Balenciaga im Musée Bourdelle

Das Palais Galliera widmet dem Couturier Cristóbal Balenciaga (1865-1972) im Musée Bourdelle eine außergewöhnliche Ausstellung in Paris.

Das Palais Galliera widmet dem Couturier Cristóbal Balenciaga (1865-1972) im Musée Bourdelle eine außergewöhnliche Ausstellung in Paris.

[Pressereise] Das Palais Galliera widmet dem Couturier Cristóbal Balenciaga (1865-1972) im Musée Bourdelle eine außergewöhnliche Ausstellung. Unter dem Titel „l’oeuvre au noir“ wird der Facettenreichtum der Farbe Schwarz zelebriert, die der spanische „Alchimist der Haute Couture“ in Szene setzte. In Paris sind jetzt über hundert Stücke der Sammlung Galliera sowie des Maison Balenciaga zu sehen – in einem der schönsten Museen der französischen Metropole.


Im Garten ebenso wie im Innenhof zeigt das Musée Bourdelle Bronzeskulpturen des gleichnamigen Künstlers.

Couture als Religion

Die Farbe Schwarzes trieb Modeschöpfer Cristóbal Balenciaga an: Der Kern seiner Arbeit wurde von der Folklore und den Traditionen seiner spanischen Kindheit inspiriert. Schwarz war die Farbe, die der Designer vor allen anderen bevorzugte. Dunkle Materialien hatten einen starken Einfluss auf den Couturier, über den Dior einmal sagte: „Kleider waren seine Religion“. Balenciaga sah Schwarz als eine lebendige Materie. Ob undurchsichtig oder durchsichtig, ob matt oder glänzend – je luxuriöser die Qualität der verwendeten Stoffe und je scheinbar einfacher die Schnitte, umso stärker der Ausdruck der Kreationen.

Aus Spitze, bestickten Stoffen und Guipure, einem schweren Tuch aus Seidensamt, fertigte Balenciaga aufsehenerregende Röcke, Boleros oder Capes. Jedes Stück fasziniert auf seine Weise, von mit Seidentaft gefütterten Tageskleidern über mit Fransen umrandeten und mit Satinbändern verzierten Cocktailkleidern bis hin zu prächtigen Abendroben, die mit Jetperlen oder Pailletten verziert mehre Kilo wiegen.


Ikonen in Schwarz im Musée Bourdelle

Balenciaga setzte Trends und prägte die Welt der Mode, etwa mit dem Ballonkleid (1950), dem leicht-taillierten Kostüm (1951), dem Tunika-Kleid (1955) oder dem vasenartig-sperrigen Sack-Kleid (1957), in dem die Trägerin bei Cocktailpartys für Aufsehen sorgen, sich aber nicht hinsetzen konnte. Diese Ikonen des Designs zeigt das Pariser Modemuseum Palais Galliera in einer aktuellen Ausstellung – allerdings nicht in seinen eigenen Räumen in der avenue Pierre 1er de Serbie, sondern im Musée Bourdelle, einem Skulpturenmuseum im 15. Arrondissement.

Der Schauplatz für die Präsentation von Balenciagas Entwürfen ist ungewöhnlich, handelt es sich beim Musée Bourdelle doch um das Atelier des französischen Bildhauers Antoine Bourdelle (1861-1929), einem Zeitgenossen von Auguste Rodin, dessen 100. Todesjahr 2017 mit mehreren Ausstellungen in Paris gefeiert wird. Bourdelle nutzte das heutige Museum von 1885 bis 1929 als Studio – diese historische Umgebung wird bis heute bewahrt.

Seit 1949 besteht das Museum bereits. Im Jahr 1961 wurde es erstmals von Henri Gautruche erweitert, 1992 wurde ein Erweiterungsbau von Christian de Portzamparc eingeweiht. Eigentlich zeigt das Musée Bourdelle in seinem Innenhof, in einem kleinen Garten sowie in seinen Ausstellungsräumen über 500 Skulpturen aus Marmor, Gips und Bronze. Ergänzt werden diese nun aber mit den Entwürfen von Balenciaga und treten dabei mit ihnen in einen Dialog.


