[Pressereise] Auf den ersten Blick sieht es fast aus wie ein Parkhaus. Jeden Moment könnte sich das große verzinkte Tor öffnen und dem Pkw-Strom der Pendler Einlass gewähren. Es könnte so einfach sein, würde sich Architektur immer bereits nach dem ersten Blick erschließen. Im Idealfall lässt sie sich aber nicht sofort erfassen. Das vermeintliche Parkaus im Herzen von Basel entpuppt sich nach dem zweiten Blick nämlich als Museum – und insbesondere der Lichtfries an der Fassade ist auch einen dritten Blick wert.
Der Neubau des Kunstmuseum Basel
Ein Ausstellungshaus „von höchstem Anspruch an zeitgemässe Kunstpräsentation“ sollte mit dem Neubau des Kunstmuseum Basel entstehen, wie es auf der Website des Museums heißt. Selbstverständlich sollte das Museum zugleich ein „weiteres architektonisches Highlight der Stadt Basel“ werden – nicht mehr und nicht weniger. Was die Baseler Architekten Christ & Gantenbein geschaffen haben, ist in jedem Fall ein Stück zeitgemäße Architektur. Zeitgemäß schon alleine deshalb, weil eine Klinkerfassade das „Must-have“ des Museumsjahres 2016 zu sein scheint. Immerhin sind Ziegelsteine auch das aktuelle Lieblingsmaterial der Baseler Kollegen Herzog & de Meuron. Diese nutzten Klinker nicht nur für das neue Schaudepot des Vitra Design Museum, das am 3. Juni 2016 eröffnete, sondern auch für den Neubau der Tate Modern in London, der knapp zwei Wochen später, am 17. Juni 2016, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.*
Auch das Kunstmuseum Basel zählt sich selbst zu den international renommiertesten Museen seiner Art. Der Druck, nicht nur mit seiner Sammlung und mit Sonderausstellungen auf sich aufmerksam zu machen, sondern ebenso architektonisch Aufsehen zu erregen, ist daher groß. Entsprechend stattlich fiel das neue Gebäude aus: Immerhin 2.740 m² zusätzliche Fläche für neue Sonderausstellungen ermöglicht der Neubau, der gegenüber dem Hauptbau aus dem Jahr 1936 platziert wurde. Das neue Museumsgebäude tritt dabei nicht nur in Dialog mit seinem Pendant auf der anderen Straßenseite, sondern auch mit seiner Umgebung – über einen innovativen Lichtfries.
Fassade mit Botschaft: Der Lichtfries
Das Kunstmuseum Basel wird in 12 Metern Höhe von einem 3 Meter breiten und 115 Meter langen Fries umlaufen. Dieser dient dem Gebäude nicht nur als Gestaltungselement, sondern auch als Kommunikationsplattform. Der Lichtfries wurde von der Baseler Agentur iart entwickelt, die dafür Anfang Juni mit dem „Media Architecture Biennale Award 2016“ in der Kategorie „Animated Architecture“ ausgezeichnet wurde. Wir trafen Valentin Spiess, Cairman und CEO von iart, jetzt zum Interview:
Wie kam es zu der Kooperation mit den Architekten und welches Konzept steht hinter dem Lichtfries?
Valentin Spiess: „Die Kooperation mit Christ & Gantenbein kam sehr früh zustande, im Rahmen des Architekturwettbewerbs, der für das Museum ausgeschrieben wurde. Es war von Anfang an klar, dass wir nicht ein klassisches Konzept verfolgen wollen, wie etwa mit Bannerbeschriftung oder Fahnen. Die Beschriftung sollte ein integraler Bestandteil der Architektur und der Backsteinfassade sein. Mit verschiedenen Mockups und Tests haben wir dann über 6 Jahre an dem Projekt gearbeitet.“
Worauf kam es bei der Umsetzung des Schriftbildes an?
