Lara Almarcegui: Zwischen Schotter, Sand und Steinen

Die spanische Künstlerin Lara Almarcegui lädt in ihrer aktuellen Ausstellung im Museo Patio Herreriano in Valladolid dazu ein, über die Ressourcen für Bau- und Stadtplanung nachzudenken.

Die Künstlerin Lara Almarcegui lädt im Museo Patio Herreriano dazu ein, über die Ressourcen für Bau- und Stadtplanung nachzudenken.

[Ausstellung] Was macht eigentlich ein Territorium aus? Welche Eigenschaften hat der Grund und Boden, auf dem wir leben – und wie beeinflusst der Abbau von Ressourcen ganze Regionen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die 1972 in Zaragoza geborene Künstlerin Lara Almarcegui. Neben der kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff des Territoriums geht es in ihren Werken auch um Architektur, Urbanismus und Stadtplanung. Almarcegui untersucht in ihren Projekten, wie Bauprozesse ablaufen und welche direkten und indirekten Auswirkungen sie auf den Boden haben. Ihre Ausstellung mit dem Titel „Gravas y arenas“ (Kies und Sand), die aktuell im Museo Patio Herreriano im spanischen Valladolid zu sehen ist, lädt dazu ein, über die Folgen des Bauens nachzudenken – und über die immensen Mengen an Material, die jede architektonische Maßnahme verschlingt.


In einer ehemaligen Kapelle im Museo Patio Herreriano zeigt Lara Almarcegui die Installation "Caliza" (2024) mit riesigen Kalkstein-Blöcken.
In einer ehemaligen Kapelle im Museo Patio Herreriano zeigt Lara Almarcegui die Installation „Caliza“ (2024) mit riesigen Kalkstein-Blöcken.

Forschungen in und um Valladolid

Die Ausstellung bietet nicht nur einen breiten Überblick über die bisherigen Werke und Projekte von Lara Almarcegui. Sie hat auch vor Ort neue Projekt begonnen, deren Ergebnisse im Museo Patio Herreriano zu sehen sind. Während ihres Aufenthalts in Valladolid untersuchte die Künstlerin, welche Sedimente durch die Flüsse in der Gegend abgelagert werden: Es sind vor allem Kies und Sand, die sich im Umfeld der etwa 300.000 Einwohner großen nordspanischen Stadt ansammeln. Außerdem erforschte sie das Gestein, das früher für den Bau der wichtigsten Gebäude der Stadt verwendet wurde. Dabei hinterfragt sie sowohl die Vergangenheit des Bauens in der Stadt als auch aktuelle architektonische Modelle.

Im Museo Patio Herreriano werden zwei Projekte präsentiert, die in der Umgebung von Valladolid entstanden sind. Das Museum, das im Monasterio de San Benito untergebracht ist, einem ehemaligen Benediktiner-Kloster aus dem 16. Jahrhundert, bietet für die Werke von Lara Almarcegui dabei den idealen Rahmen. Das erste Projekt, „Caliza“ (2024, Kalkstein), wurde in der sogenannten Capilla de los Condes de Fuensaldaña (Kapelle der Grafen von Fuensaldaña) installiert. Der hier gezeigte Kalkstein ist zwischen fünf und neun Millionen Jahre alt. Für die Installation, die auf den geologischen Ursprung der Architektur des Gebäudes verweist, sicherte Almarcegui aus der Produktion in einem Steinbruch eine Reihe großer Kalkstein-Blöcke, die normalerweise zu Bodenfliesen verarbeitet worden wären – ganz ähnliche Fliesen, wie sie auch im Patio Herreriano Museum verbaut wurden. Die Idee der Installation ist, dass die Steinblöcke, während sie in der Ausstellung gezeigt werden, für keine andere Nutzung zur Verfügung stehen. Durch die Kunstinstallation wird damit der normale Produktionszyklus im Steinbruch für eine Zeit unterbrochen. Erst nach der Ausstellung werden die Steine wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt – und letztendlich doch noch zu Fliesen verarbeitet.

Das zweite auf Valladolid bezogene Projekt in der Ausstellung ist eine Publikation. Lara Almarceguis veröffentlichte bereits eine ganze Reihe dieser Publikationen, es sind „Reiseführer“ zu verlassenen Orten. In ihrem aktuellen Projekt geht es um eine stillgelegte Kiesgrube im Süden der Stadt, das Brachland „Pinar de Jalón“. Der Führer erzählt die Geschichte der stillgelegten Kiesgrube und beschreibt die Pläne, die im Laufe der Jahre für das Gelände entworfen wurden. Die Publikation zeigt, wie das Brachland zum Zeugen des städtischen Wachstums wurde – und wie sehr Baustoffe wie Kies und Sand die Entwicklung von Städten prägen.


Die in der Installation "Caliza" (2024) gezeigten Kalkstein-Blöcke werden nach dem Ende der Ausstellung zu Bodenfliesen, wie sie auch im Museo Patio Herreriano verbaut wurden.
Die in der Installation „Caliza“ (2024) gezeigten Kalkstein-Blöcke werden nach dem Ende der Ausstellung zu Bodenfliesen, wie sie auch im Museo Patio Herreriano verbaut wurden.