Das Musée Bourdelle zeigt die Skulpturen des Bildhauers Antoine Bourdelle (1861–1929).

Skulpturale Konzepte

Die Ausstellung „l’oeuvre au noir“ widmet sich dem Werk des Couturiers Cristóbal Balenciaga in drei Schwerpunkten: „Silhouette und Volumen“, „Schwarz und Licht“ sowie „Schwarz und Farbe“. Einen Prolog bildet das Thema „Skizzen und Konstruktion“, welches in der großen Skulpturenhalle des Musée Bourdelle in den Fokus gerückt wird. Die hier gezeigten Schnittmuster verdeutlichen, wie ähnlich sich Bildhauerei und das Schneiderhandwerk sind. Die Harmonien werden von ausgewogenen Proportionen bestimmt und von der Auswahl des geeigneten Materials.

Hier erfährt man, dass sich im Französischen auch in der Sprache Ähnlichkeiten zwischen den Disziplinen Bildhauerei und Modedesign zeigen. Balenciaga setze etwa Entwürfe um, indem er Stoff auf einer Schneiderpuppe drapierte. Der erste Arbeitsschritt war die Erstellung der „Leinwand“ (la toile), eine Art Skizze, die angepasst werden musste, bis eine perfekte Version eines Entwurfs ausgearbeitet war. Diese „Leinwände“, die in der Regel aus schwarzer Baumwolle gefertigt waren, wurden in Schnittmuster auf andere leichte oder festere Stoffe übertragen, je nachdem aus welchem Material am Ende der Entwurf gefertigt werden sollte.

Jeder Abschnitt wurde von Balenciaga dann mit Markierungen versehen, welche die Struktur und den Aufbau des Kleidungsstücks definierten. Faltenwürfe und Stoffverläufe konnten so vom Modedesigner minutiös festgehalten werden. Im Anschluss wurden mit weißen Maschinenstichen die Nähte und Abnäher angedeutet, farbige Stiche markierten zudem etwa die Höhe des Saumes. Im Ganzen entstand so eine Art Landkarte des zukünftigen Designs. Ergänzt werden diese Schnittmuster in der Ausstellung durch handschriftliche Notizen, welche die Intentionen und die Arbeitsmethoden Balenciagas offenlegen.


In der großen Skulpturenhalle des Musée Bourdelle werden die Schnittmuster Balenciagas wie Skulpturen inszeniert.

Die Gestaltung der vollendeten Silhouette

Die eigentliche Ausstellung beginnt zaghaft, nur mit Details. In den Atelierräumen des Musée Bourdelle werden zwischen den Skulpturen des gleichnamigen Bildhauers immer wieder Accessoires von Balenciaga eingestreut – hier ein Fascinator mit auf Stäben geklebten Perlen, die wie Antennen wirken, dort ein Hut mit Straußenfedern, den man nur mit dem Wort „exzentrisch“ bezeichnen kann. Für Balenciaga spielten Hüte eine besondere Rolle, wenn es um den Entwurf einer Silhouette ging. Ob schwarz, sehr klein oder übergroß – mehr noch als jedes andere Accessoire nutzte der Modeschöpfer Kopfbedeckungen als Erweiterung oder als Kontrapunkt zu seinen Modeentwürfen.

In weiteren Atelierräumen werden besonders lichtempfindliche Entwürfe in schwarzen Boxen präsentiert. Hinter dichten Vorhängen erahnt man im Dunklen die Schnittformen der schwarzen Kleider und Kostüme. Der Besucher erfährt hier, dass Balenciaga seine Technik immer wieder seinen verwendeten Stoffen anpasse. Ebenso wie ein Bildhauer konnte er so das Beste aus den Materialen herausholen. Je nach Gewicht, Dichte oder Griffigkeit wurde der Stoff von ihm anders drapiert oder zugeschnitten. Fasziniert vom Spiel mit Licht und Schatten arbeitete Balenciaga dabei besonders gerne in Schwarz, um seinen Entwürfen eine besondere Tiefe und Ausdrucksstärke zu verleihen.

