Von Peter Pan bis Schneewittchen: Paula Rego als Geschichtenerzählerin

Die Künstlerin Paula Rego ließ sich für ihre Gemälde und Zeichnungen von modernen Märchen und historischen Geschichten inspirieren. Das zeigt nun die vielfältige Ausstellung „Stories change, styles change“.

Paula Rego ließ sich von diversen Geschichten inspirieren. Das zeigt nun eine Ausstellung in der Casa das Histórias Paula Rego in Cascais.

[Ausstellung] Der kleine Küstenort Cascais, nicht weit von der portugiesischen Hauptstadt Lissabon entfernt, ist besonders aufgrund seiner idyllischen Badestände bei Touristen beliebt und für seine außergewöhnlichen Felsformationen bekannt. Doch Cascais hat auch zahlreiche Museen und Kunst im öffentlichen Raum zu bieten. Mit zu den bekanntesten Museen zählt die Casa das Histórias Paula Rego, das „Haus der Geschichten“, das dem Werk der portugiesischen Künstlerin gewidmet ist. Die Sammlung des Museums umfasst rund 550 Gemälde, Radierungen und Zeichnungen von Paula Rego sowie einige der von ihr verwendeten Modelle, eine große Patchwork-Arbeit und persönliche Dokumente. In ständig wechselnden Sammlungspräsentationen zeigt das Museum Regos Werke aus rund 50 Jahren. Aktuell ist hier die Ausstellung „Stories change, styles change“ zu sehen.


Seit 2009 zeigt die Casa das Histórias Paula Rego in Cascais in ständig wechselnden Ausstellungen die Werke der portugiesischen Künstlerin.
Seit 2009 zeigt die Casa das Histórias Paula Rego in Cascais in ständig wechselnden Ausstellungen die Werke der portugiesischen Künstlerin.

Ein Museum mit Augenzwinkern

Auch wenn Paula Rego (1935-2022) bereits seit ihrer Jugend vor allem in London lebte und arbeitete, verband sie vieles mit ihrem Heimatland Portugal. Als in den 2000er Jahren in Cascais ein Museum für ihre Werke geplant wurde, wählte die Künstlerin selbst den aus Porto stammenden Architekten Eduardo Souto de Moura aus, um die Casa das Histórias Paula Rego zu entwerfen. Wichtig soll der Künstlerin dabei gewesen sein, dass das Gebäude lebendig und fröhlich wirken würde, vielleicht sogar ein bisschen verschmitzt.

Für seinen Entwurf ließ sich der Architekt von der historischen Architektur der Region inspirieren, insbesondere vom nahe gelegenen Palácio Nacional da Sintra. Dessen zwei dominante kegelförmige Schornsteine der Palastküche aus dem 18. Jhd. griff Eduardo Souto de Moura als Motiv auf und entwarf sein Museumsgebäude mit zwei großen pyramidenförmigen Türmen. Sie sind heute das Markenzeichen des Museums, das nördlich der historischen Innenstadt von Cascais 2009 eröffnet wurde.

In der aktuellen Sonderausstellung mit dem Titel „Stories change, styles change“ werden die verschiedenen Geschichten und Erzählungen betrachtet, die Paula Rego im Laufe ihrer mehr als 60-jährigen künstlerischen Praxis als Vorbild dienten. Dabei wird auch ihre stilistische Entwicklung in den Blick genommen, die vom Abstrakten bis ins Surrealistische reicht.


Aktuell ist im Paula Rego Museum die Ausstellung „Stories change, styles change“ zu sehen, die von Catarina Alfaro kuratiert wurde.
Aktuell ist im Paula-Rego-Museum die Ausstellung „Stories change, styles change“ zu sehen, die von Catarina Alfaro kuratiert wurde.

Düstere Erinnerungen an die Kindheit

Mit ihren Gemälden und Zeichnungen erzählt Paula Rego nicht nur Geschichten; sie findet sich auch selbst in ihnen als Figur wieder. Sie bringt dabei häufig eine feministische Perspektive mit ein und hinterfrag in ihren Werken die menschliche Natur und das Zwischenmenschliche im familiären, gesellschaftlichen und politischen Gefüge. Ihre Inspiration schöpfte sie dabei aus diversen Quellen; neben der bildenden Kunst waren dies auch Theater, Kino, Oper und Literatur. Für ihre Arbeiten nutzte sie dabei eine Vielfalt an Techniken, etwa Pastell, Collage, Acrylfarbe und Öl, aber auch Kohle, Radierung oder Aquatinta.