Die Gewinnung von Bodenstoffen

Ergänzend zu diesen beiden neuen Werken zeigt die Ausstellung „Gravas y arenas“ frühere Projekte von Lara Almarcegui, die sich mit der Herkunft von Baumaterialien und den Auswirkungen des Bauens beschäftigen. Hierzu zählt ein Film, der dokumentiert, wie die Künstlerin für einen Tag die Arbeiten in einer Kiesgrube in der Nähe von Lérida (Katalonien) stilllegte. Die Bilder der ruhenden Kiesgrube wirken fast wie eine Mondlandschaft. Almarcegui kombinierte ihre Filmaufnahmen mit einem Tag der offenen Tür, bei dem die Öffentlichkeit eingeladen war, die normalerweise unzugängliche Kiesgrube zu besichtigen. Die Künstlerin wollte damit eine neue, ungewohnte Beziehung zu einem Ort anregen, der gleichzeitig faszinierend und beunruhigend wirken kann.

Im ersten Stock des Museums setzt sich die Ausstellung fort. Hier ist zunächst eine Reihe von Arbeiten zu sehen, in denen Lara Almarcegui schon früh die städtische Entwicklung kritisch hinterfragte. Ein Beispiel dafür ist ihre Aktion an einer alten Markthalle in San Sebastián: Unmittelbar bevor das baufällige Gebäude abgerissen werden sollte, führte die Künstlerin hier Restaurierungsarbeiten durch. Dies war nicht nur ein Akt des Widerstands gegen den Abriss, sondern sollte auch die nicht immer produktive Seite von Erneuerungsprojekten sichtbar machen. Seit diesem Projekt von 1995 setzt Almarcegui mit ihren Aktionen immer wieder Zeichen gegen Bauspekulation. Ein weiteres Markenzeichen ihrer Arbeit sind „Reiseführer“ zu Brachflächen, die sie an Orten erstellt, die sich stark verändern – wie zum Beispiel Gebiete, die von großen urbanen Entwicklungen betroffen sind. Die Aktionen der Künstlerin zeigten hier positive Effekte und konnten teils dazu beitragen, die naturbelassenen Brachflächen vor Bauspekulation zu schützen und intakt zu halten.


In einigen Video-Arbeiten dokumentiert Lara Almarcegui stillgelegte Kiesgruben - wie hier in der Nähe von Lérida (Katalonien).
In einigen Video-Arbeiten dokumentiert Lara Almarcegui stillgelegte Kiesgruben – wie hier in der Nähe von Lérida (Katalonien).

Bauwerke und Städte in Zahlen

Lara Almarcegui arbeitet für ihre Werke und Aktionen oft mit Menschen aus dem Ingenieurwesen, der Geographie und der Architektur zusammen, um das Gewicht von Städten und Gebäuden zu berechnen. Die Ergebnisse – umfangreiche Listen der verwendeten Materialien – werden an den Wänden in der Ausstellung „Gravas y arenas“ gezeigt. Hier sind zum Beispiel die Baustoffe der Stadt São Paulo oder des spanischen Pavillons auf der Biennale in Venedig 2013 aufgelistet. Ein weiteres in der Ausstellung präsentes Projekt dokumentiert den Abriss eines Hauses in Dallas. Das Video zeigt, wie ein Bagger ein Haus abreißt und danach den Bauschutt im Boden vergräbt. Almarcegui versucht damit die fremdartige Seite solcher Eingriffe in das Stadtbild zu verdeutlichen.

Der letzte Ausstellungsraum widmet sich neueren Arbeiten, in denen Lara Almarcegui sich mit Schürfrechten von Bodenschätzen beschäftigt. Diese Rechte erlauben es, Vorkommen von Eisen und anderen Mineralien zu erkunden – doch die Künstlerin nutzte die auf ihren Namen abgeschlossenen Verträge, um den Zugang zu den Abbaugebieten für andere zu blockieren und zum Nachdenken über die Herkunft von Baumaterialien anzuregen. Daneben werden in der Ausstellung zwei Videos gezeigt, die große Beton-Produktionsprojekte dokumentieren: eines auf dem Messeplatz in Basel und eines in einer Kiesgrube in den Schweizer Bergen. Das erste Video, „Grava“ (2018), zeigt, wie jeden Tag 250 Tonnen Material aus der Kiesgrube geholt und mitten auf dem Basler Messeplatz abgeladen wurden. Das zweite Video, „Gravera Safienplatz“, dokumentiert, wie jeden Freitag eine Kiesgrube für eine Stunde stillgelegt wurde. Diese Pause lässt im Video von Almarcegui die Geräusche der Natur in den Vordergrund treten – das Plätschern eines Flusses, das Rollen der Steine und der Wind. Die Aufnahmen stehen im Kontrast zur monotonen, mechanischen Kiesproduktion, die in der gegenüberliegenden Projektion zu sehen ist.

Die Ausstellung „Gravas y arenas“ gibt so einen umfangreichen Überblick über das Werk von Lara Almarcegui, das mal meditativ, mal surreal und mal technisch-faszinierend wirkt.


Lara Almarcegui. Gravas y arenas

28.09.2024-09.03.2025
Patio Herreriano. Museo de Arte Contemporáneo Español
Valladolid, Spanien


Bilder: Angelika Schoder – Lara Almarcegui. Gravas y arenas, Museo Patio Herreriano, Valladolid 2024


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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