Sein experimenteller Umgang mit Materialien führte allmählich zu einer Dekonstruktion von traditionellen Formen und hin zu einer immer abstrakteren modischen Ausdrucksweise. Die Modekreationen entwickelten eine Art Eigenleben, denn Balenciaga schuf Silhouetten, die teils nur noch wenig mit den Körpern zu tun hatten, die sie bekleideten. Das Schwarz, das Balenciaga für seine Kreationen wählte, war dabei auch Ausdruck einer Bewegung in Richtung Geometrie. Insbesondere seine Woll- oder Samtmäntel, die von hohen Krägen überragt werden, erinnern fast an kubistische Skulpturen, etwa von Raymond Duchamp-Villon, Umberto Boccioni oder Otto Gutfreund.


Balenciaga faszinierte an der Farbe Schwarz besonders das Spiel mit Licht und Schatten, das er durch die Kombination verschiedener Materialien aufgriff.

Im Rausch der Nicht-Farbe

Der Hauptteil der Ausstellung befindet sich im Erweiterungsbau des Musée Bourdelle aus dem Jahr 1992. Hier werden zunächst Zeichnungen von Balenciaga gezeigt, die einen Hinweis darauf geben, wie kühl und gleichzeitig puppenhaft der spanische Modedesigner die Frauen sah. Seine Ideen entwickelte der Modeschöpfer in einem Skizzenbuch, aber auch auf Notizzetteln in Hotels. Die Ausstellung zeigt, wie Balenciaga Fragmente eines Kleides skizzierte, den Aufbau eines Mieders oder einen einzelnen Kragen. Pfeile zeigen die Richtung des Stoffes an, ein paar Worte auf Spanisch weisen auf die Farbe hin, die der Entwurf einmal annehmen sollte – negro oder rojo. Neben seinen Skizzen ergänzte er auch weitere Erläuterungen, etwa „solo en este lado“ oder „de la misma tela“ – also „nur auf dieser Seite“ oder „aus dem gleichen Stoff“.

Nach Materialien und Farben geordnet zeigt die Ausstellung schließlich die opulenten Kreationen von Balenciaga – immer im Dialog mit kleinen Büsten und meterhohen Skulpturen von Antoine Bourdelle. Im Kontrast zu Marmor, Gips und Bronze stehen die stumpfen, matten Oberflächen von Wolle oder tiefschwarzem Samt, die wiederum in Kontrast stehen zu glänzenden Satinbändern oder schimmerndem Seidentaft.

Besonders beeindrucken die Abendroben, welche Balenciagas Liebe zu gestickten schwarzen Perlen und Pailletten zeigen. Sie erinnern an die Stickereien auf den traditionellen Kostümen des Stierkampfs aus Balenciagas spanischer Heimat. Auch der Einsatz von Spitze ist in Balenciagas Arbeit mit seiner Herkunft verknüpft, ist sie doch in Schwarz Ausdruck von Frömmigkeit und damit immanenter Bestandteil traditioneller spanischer Kirchen- und Trauerkleidung. So zeigen die Entwürfe des Couturiers, dass Mode nicht nur oberflächliche Ästhetik verkörpert, sondern immer auch tiefere Bedeutungsebenen bereithält.


Balenciaga, l’oeuvre au noir

Musée Bourdelle
18, rue Antoine Bourdelle
75015 Paris

musermeku dankt Atout France für die Einladung nach Paris und für die Übernahme der Kosten der Reise.


Bilder: Angelika Schoder – Musée Bourdelle, Paris 2017


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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