[Liste] Ungewöhnliche Museums-Objekte können Ankerpunkte für Emotionen, Denkanstöße und Diskussionen sein – das zeigen die hier präsentierten Exponate aus dem deutschsprachigen Raum. In Teil 3 geht es um interessante Mode, wie den „Atom-Anzug“ mit eingebautem Telefon aus dem StadtPalais Stuttgart oder um die Stiefel einer Sexarbeiterin, die ihren Weg ins Museum der Arbeit in Hamburg gefunden haben. Außerdem werden hier außergewöhnliche Objekte vorgestellt, bei denen besonders die Hintergrundgeschichte rätselhaft oder ungewöhnlich ist. Hierzu zählt etwa eine Pistole, die in ein Gebüsch eingewachsen ist und die heute im Haus Schulenburg in Gera ausgestellt wird, oder ein Schiffsmodell, dessen traurige Herkunft aus dem KZ Buchenwald sich erst offenbarte, als es zerstört wurde.
Teil 3
⇒ Interessante Mode: Der Atom-Anzug | Sexy Stiefel | Schwimmschuhe | Clowns-Nase und Perücke
⇒ Außergewöhnliche Objekte: Eine eingewachsene Pistole | Der Blumenschuh | Ein Schäferkarren | Die Streichholzlok | Das rätselhafte Schiffsmodell | Ein Sauggefäß | Eine Trompetengeige | Ein 9/11-Feuerzeug | Ein Schraubtaler | Ein Scherzgefäß
In Teil 1 geht es um kuriose Apparate und um skurrile Dinge: Von Automatikspaten bis Unschlitt-Wurst
In Teil 2 geht es um seltsame Tiere und um merkwürdige Kunst: Von der Maus-Mumie bis zur Rote von Mauern
Interessante Mode

Der Atom-Anzug
Der „Atom-Anzug“ mit Telefon wurde von dem Stuttgarter Herrenschneider Fritz Münch anlässlich des Weltkongresses der Mode 1954 in Rom entworfen. Dieser Kongress fand alle zwei Jahre statt und stand immer unter einem bestimmten Motto. Die Aufgabenstellung für 1954 bestand darin, einen Anzug zu kreieren, wie man ihn im Jahr 2000 tragen würde. Für Deutschland sollte Fritz Münch einen Anzug schneidern.
Hinter der Idee einen „Handy-Anzug“ zu entwerfen, verband Fritz Münch die Vorstellung, dass Menschen im Jahr 2000 andere Wege der Kommunikation nutzen würden, unter anderem auch mobil zu telefonieren. Dazu sollte ein passendes Kleidungsstück entstehen. Zudem sollte der Anzug bequem, praktisch und leicht zu tragen sein. Der „Atom-Anzug“ erregte sehr viel Aufsehen während des Weltkongresses. Die Präsentation des Anzugs wurde auch in der Wochenschau gezeigt.

Sexy Stiefel
Diese roten Stiefel aus Lack zeigte das Museum der Arbeit in der Sonderausstellung „Sexarbeit“ von 2005 bis 2006. Im Anschluss an die Ausstellung wurden sie in die Sammlung des Museums übernommen. Sie dienten Laura als Arbeitskleidung bei der Sexarbeit. Es ist üblich, dass Sexarbeitende ihre Namen nicht bekannt geben, also mit Künstlernamen arbeiten, damit sie anonym bleiben.

Schwimmschuhe
Auf dem Wasser gehen – mit diesen Schwimmschuhen ist es möglich. Der Sportboot-Hersteller VEB Wiking in Schwerin produzierte die Schuhe ab 1985 als „Sea Walks“ für den US-Markt. Die Herstellung war wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, aber die DDR brauchte Devisen. In der DDR durften die Schuhe keineswegs in den Handel gelangen. Ein geübter Sportler hätte mit ihnen in die Bundesrepublik flüchten können. Unverkaufte Schwimmschuhe sollten vernichtet werden, einige Exemplare wurden aber 2003 wiederentdeckt.
Der Bootsbauer Frank-Uwe Groth griff die Idee auf und ließ von 2005 bis 2012 neue Exemplare fertigen. Ruder- und Segelvereine, Bootsverleiher und Jugendherbergen waren die Käufer. Es fanden auch regelmäßig Schwimmschuh-Wettkämpfe statt.