Valentin Spiess: „Die Beschriftung sollte flexibel und bespielbar sein, daher haben wir nach einer Lösung gesucht, wie man mit Hilfe von LED-Technologie arbeiten könnte. Uns war dabei wichtig, dass die LEDs nach außen nicht sichtbar sind, wie bei einem klassischen Display. Wir entschlossen uns daher dazu, mit einem Fugenbild zu arbeiten und eine indirekte Bestrahlung zu nutzen, indem die LEDs nur in der Fuge leuchten. So entstand das Konzept des ‚Schatten-Displays‘.“
Wie lässt sich die Beschriftung der Fassade steuern?
Valentin Spiess: „Das Museum kann eine Art „Mini-CMS“ nutzen, über das die 40 Zeilen des Lichtfrieses bespielt werden können und mit dem die zeitliche Steuerung erfolgt. Man kann also im Laufe der Zeit auch die Inhalte wechseln. Zudem ist das Gebäude mit Sensoren ausgestattet. Dies ist deshalb nötig, da der Sonnenstand sich ja ständig ändert und damit auch das Licht, das auf die verschiedenen Seiten der Fassade fällt. Durch die Adaption der LEDs mittels Sensoren entsteht so ein relativ homogenes Schriftbild, unabhängig vom Lichteinfall.“
Welche Aspekte spielten bei der Wahl des richtigen Lichts eine Rolle?
Valentin Spiess: „Die Lichtintensität war bei der Gestaltung zwar ein Thema, aber immer in Bezug zum Sonnenlicht. Zudem haben wir uns lange damit auseinandergesetzt, welche Lichtfarbe wir einsetzen wollen. Bunte LEDs kamen für uns nicht in Frage, aber auch beim Weiß haben wir sehr lange experimentiert, um die richtige Lichtfarbe zu finden. Letztendlich haben wir eine mittlere Lichtfarbe gewählt, die oberhalb des neutralen Lichtspektrums ist, aber nicht so kalt wie das Sonnenlicht. Die LEDs greifen damit die Farbigkeit der Fassade auf, die auch etwas wärmer wirkt.“
Der Lichtfries ist sehr schlicht gehalten. Gilt hier das Prinzip: „Weniger ist mehr“?
Valentin Spiess: „Wir sind sehr daran interessiert, eine Symbiose zu finden zwischen Gebäuden und digitalen Möglichkeiten. Wir arbeiten gerne nah am Material und uns interessiert die Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien. Gerade im Medienarchitektur-Diskurs wird sehr stark über das Thema Lichtverschmutzung diskutiert und darüber, dass Passanten abgelenkt oder der Verkehr beeinträchtigt werden könnte. Wir wollten bewusst in eine andere Richtung gehen und zeigen, dass der Einsatz von Lichtmedien Teil der Architektur sein kann, ohne ‚aufgesetzt‘ zu wirken. Es muss nicht immer etwas Buntes, Blinkendes sein – nach dieser Qualität suchen wir.“
Vielen Dank für das Gespräch.
Auf den zweiten Blick
Auf den ersten Blick wirkt der Neubau des Kunstmuseum Basel wie ein Fremdkörper, besonders von der gegenüberliegenden Straßenseite aus betrachtet. Wenn sich die Klinkerfassade massiv in die Sichtachse zwischen die kleinen Häuser der Baseler Altstadt drängt, lässt sich das Gebäude zunächst nicht ganz einordnen. Bei genauerer Betrachtung gewinnt die Fassade mit ihren unterschiedlich grauen Steinen an Komplexität, das Gebäude wirkt fast sakral und erinnert in gewisser Weise an einen modernen Kirchenbau. Erst der zweite Blick offenbart die Funktion als Kunstmuseum – und das ist nicht zuletzt dem Lichtfries zu verdanken, der an hellen Tagen kaum sichtbar ist und bei grauem Regenwetter seine Botschaft um so deutlicher kommuniziert. Aktuell ist es ein Schriftband aus den Worten „SCULPTURE ON THE MOVE“ – die Ausstellung ist im Kunstmuseum Basel noch bis zum 18. September 2016 zu sehen.
musermeku dankt Art & Design Museums Basel, der Fondation Beyeler, dem Vitra Design Museum sowie Swatch für die Übernahme der Kosten der Reise.
Header-Bild: Angelika Schoder – Kunstmuseum Basel, 2016
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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