In der Ausstellung „Stories change, styles change“ ist etwa eine Serie von 15 Radierungen zu sehen, die Paula Rego 1992 als Illustrationen für eine neue Ausgabe von J. M. Barries Geschichte „Peter Pan. The Story of Peter and Wendy“ schuf. In ihren Bildern erzählt Paula Rego die Geschichte des Jungen, der sich weigerte erwachsen zu werden, der Verlorenen Kinder und von Kapitän Hook und seinen Piraten. Auch andere Fabelwesen wie Feen und Meerjungfrauen sind in Regos Darstellungen von Nimmerland anzutreffen. Dabei löste sich die Künstlerin ganz bewusst von den tatsächlichen Inhalten der literarischen Vorlage von 1911 und griff stattdessen auf ihre eigenen Erinnerungen zurück. Denn als 5-Jährige hatte die Künstlerin die Abenteuer von Peter Pan selbst von ihrem Kindermädchen vorgelesen bekommen. Insofern ist ihre Bilderserie zu Peter Pan und Wendy auch eine Reise zurück in ihre eigene Kindheit. Rego stellt in ihrer Bilderserie so eine fantasievolle Welt dar, die aber auch bedrohlich und grausam erscheint.

„Ich wusste, dass Peter Pan wahre Magie war; es war diese Magie, die ich einzufangen versuchte, und sie schließt auch das Leiden der Kinder ein. Ich glaube nicht, dass [das Peter-Pan-Buch] sich mit zauberhaften Themen beschäftigt. […] In Wirklichkeit führt uns die Geschichte in eine unterirdische Welt […], eine Hölle für Kinder. Wendys mütterliche Zärtlichkeit ist ein Gift, und Kapitän Hook ist töricht, aber gefährlich. Es hat alles mit Magie und Angst zu tun.“

Paula Rego, Zitat aus der Ausstellung „Stories change, styles change“

Entworfen wurde das Paula Rego Museum vom portugiesischen Architekten Eduardo Souto de Moura.
Entworfen wurde das Paula-Rego-Museum vom portugiesischen Architekten Eduardo Souto de Moura mit zwei großen pyramidenförmigen Türmen, die an die Schornsteine des Palastes von Sintra erinnern.

Paula Rego, die Erzählerin

Bereits zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn in den 1950er und 60er Jahren ließ sich Paula Rego von traditionellen Geschichten beeinflussen. Im Jahr 1976 bewarb sie sich schließlich bei der Calouste-Gulbenkian-Stiftung um ein Stipendium zur Erforschung traditioneller portugiesischer Volksmärchen und Märchen aus aller Welt. In Museen und Bibliotheken recherchierte sie, um ein kleines Archiv an Motiven und Geschichten vom 17. bis ins 20. Jhd. anzulegen, die sie als Inspirationsquellen nutzte.

Bei ihren Recherchen stieß sie auf das italienische Buch „Le Piacevoli Notti“ (Die ergötzlichen Nächte), eine Märchensammlung von Giovanni Francesco Straparola aus dem 16. Jhd. Die darin enthaltene Geschichte des Schweineprinzen inspirierte Rego zu ihrer Lithografieserie „Prince Pig“ von 2006. Hier geht es um eine Königin, die einen Prinzen zur Welt bringt, der halb Mensch und halb Schwein ist. Er heiratet nacheinander drei Schwestern, von denen er die ersten beiden brutal ermordet, weil sie seine animalische Art ablehnen und ihn töten wollen. Nur die dritte Schwester akzeptiert ihn so wie er ist, woraufhin er sich vom Schwein in einen schönen Prinzen verwandelt.

Doch auch modernere Märchenversionen griff Paula Rego in ihren Arbeiten auf, allen voran die Märchenfilme von Walt Disney, die sie aus ihrer Kindheit kannte. Für die Ausstellung „Spellbound: Art and Film“ in der Hayward Gallery in London, die 1996 den 100. Jahrestag der Erfindung des Kinos feierte, schuf sie mehrere Werke, basierend auf den Disney-Filmen „Fantasia“ (1940), „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (1938) und „Pinocchio“ (1940). Mit ihrem großen Format und dichtem Pastellauftrag sollen die Bilder der Serie selbst an Kinoleinwände erinnern. Rego wandelte die Disney-Vorlage allerdings mit einem beunruhigenden Realismus ab und verlieh ihnen eine plastische Körperlichkeit. Insbesondere die Geschichte von Schneewittchen, die sowohl bei den Gebrüdern Grimm als auch bei Disney eher passiv dargestellt wird und deren Schicksal von einem männlichen Helden abhängt, wird von Paula Rego umgekehrt. Bei ihr nimmt die Frauenfigur die Zügel wortwörtlich selbst in die Hand und reitet auf dem Pferd des Prinzen davon.

Politisch wird es in Paula Regos Version der Geschichte von Infant Dom Pedro und Inês de Castro; dramatisch in ihren Darstellungen von Puccinis „La Boheme“, Verdis „La Traviata“, Gounods „Faust“ oder Bizets „Carmen“. Die Ausstellung „Stories change, styles change“ zeigt dabei, ganz ihrem Titel entsprechend, wie vielfältig die Geschichten sind, von denen sich Paula Rego beeinflussen ließ, und wie divers auch ihre künstlerischen Techniken waren, in denen sie sich ausdrückte.


Paula Rego: Stories change, styles change

13.07.2023-31.03.2024
Casa das Histórias Paula Rego


Bilder: Angelika Schoder – Casa das Histórias Paula Rego, Cascais 2023


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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