Clowns-Nase und Perücke
Obwohl ihm sein Vater eine solide Ausbildung zum Optiker ans Herz gelegt hatte, entschied sich Buddy Elias (1925-2015), ein Cousin von Anne Frank, für die Schauspielschule. Nach seiner Ausbildung tourte er jahrelang als Clown auf Schlittschuhen mit „Holiday on Ice“ um die Welt. Später machte er Karriere als Theater- und Filmschauspieler.
Die Clown-Nase und die Maske, die aus Leder, Haar, Seide und Papier gearbeitet ist, zeigt das Jüdische Museum Frankfurt im Familie Frank Zentrum in der Dauerausstellung „Wir sind jetzt“.
Außergewöhnliche Objekte

Eine eingewachsene Pistole
Diese Pistole wurde nach 1945 in Gera von einem Jungen in der Waldstraße gefunden. Waffenbesitz bedeutete damals unter russischer Besatzung für den Besitzer eine große Gefahr. Deswegen wurde dem Jungen von seinem Vater befohlen, die Waffe dort wegzuwerfen, wo er sie gefunden hatte. Zurück in der Waldstraße warf er sie über die Grundstücksmauer von Haus Schulenburg. Hinter dieser Mauer stand eine Buchenhecke. Das Gerät blieb im Geäst hängen, wuchs ein, wurde mehr als 50 Jahre später entdeckt und im Haus Schulenburg als Kuriosität
ausgestellt.
Eines Tages kam ein älterer Mann zu Besuch. Der sagte: „Das war ich“ und erzählte die ganze Geschichte. Zuletzt war die „Pistole im Holz“ als Readymade, vielleicht auch als Friedenssymbol in der Ausstellung „Türen im Holz – aus dem Lebenswerk des Magdeburger Holzbildhauers Frithjof Kühne“ ausgestellt.

Der Blumenschuh
Der Miniaturschuh ist das Geschenk eines Mitgefangenen im Konzentrationslager Sachsenhausen. Ludwig Peters kümmerte sich im KZ Sachsenhausen um kranke Häftlinge. Unter ihnen war auch ein 16-jähriger Junge aus der Sowjetunion – sein Name ist leider nicht bekannt. Anstatt sein kostbares Brot zu essen, kaute und vermengte er die Brotmasse mit seiner Spucke und formte daraus diesen zierlichen, mit Blumen verzierten Schuh. Er bemalte ihn mit Farbresten und schenkte ihn Ludwig Peters zum Geburtstag. Kurz darauf starb der Junge.
Da die Häftlinge hungerten, war Brot äußerst wertvoll. Trotzdem sparte der Junge das ihm zugeteilte Brot, um es als Zeichen seiner Dankbarkeit zu einem kunstvollen Geschenk zu verarbeiten. Solche Geschenke unter Häftlingen konnten Kraft geben, um inmitten der Gewalt weiterzuleben. Der „Blumenschuh“ ist als 3D-Aufnahme in der WebApp „Dingen auf der Spur“ zu finden.

Ein Schäferkarren
Der Schäferkarren ist ein Symbol für Minimalismus und Freiheit. Einst diente er Wanderschäfern als mobiles Zuhause, schlicht und funktional. Meist zweirädrig, mit Holzspeichenrädern, bot er Schutz vor Wind und Wetter. Unten fand der Hütehund Platz, gezogen wurde er von Eseln oder Ochsen. Im 17. Jahrhundert waren diese Wagen so niedrig, dass man darin nur schlafen oder kniend sitzen konnte, Komfort gab es nicht.
Doch aus dieser einfachen Ruhestätte entstand ein Prinzip, das heute in luxuriösen Wohnmobilen weiterlebt: unterwegs sein, ohne auf ein Zuhause zu verzichten. Der Schäferkarren war der Ursprung moderner mobiler Freiheit.

Die Streichholzlok
Kunststoff, Metall, Holz, Gummi, Acryl, Draht, Fäden – bei der Wahl des Materials machen es sich manche Modellbauer nicht leicht. Anders der Modellbauer Karl Achenbach: Nur aus Streichhölzern sollten seine Modelle von Dampflokomotiven gefertigt sein und dennoch so detailliert, dass sie ihren Vorbildern kaum nachstanden. Bis zu 10.000 einzelne Streichhölzer benötigte er je Lokomotive. 2 bis 5 Monate baute er – je nach Größe des Modells – in seiner Freizeit an einer Lok.
Im Verkehrsmuseum Dresden werden 14 seiner Dampflok-Modelle präsentiert und zeigen die Vielseitigkeit des Modellbaus, abseits von sonst üblichen Materialien und Fertigungstechniken.

Das rätselhafte Schiffsmodell
Die Herkunft dieses Schiffsmodells aus Holz, Baumwolle, Leder und Metall war lange Zeit ein Rätsel. Seine Provenienz wäre nie aufgeklärt worden, hätte es nicht jemand zerstört. Ursprünglich stammt das Objekt aus dem Konzentrationslager Buchenwald. Dort mussten es die Gefangenen Willy Werth, Willi Hering und Alfred Schellenberger in Zwangsarbeit anfertigen. Das Schiffsmodell war als Dekoration für einen Angehörigen der Schutzstaffel (SS) gedacht. Nach 1945 verblieb es vermutlich bei dessen Familie. Jahrzehnte später gelangte das Modell über eine Haushaltsauflösung und Schenkungen in der Nachbarschaft in den Besitz einer Großmutter, die das bunte Schiff als Spielzeug für ihre Enkelkinder ungeeignet fand. Beim Versuch, es zu entsorgen, zerschlug es jemand mit einem Hammer.
Zwischen den Einzelteilen fand sich ein Zettel, den die drei Gefangenen 1939 im Rumpf des Modells versteckt hatten. Die überraschte Besitzerin nahm Kontakt auf zur Gedenkstätte Buchenwald und überließ ihr das Objekt 2018 als Schenkung. Das Objekt und die versteckte Botschaft können in der WebApp „Dingen auf der Spur“ betrachtet werden.

