PEACE is POWER: Yoko Ono im MdbK Leipzig

Das MdbK Leipzig zeigt mit „PEACE is POWER“ die bisher größte Einzelausstellung zu Yoko Ono, die je in einem deutschen Museum zu sehen war.

Das MdbK Leipzig zeigt mit "PEACE is POWER" die bisher größte Einzelausstellung zu Yoko Ono, die je in einem deutschen Museum zu sehen war.

[Pressereise] Kaum einer Künstlerin schlägt seit Jahrzehnten so viel Ablehnung entgegen, wie Yoko Ono. Beatles-Fans machen sie bis heute dafür verantwortlich, dass sich die Band getrennt hat. Die Ärzte nutzen in einem nach ihr benannten Song die Textzeile „Du nervst noch mehr als Yoko Ono“ als veritable Beleidigung. Und in der Comic-Serie The Simpsons wird sie als völlig exzentrischer Charakter dargestellt, der in Moe‘s Bar statt einem gängigen Duff-Bier „eine einzelne, in Parfum schwimmende Pflaume“ bestellt, „serviert in einem Herrenhut“. Auch mit den Hamburgern hat es sich Yoko Ono unlängst gründlich verscherzt. Sie verklagte nämlich die Bar „Yoko Mono“ auf Namensrechtsverletzung. Der Rechtsstreit endete mit einer Niederlage der Bar, die ihren Namen aufgeben musste. Doch Yoko Ono ist nicht nur eine Frau, an der sich die Geister scheiden. Sie ist auch eine aktive zeitgenössische Künstlerin. Das MdbK – Museum der bildenden Künste Leipzig widmet ihr jetzt eine große Einzelausstellung.


Zwischen Krieg, Frieden und Interaktion mit dem Publikum

Es ist wohl die umfangreichste Werkschau, die ein deutsches Museum der japanisch-amerikanischen Künstlerin Yoko Ono (*1933) bisher gewidmet hat. In der Ausstellung „PEACE is POWER“ steht das Spannungsverhältnis zwischen Krieg und Frieden im Mittelpunkt, das die Künstlerin schon seit den 1960er Jahren beschäftigt. Teil der Ausstellung, die rund 70 Arbeiten umfasst, sind auch drei frühe Performances, die unter Anleitung von Yoko Ono im MdbK Leipzig erneut aufgeführt werden, u.a. „Cut Piece“ (1964) und „Sky Piece to Jesus Christ“ (1965).

Ergänzend setzt die Künstlerin auf die Partizipation des Publikums, etwa mit dem Projekt „TOILET THOUGHTS“. Hier spielt Yoko Ono mit dem Impuls vieler Toiletten-Gänger, die in Kneipen und Discos gerne Botschaften an den Wänden hinterlassen. Was viele Locations als Vandalismus betrachten, wird bei Yoko Ono zur Einladung. Statt auf Klotüren und Fliesen sollen Leipziger ihre Botschaften lieber auf Postern hinterlassen. Ihre Anweisung aus dem Jahr 1968 zum Projekt lautet:

„Prepare 365 copies of a poster and paste them in bar toilets around the city. Leave them for a week and take pictures of all 365 copies. Leave them again for a month and take pictures of them. Go on until you are satisfied, or until the posters disappear. Make a film by stringing all the pictures together.“

Yoko Ono, Toilet Thoughts (1968)

Für „TOILET THOUGHTS“ wurden deshalb vom MdbK Leipzig wirklich 365 Plakate an „Stillen Örtchen“ in der ganzen Stadt aufgehängt. Ihre Transformation mit Sprüchen und Zeichnungen soll dokumentiert werden und ist Teil der Ausstellung. Dies hat jedoch so seine Tücken, denn die Leipziger stellten sich schon kurz nach dem Start der Aktion als echte Plakat-Fans heraus. Und so verschwinden immer wieder etliche Exemplare, was die Dokumentation der Beschriftung natürlich verhindert. Das MdbK Leipzig versucht deshalb regelmäßig die „TOILET THOUGHTS“ Plakate nachzuhängen, um letztendlich doch deren Veränderung mitsamt Beschriftung dokumentieren zu können.


WATER EVENT: Ein Projekt mit lokalen Künstlern

Ein weiteres partizipatives Projekt in der Ausstellung des MdbK Leipzig ist das „WATER EVENT“. Gesucht waren hier Ideen für eine Wasserskulptur, für die Kreative eine Objektskizze mitsamt Materialangaben an das Museum senden konnten. Dieser Input stellt eine Hälfte des Kunstwerks dar – die zweite Hälfte wird von Yoko Ono in Form von Wasser vervollständigt. Dem Aufruf für Leipzig sind nun rund 300 Künstler gefolgt.

Insgesamt 93 ausgewählte Werke werden in der Ausstellung „PEACE is POWER“ nun als gemeinsame Arbeit von Yoko Ono und den Ideengebern ausgestellt – von der Glas-Skulptur bis hin zum aufblasbaren Kinderschwimmbecken. „WATER EVENT“ wurde übrigens erstmals 1971 in der die Ausstellung „This Is Not Here“ im amerikanischen Everson Museum of Art in Syracus umgesetzt und wird nun mit den neuen Skulpturen im CAFE IDEE im MdbK Leipzig gezeigt.


