[Ausstellung] Noch erkennen Sprachassistenten wie Siri, Alexa & Co. nur unsere Stimme. Aber was, wenn sie irgendwann auch analysieren können, ob wir traurig oder glücklich klingen? Wird die technologische Auswertung unserer Gefühle dann zu unserem Wohl genutzt, oder können die so gesammelten Daten auch missbraucht werden? In der Ausstellung „Real Feelings“ im HeK – Haus der elektronischen Künste Basel befassen sich aktuell 20 internationale Kunstakteure mit der Beziehung zwischen Technologie und Emotionen. Sie zeigen in ihren Werken, wie unsere Gefühle im 21. Jhd. repräsentiert, manipuliert oder verändert werden.
Digitale Gefühlswelt
Jeden Tag durchleben wir eine Vielfalt an Emotionen. Diese erkennen zu können, wird zunehmend als Herausforderung für technologische Systeme begriffen. Es begann mit der Analyse von Gesichtern und der damit verbundenen Zusammenstellung personalisierter Datensätze. Mittlerweile geht es jedoch nicht mehr nur um die bloße Identifizierung von Personen, sondern um die Technologie-basierte Analyse von Gefühlen. Mit der Erfassung, Bewertung oder auch Erzeugung von Gefühlen befassen sich nun 20 Kunstakteure in der Ausstellung „Real Feelngs“, u.a. Stine Deja und Marie Munk, Cécile B. Evans, Lauren Lee McCarthy und Kyle McDonald, Maija Tammi oder Liam Young. Anhand von Fotografie, VR-Anwendungen, Video-Installationen, Games und Robotik gehen sie der Frage nach, was die moderne Technologie für unsere Gefühlswelt bedeutet, wie sie unsere Emotionen beeinflusst und wo mögliche Gefahren liegen.
Totale Überwachung
Das amerikanische Künstlerduo Lauren Lee McCarthy und Kyle McDonald konfrontiert in ihrem Werk „Vibe Check“ (2020) die Besucher zu Beginn der Ausstellung „Real Feelings“ mit einer Reihe von Monitoren. Auf diesen sind Menschen im weiteren Verlauf des Ausstellungsraums zu beobachten, jeweils versehen mit bestimmten Aussagen wie etwa „macht mich traurig“ oder „langweilt mich“. Es wird deutlich: Überall im Raum sind Kameras angebracht. Diese filmen die Besucher auf Schritt und Tritt, zudem wird das so gewonnene Bildmaterial kontinuierlich analysiert.
Ziel von „Vibe Check“ ist es, die Emotionen der Ausstellungsbesucher mithilfe von Gesichtserkennung auf der Grundlage von Mimik und Gestik zu erfassen. Am Ende sehen sich Besucher dann in der Ausstellung womöglich selbst mit der Bewertung des eigenen Verhaltens konfrontiert. In ihrer Arbeit, die extra für die Ausstellung im HeK entstand, setzen sich die Künstler kritisch mit Fragen der biometrischen Emotionserkennung auseinander, ebenso wie mit der Überwachung zwischenmenschlicher Beziehungen und des sogenannten Social Scoring.
Nicht / Menschlich
Die finnische Künstlerin Majia Tammi stellt in ihrer Arbeit „One of Them Is a Human“ (2017) die Frage nach dem, was Menschlichkeit ausmacht. Sie zeigt vier Fotografien: Auf drei Bildern sind Androiden zu sehen – ein Bild zeigt (vielleicht) einen Menschen. Die Fotografien entstanden in den Hiroshi Ishiguro Laboratories in Japan, wo Menschen-ähnliche Roboter auf der Grundlage der Ideen des Robotikers Hiroshi Ishiguro erforscht werden. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Gesichter auf den Fotografien von Majia Tammi nicht voneinander; alle haben einen fast leeren Gesichtsausdruck, der kaum Emotionen erkennen lässt.
Nun stellt sich die Frage: Woran lässt sich ein Mensch erkennen, wenn keine Emotionen gezeigt werden? Normalerweise bauen wir über den Austausch von Emotionen eine Verbindung zu anderen Menschen auf. Wenn aber Emotionen fehlen, was macht einen Menschen dann aus? Werden Androiden zu Menschen, wenn sie uns zum Verwechseln ähnlich sind – und wenn wir eigene Emotionen sogar in sie hinein projizieren?
Mensch vs. Maschine
In der Videoinstallation „Co(AI)xistence“ (2017) lässt die französische Künstlerin Justine Emard den japanischen Tänzer Mirai Moriyama auf den Roboter Alter treffen. In einem Pas de deux interagieren beide miteinander; der Roboter ist in der Lage auf die Bewegungen seines Gegenübers zu reagieren – dank künstlicher Intelligenz, basierend auf Sensoren und einem neuronalen Netzwerk.
In ihrer Arbeit hinterfragt Emard die Beziehungen, die sich aus den fortschreitenden technologischen Entwicklungen in unserer Gesellschaft ergeben. Mit „Co(AI)xistence“ zeigt sie, wie Mensch und Roboter einen Dialog führen können, sowohl physisch als auch verbal. Die Frage ist, inwieweit die Maschine ein Spiegel des Menschen bleibt oder sogar ein Eigenleben entwickeln kann.
Virtuelle Sinneserfahrung
Mit „The Grass Smells So Sweet“ (2018) konzentriert sich der niederländische Künstler Dani Ploeger auf die Frage, welche Rolle Technologie bei der Verarbeitung unserer Emotionen spielt. Seine Installation in der Ausstellung „Real Feelings“ besteht aus zwei Teilen: Zum einen geht es um das Schreiben als Mittel zur Darstellung und Beschreibung von Gefühlen. Auf einem Monitor sind Texte aus den Foren Quora und Reddit zu sehen, die sich mit der Frage befassen: Wie fühlt es sich an, in den Kopf geschossen zu werden? Besucher können auf dem Monitor verschiedene Antworten auf diese Frage durchscrollen. Der Tiel von Ploegers Arbeit bezieht sich auf die Aussage von Personen, die behaupten, eine Hinrichtung überlebt zu haben.
Der zweite Teil der Installation greift diese Berichte auf, und zwar in Form einer Virtual Reality (VR) Simulation, zu der Ausstellungsbesucher über ein Headset Zugang erhalten. Sie stehen dabei auf einem Stück Rasen, während ein elektronischer Duftspender einen synthetischen Duft von frisch geschnittenem Gras verströmt. Welche Gefühle werden durchlebt, während die VR-Simulation läuft und man mit äußeren sensorischen Einflüssen konfrontiert wird? Dani Ploeger zeigt mit seiner Arbeit, wie eng körperliche Empfindungen und Emotionen miteinander verbunden sind.
In der von Sabine Himmelsbach, Ariane Koek und Angelique Spaninks kuratierten Ausstellung sind zudem Werke von u.a. Antoine Catala, Heather Dewey-Hagborg, Ed Fornieles, Maria Guta & Adrian Ganea, Esther Hunziker, Seokyung, Simone C. Niquille, Lucy McRae, Shinseungback Kimyonghun, Troika und Coralie Vogelaar zu sehen.
Real Feelings
HeK – Haus der elektronischen Künste Basel
27.08.2020 – 15.11.2020
Vom 26.03.-06.06.2021 wird die Ausstellung im MU Hybrid Art House, Eindhoven, Niederlande, gezeigt.
Header-Bild: Angelika Schoder – Basel, 2022
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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