Ein Sauggefäß
Das feintonige, kleine Gefäß mit Henkel und Tülle wurde Anfang der 1990er Jahre bei der Ausgrabung eines Kellers in der Forchheimer Innenstadt zusammen mit ca. 30 intakten oder nur gering beschädigten Gefäßen (überwiegend Kochgeschirr) gefunden. Die Objekte befanden sich in einer Abfallgrube. Datiert wird der Fund in das späte 15. Jahrhundert.
Es handelt sich um ein Sauggefäß, das für die Säuglings- und Krankenpflege verwendet wurde und somit durchaus einen Vorläufer unserer heutigen Schnabeltasse darstellt.

Eine Trompetengeige
Violinen mit eingebauten Naturtrompeten gehören zu den kuriosesten Instrumenten der Bach-Zeit. In Köthen, wo Bach von 1717 bis 1723 Hofkapellmeister war, verfügte das Orchester über zwei dieser Instrumente. Im Inneren der spielbaren Geige verbergen sich die gewundenen Messingrohre der Trompete. Das Original entstand um 1717 in einer Gemeinschaftsarbeit des vogtländischen Trompetenbauers Carl Grimminöser sowie des Breslauer Geigenbauers Johann Michael Güttler.
Das Bachhaus Eisenach sammelt alte Musikinstrumente und besitzt eine solche „Trompetengeige“ von 1717. Sie darf aber aus konservatorischen Gründen nicht mehr gespielt werden. Mit dem Nachbau des Instrumentenbauers und Sammlers Günter Hett aus Bergisch-Gladbach lässt sich der Klang nun trotzdem demonstrieren. Pünktlich zum Bach-Geburtstag am 21. März 2025 wird Hetts Sammlung mit zahlreichen Blasinstrumenten in das Bachhaus Eisenach umziehen. Vermutlich gibt es weltweit nur noch vier weitere Trompetengeigen aus historischer Zeit, die allesamt im deutschsprachigen Raum zu finden sind.

Ein 9/11-Feuerzeug
Geschmacklos, ungewöhnlich, skurril: Dieses Feuerzeug zeigt den Moment, in dem der American Airlines-Flug 11 in den Nordturm des World Trade Centers einschlägt. Mit diesem Einschlag begannen am 11. September 2001 um 8:46 Uhr die Terroranschläge des islamistischen Terrornetzwerks al-Qaida.
Das Feuerzeug wurde 2019 in die Sammlung des Historischen Museums Basel aufgenommen. Der Donator hatte es wenige Monate nach den Anschlägen in Rom erworben. Ein Bauchladenverkäufer hatte es ihm in einem Restaurant angeboten. Neben diesem Feuerzeug pries er zahlreiche andere Feuerzeuge in skurrilen Formen an. Darunter auch WC-Schüsseln oder Lippenstifte. Das Feuerzeug stand 18 Jahre lang unbenutzt im Küchenschrank, bevor es in die Museumssammlung überging.

Ein Schraubtaler
Schraubtaler sind Münzen, die so bearbeitet sind, dass sich die Vorder- und Rückseite wie eine kleine Dose zusammenschrauben lassen. Meist werden dazu zwei Münzen ausgehöhlt, um dann den Boden und den Deckel zu bilden. Was von außen wie eine normale Münze aussieht, bietet innen eine Überraschung: In diesem Fall handelt es sich um zwei Porträts. Wer die Dargestellten sind, wissen wir nicht, sie tragen Kleidung, wie sie zwischen 1620 und 1640 in den Niederlanden und angrenzenden Ländern getragen wurde.
Die Münze ist ein 100 Jahre älterer sächsischer Taler – und bezogen auf das Alter der Münze ist das sogar der älteste bekannte Schraubtaler überhaupt. Er hat einen abenteuerlichen Weg hinter sich: 1945 wurde er aus Weimar gestohlen, in den USA sichergestellt, durfte aber nicht an die staatlich nicht anerkannte DDR zurückgegeben werden. 1954 nahm ihn die Bundesrepublik Deutschland treuhändisch entgegen, und erst 1989 konnte der Schraubtaler wieder nach Weimar zurückkehren.

Ein Scherzgefäß
Dieses Scherzgefäß aus Glas wird in der sogenannten Alltagswand im smac gezeigt. Es stammt aus einer Grabung in Leipzig auf dem Thomaskirchhof und ist datiert um 1500-1550. Es gehört zu den Trink- und Schenkgefäßen, die ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine entstehende spezielle Tischkultur sichtbar machen. Für welche Art von Tischgesellschaft dieses besondere Juwel zum Einsatz kam, können wir nur vermuten. Es kann aber keine langweilige Runde gewesen sein.
Header-Bild: Feuerzeug auf die Terroranschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 | Foto: Historisches Museum Basel
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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