Die Pflaume im Herrenhut

Die Ausstellung „PEACE is POWER“ in Leipzig ist nicht die erste, für die Yoko Ono weitere Künstler und Kunstinteressierte zur Partizipation aufrief. Im Jahr 2016 kuratierte sie für das Reykjavík Art Museum Hafnarhús die Ausstellung „Yoko Ono: One More Story“ und sprach im Vorfeld diese Einladung aus, die sich ebenfalls auf das Thema Wasser bezog:

„My dear fellow artists, I want to ask you to supply a vessel for the water to give to specific people, either to heal their minds (such as in the case of warlords), or appreciate their courage in speaking out (such as in the case of grassroots activists). It can also be given to a specific person, people, or the land in desperate need for water (love). You and I will supply the water. Each work will be exhibited in the museum, with the dedication attached to it. Lets have fun in doing this together. My love and respect to you. Yoko“.

Yoko Ono, One More Story (2016)

Der Isländische Performance-Künstler Ragnar Kjartansson hatte sofort eine Idee, was dieses von Yoko Ono angesprochene „Gefäß mit Wasser“ sein könnte. Natürlich muss es die „single plum, floating in perfume, served in a man’s hat“ sein, die Oko Onos Charakter bei den Simpsons in Moe’s Bar bestellt hatte. Yoko Ono gefiel die Idee – und so fand sich die Pflaume im Herrenhut tatsächlich der Ausstellung „Yoko Ono: One More Story“ wieder.


PEACE is POWER im MdbK Leipzig

Die Leipziger Ausstellung zeigt keine in Parfum schwimmende Pflaume. Statt dessen erstrecken sich auf über 2.000 Quadratmetern, vom Erdgeschoss bis in den dritten Stock des MdbK Leipzig, meist großflächige Installationen. Zum Teil sind es bekannte Arbeiten von Yoko Ono, teils wurden die Werke aber auch extra für die Ausstellung geschaffen. Zu sehen ist etwa die Arbeit „EX IT“, bestehend aus 100 schlichten Sarg-Kisten, aus denen stark duftende Zitrus-Bäumchen wachsen. Zusammen mit dem Vogelgezwitscher, das den Raum erfüllt, erinnert das Werk an ein Memento Mori: Der Tod wird dem Leben gegenübergestellt.

Um Gewalt geht es im Werk „THREE MOUNDS“, das sich aus drei verschiedenfarbigen Erdhaufen zusammensetzt. Ursprünglich bestand das 1999 geschaffene Werk aus Steinhügeln; die Steine stammten aus drei israelischen Städten. Um 2008 entwickelte Yoko Ono ihre Idee dann weiter. Aus Steinen wurde Erde; die Erdhaufen stehen nun für verschiedene Arten von Gewalt, die sich gegen Frauen richtet: ein Hügel für Opfer von Häuslicher Gewalt, einer für missbrauchte Frauen in Psychiatrien und ein Hügel für Opfer von sexuellem Missbrauch.

Thematisch nähert sich die Arbeit damit einem anderen Werk an, das im MdbK Leipzig zu sehen ist. Auch in „ARISING“ geht es um Gewalt gegen Frauen. Es ist ein fortlaufendes Projekt, in dem Yoko Ono Frauen auf der ganzen Welt bittet, ein Bild ihrer Augenpartie einzusenden. Die Bilder werden ergänzt durch Notizen, welche die Erlebnisse der Frauen erzählen – „a testament of harm done to you for being a woman“. Für die Ausstellung „PEACE is POWER“ hatten sich über 100 Frauen aus der Region Leipzig gemeldet, um ihre Erfahrungen in der Ausstellung zu offenbaren.


Fluxus-Momente

Auch Besucher können in der Ausstellung partizipieren, indem sie etwa mit dem Werk „TO SEE THE SKY“ auf einer Wendeltreppe „dem Himmel näher kommen“ oder indem sie mehreren „WISH TREES“ persönliche Botschaften und Wünsche anvertrauen können. Das vom MdbK Leipzig kommunizierte Hashtag #MdbKYokoOno verrät außerdem, dass Partizipation zur Ausstellung nicht unbedingt nur analog erfolgen muss. Auch digital soll über Gewalt und Frieden diskutiert werden.

Gesprächsstoff bieten in jedem Fall Yoko Onos „Instructions“, die Anweisungen der Künstlerin an die Ausstellungsbesucher. Statt sich Kunst nur anzusehen, lässt Yoko Ono, ganz im Sinne der Fluxus-Kunst, Momente und Werke entstehen. Diese können Besucher auch außerhalb des Museums weiter verbreiten, etwa das Werk „SPACE TRANSFORMER“. Es geht darum, den umgebenden Raum transformativ im Kopf zu visualisieren. Suggestion bietet hier endlose Möglichkeiten, so Yoko Onos Hinweis an den Besucher. Die in der Ausstellung ausliegenden Kärtchen mit dem Schriftzug des Werktitels können deshalb auch an weitere Personen übergeben werden. Das Kunstwerk entsteht so für jeden individuell.


YOKO ONO. PEACE is POWER

MdbK – Museum der bildenden Künste Leipzig
04.04. – 07.07.2019

musermeku dankt dem MdbK Leipzig für die Einladung zum Besuch des Museums und für die Übernahme der Kosten der Reise.


Header-Bild: Angelika Schoder – MdbK Leipzig, 2019


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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