40 Jahre Titanic im Caricatura Museum Frankfurt

Anlässlich des Jubiläums von 40 Jahre Titanic lädt das „endgültige Satiremagazin“ zur Titel-Ausstellung ins Caricatura Museum Frankfurt.

Anlässlich des Jubiläums von 40 Jahre Titanic lädt das "endgültige Satiremagazin" zur "endgültigen Titel-Ausstellung" ins Caricatura Museum Frankfurt

[Ausstellung] Mit ihrer „erste Banane“ strahlte Zonen-Gaby vom November-Cover 1989 des Satiremagazin Titanic, gekleidet in eine flotte Jeansjacke und in der Hand eine halb geschälte Gurke. Ob der „undichte Papst“, ein „schrecklicher Verdacht“ gegen Hitler oder Kanzler Birne – viele Cover der Titanic sind heute popkulturelle Ikonen, Print-Memes gewissermaßen. Anlässlich des 40. Jubiläums lädt jetzt das Satiremagazin zur „endgültigen Titel-Ausstellung“ ins Caricatura Museum Frankfurt. Mit dabei sind natürlich auch Genschman, Kohls Mädchen, die Roten Strolche – und Gabys Jeansjacke.


Von der Buntstift-Wette bis zur Fußball WM 2006

„Alles Lüge“ titelte die Frankfurter Rundschau anlässlich der aktuellen Titanic-Ausstellung im Caricatura Museum Frankfurt. Zonen-Gabys Jacke, die in einer Vitrine im Museum ausgestellt wird, sei gar nicht original – die Position des Labels verrät den Fake. Daneben präsentiert wird die orginal-Gurke – auch ein Fake.

Das Satiremagazin hat in seiner 40-jährigen Geschichte so einiges gefaked, daran erinnert die Ausstellung in einer Best-of Galerie. Legendär war die Buntstift-Wette von 1988, die in der Samstagabend-Show „Wetten, dass…?“ die ZDF-Zuschauer glauben machen wollte, man könne die Farbe von Stiften am Geschmack erkennen. Hinter der Wette steckte der damalige Titanic-Chefredakteur Bernd Fritz, der die Idee von einem Fan des Magazins übernahm. Unter dessen Namen, Thomas Rautenberg, trat der Redakteur als Werbegrafiker aus Deisenhofen in der von Thomas Gottschalk moderierten Show auf. Alle Überlegungen, wie man die Stifte im Voraus nach Farben präparieren könnte, um sie zu erkennen, stellten sich schließlich als überflüssig heraus. Letztendlich war es dem Titanic-Redakteur ganz einfach möglich, unter der vom ZDF zur Verfügung gestellten Skibrille durchzuschauen und die Farben der Buntstifte einfach zu sehen.

Neben dem Buntstift-Fake dürfte der Verdienst der Titanic um den Austragungsort der Fußball WM 2006 in Deutschland zu den bekanntesten Aktionen des Satiremagazins gehören. Am Vortag der Wahl im Jahr 2000, in dem der ausrichtende Verband durch die Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees ermittelt werden sollte, versandte der damalige Chefredakteur der Titanic, Martin Sonneborn, zwei Bestechungs-Faxe an das Hotel, in dem die Teilnehmer der Tagung des Weltfußballverbandes untergebracht waren. Das Hotel stellte ganz unproblematisch Sonneborns in merkwürdigem Englisch formuliertes Schreiben sieben der Stimmberechtigten zu. Sollten diese für Deutschland als WM Austragungsort abstimmen, so hieß es im Fax, würde man sich erkenntlich zeigen – mit einem Präsentkorb mit Wurst und echtem Schwarzwälder Schinken sowie einer wundervollen Kuckucksuhr. Das FIFA-Exekutivkomitee entschied sich schließlich mit 12:11 Stimmen für die Bewerbung Deutschlands als Austragungsort der WM 2006.


Die endgültige Titelausstellung

Die Titanic-Ausstellung zieht sich durch das gesamte Museum, durch alle Etagen, durchs Treppenhaus bis zu den Toiletten. Überall musste Platz gefunden werden für 67 Originalzeichnungen und Titel-Entwürfe, 17 Objekte und Requisiten, 15 juristische Dokumente, 12 gesetzlich verbotene Hefte und 10 Archivvideos. Im Obergeschoss ist Hilke Raddatz eine ganze Wand gewidmet. Sie illustriert jeden Monat die „Briefe an die Leser“ – insgesamt über 3.000 Vignetten mit Karikaturen von Alice Schwarzer bis Queen Elisabeth II.

Anlässlich seines 40. Geburtstags feiert sich das Satiremagazin in der Ausstellung aber vor allem mit 168 Titeldrucken, welche „die Grenzen des Belachbaren, des guten und schlechten Geschmacks sowie jeglicher herrschender Gesinnung“ ausgetestet haben. Einige Titel wie „Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!“ überschritten etwa diese Grenzen – der damalige SPD-Chef Kurt Beck ging deshalb im Jahr 2006 gegen die Titanic vor. Auch sein Parteigenosse Björn Engholm hatte zuvor gegen die Titanic eine einstweilige Verfügung erwirkt und Schmerzenzgeld in Höhe von 40.000 DM erstritten. Das Satiremagazin hatte sein Bild in das berühmte Foto des toten Uwe Barschel montiert. Auch diese verbotenen Titel zeigt das Caricatura Museum Frankfurt in der aktuellen Ausstellung, verborgen hinter mit Filzstoff abgedeckten Vitrinen. Wer sich traut, kann diese Abdeckung lüften – oder sie gleich dem nächsten neugierigen Ausstellungsbesucher offen lassen.


Wo Satire aufhört und Spaß anfängt

Gegründet wurde die Titanic 1979 von Vertretern der Neuen Frankfurter Schule: Robert Gernhardt, F.K. Waechter, Peter Knorr, Hans Traxler und Chlodwig Poth. Seitdem sind über 480 Titel erschienen. Das Satiremagazin war damit in den vergangenen 40 Jahren auch mit 55 Gerichtsverfahren beschäftigt, hat 38 verbotenen Ausgaben zu verbuchen, sowie zahlreiche einstweilige Verfügungen und Unterlassungserklärungen.

In der „endgültigen Titelausstellung“ kann man sich übrigens nicht nur die legendären, umstrittenen und verbotenen Magazin-Cover anschauen, sondern auch selbst zum Titanic-Titelmotiv werden. Die Bedienungsanweisung ist einfach:

  • 1. Kaufen Sie sich ein Smartphone.
  • 2. Rufen Sie die Funktion „Kamera“ auf.
  • 3. Geben Sie das Telefon einem vertrauenswürdigen Menschen.
  • 4. Strecken Sie Ihren Kopf durch eines der vier Motive und lassen Sie sich fotografieren.

Und schon schlüpft man in die Rolle vom „undichten Papst“, man wird zum „arbeitsscheuen und handygeilen Flüchtlingskind“ oder man steht im Seitenscheitel-Portrait mit dem Fahndungsaufruf „Wer kennt diesen Mann?“. Bereits für diese Foto-Station lohnt sich ein Ausstellungsbesuch.


40 Jahre Titanic – Die endgültige Titel-Ausstellung

Caricatura Museum Frankfurt
03.10.2019 – 02.02.2020


Header-Bild: Angelika Schoder – „Briefe an die Leser“ von Hilke Raddatz – Caricatura Museum Frankfurt, 2019


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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