwarzen Vorhängen und Teppichen versehen wurden. Die Dunkelheit fügt sich gut ins Konzept. Es handelt sich bei der von Magellan angetretenen Reise schließlich um eine Fahrt ins Ungewisse. Durch die Ausstellungsgestaltung wird der Besucher aus der Altstadt von Sevilla hinein in die Geschichte gezogen. Die Exponate strahlen mit wenig Licht. Besonders das Papier und die hellen Ausstellungstexte sind gut lesbar. Die großflächigen Projektionen von kurzen Informationsfilmen oder die Darstellungen des Meeres wirken besonders gut in dieser Kino-artigen Atmosphäre. Die Ausstellungsgestalter haben dabei auch Klang und Töne als erzählerisches Element nicht vergessen.
Hinzu kommen einige einzigartige Ideen. Metall-Miniaturen der Schiffe von Magellans Expedition tauchen immer wieder auf dem Boden auf. Sie hinterlassen blaue Spuren auf dem dunklen Teppich, stellen Szenen der Geschichte dar und zeigen die Richtung, in die sich die Besucher bewegen sollen. Besonders gut wirken diese Miniaturen, wenn sie zwischen den zwei parallelen Ausstellungswänden platziert sind, die die Magellanstraße erklären. Die Dichte der Exponate und Installationen passt sich in der Ausstellung übrigens an die Dynamik der Geschichte an. So sind die vier Monate, die notwendig waren um den Pazifik zu überqueren, durch einen relativ leeren Raum dargestellt, während die Ereignisse auf den Philippinen und den Molukken, das eigentliche Ziel der Reise, in engeren und dichter gestalteten Räumen dargestellt, die zudem in Grüntönen gestaltet sind.
Eine besondere Erwähnung verdienen die Skulpturen von Javier Romero Abrio (Sevilla, 1985) die man an verschiedenen Stellen der Ausstellung findet. Diese Werke dienen dazu, die Gefühle der Mannschaft – belegt durch Überlieferungen und Tagebücher – an Bord der Schiffe während verschiedener Kapitel der Geschichte zu verkörpern. Diese Nutzung von zeitgenössischer bildender Kunst in einer kulturhistorischen Ausstellung ist eine besonders originelle und wirksame Unterstützung der Narrative.
Die Geschichte der ersten Weltumsegelung
Die Ausstellung „El Viaje Más Largo“ folgt einer chronologischen Struktur, denn letztendlich geht es hier um die Erzählung eines Abenteuers. Die Hierarchie der Inhalte in der Ausstellung erlaubt es den Besuchern, die nicht zu viel lesen können oder wollen, diese Geschichte gut zu verstehen. Die inneren Wände der kreisförmig angeordneten Räume sind mit einer Reihe von Zitaten der Protagonisten beschriftet. Liest man nur diese Zitate, kombiniert mit den Filmen und einigen markanteren Exponaten und Installationen, hat man schnell die Erzählung erfasst – und zwar mit vielen interessanten Zusatzinformationen.
Doch die Ausstellung vermittelt, wie erwähnt, ein hochkomplexes und ausführlich dokumentiertes Thema. Wer also in einige Aspekte der Geschichte tiefer eintauchen möchte, hat vor Ort auch die Gelegenheit dazu. Die Ausstellung lässt sich sowohl in einer halben Stunde als auch in bis zu zwei Stunden besuchen, abhängig davon, wieviel Zeit oder Wissenslust man hat. Wer noch mehr erfahren möchte, kann natürlich auch eine Führung buchen oder den Katalog lesen.
El Viaje Más Largo. La Primera Vuelta al Mundo
Archivo General de Indias
12.09.2019 – 23.02.2020
Fotos: Damián Morán Dauchez und Angelika Schoder – Sevilla, 2019
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Bei musermeku schreibt Damián Morán Dauchez über Geschichtsthemen, Ausstellungs- und Museumsdesign sowie über Erinnerungskultur.
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