Von Street Art bis High-Tech: Kultur und Museen in Bordeaux

Wir werfen einen Blick auf die kulturellen Highlights und Museen in Bordeaux und empfehlen Orte, die sich abseits des touristischen Mainstream lohnen.

Das Gebäude des CAPC stammt aus dem 19. Jhd

[CityPass] In der Metropole an der Garonne treffen Street Art und zeitgenössische Kunst fast wie selbstverständlich auf High-Tech und Antike. Die Museen in Bordeaux sind dabei so vielfältig wie der Wein, der in der Region angebaut wird – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Bei MusErMeKu werfen wir einen Blick auf die kulturellen Highlights der Stadt und verraten, welche Orte sich abseits des touristischen Mainstream lohnen.


Die erst 2016 eröffnete Cité du Vin widmet sich den wichtigsten Weinanbaugebieten der Welt, gewährt einen High-Tech Blick in die Geschichte des Weins und bietet regelmäßig Fachveranstaltungen zum Thema an.

La Cité du Vin

Der Wein bestimmt Bordeaux wie kaum ein anderes Produkt. Doch das Getränk ist in der Metropolregion mehr als ein Lebensmittel – es ist vielmehr ein Kulturgut. Umso überraschender ist es, dass erst im Mai 2016 die Cité du Vin eröffnete. Eines der heute bekanntesten Museen in Bordeaux widmet sich historischen, gesellschaftlichen und sensorischen Aspekten rund um das Thema Wein. Auch wenn sich die Cité du Vin selbst als Museum bezeichnet, handelt es sich jedoch nicht um ein klassisches Weinbau-Museum, sondern vielmehr um eine multimediale, interaktive High-Tech-Erlebniswelt. Ausgestattet mit mehrsprachigen Audio-Guides, die über Scanner und Beacons gesteuert werden, erkundet man als Besucher die Ausstellung über Touchscreens, an Riechstationen und holografischen Bildschirmen, mit interaktiven Online-Spielen oder in audio-visuellen Installationen. Die digitalen Vermittlungsangebote bieten die Möglichkeit, sich entweder punktuell oder ganz intensiv mit verschiedenen Aspekten zum Thema Wein auseinanderzusetzen – auch wenn die differenzierte Betrachtung der industriellen Weinproduktion oder die kritische Thematisierung von Weinkonsum leider zu kurz kommen.

Allein um die aktuellen digitalen Möglichkeiten von Kulturvermittlung kennenzulernen, lohnt sich ein Besuch für Museums-Fans in der Cité du Vin definitiv. Die Institution zeigt, was technisch heute möglich sein kann, wenn man die notwendigen Ressourcen hat. Und auch wenn die user experience manchmal besser sein könnte und nicht immer alles reibungslos funktioniert, gibt es aktuell in Europa kaum ein Museum, was auf einem so hohen technologischen Stand ist. Immerhin: Am Ende des Ausstellungsrundgangs wird es dann doch wieder ganz analog. Bei einem Besuch auf der Aussichtsplattform, dem Belvédère, lässt sich das gesamte Hafengebiet von Bordeaux überblicken – sogar mit einem kleinen Glas Wein in der Hand. Das ist im Eintrittspreis nämlich mit inbegriffen.


Seit 2003 können Anwohner in der Garage Moderne ihre Autos, Mopeds oder Fahrräder reparieren. In der Werkstatthalle finden aber auch Kultur-Events und Ausstellungen statt.

Le Garage Moderne

Das Kontrastprogramm zur mittlerweile zum Besuchermagnet avancierten Cité du Vin bietet sich nur wenige Meter weiter. Die Garage Moderne im nördlichen Stadtteil Bacalan gilt weiterhin als Geheimtipp unter den Bordeaux-Besuchern. Seit 2003 kommen die Mitglieder des Vereins Le Garage Moderne in die historische Werkstatthalle, um hier ihre Fahrzeuge selbst zu reparieren oder reparieren zu lassen. Ob Auto, Moped oder Fahrrad – mit der Unterstützung von professionellen Mechanikern und passenden Ersatzteilen wird jedes Verkehrsmittel wieder funktionsfähig gemacht. Der Ort ist eine Art Begegnungs- und Kulturzentrum, in dem sich Anwohner treffen und austauschen – nicht nur im Hinblick auf ihre fahrbaren Untersätze.

Die Garage Moderne ist ein Stück Gemeinschaftskultur im industriell geprägten Umfeld, in dem auch Besucher immer willkommen sind. Wer noch kein Mitglied im Verein ist, wird gegen eine kleine Gebühr einfach aufgenommen. Eine Mitgliedschaft lohnt sich auch für Auswärtige, denn neben der Werkstatt bietet der außergewöhnliche Ort auch Kultur-Events. In der Garage Moderne finden meist Donnerstags, im Rahmen der „Les Jeudis du Garage“, Shows, Musik-Events, Aufführungen und Ausstellungen statt. Tagsüber gibt es hier außerdem in der „Cantine du Garage“ lokales Craft-Bier und regionale Bio-Küche, sowohl mit Fleisch als auch vegetarisch. Als Treffpunkt dient entweder der Café-Bereich inmitten von Oldtimerbussen in der Werkstatt, oder die kleine Terrasse vor dem Gebäude, wo man unter einem beeindruckenden Feigenbaum sitzen kann.


Schwerer Beton, zahlreiche Wasserbecken und meterhohe Decken: La Base Sous-Marine beteiligt sich als ungewöhnlicher Ausstellungsraum an der 3. „Saison Street Art“ von Bordeaux.

La Base Sous-Marine

Die U-Boot-Basis in Bordeaux ist sicher der ungewöhnlichste Ausstellungsort der Stadt. Das Gebäude ist eine von fünf ehemaligen NS-Basen an der Atlantikküste, die zwischen 1941 und ’43 von Zwangsarbeitern erbaut wurden und während des Zweiten Weltkriegs deutsche U-Boot-Flotten beherbergten. Heute werden in dem riesigen, von Wasser-Bassins durchzogene Beton-Komplex im Hafengebiet wechselnde Ausstellungen zu zeitgenössischer Kunst gezeigt.

In diesem Jahr beteiligt sich der Ausstellungsraum Base Sous-Marine an der 3. „Saison Street Art“ von Bordeaux. Hierzu gehören mehrere Projekte aus den Bereichen Street Art, Visual Arts, Digitalkunst und Kino, an denen regionale, nationale und internationale Künstler beteiligt sind. Im Rahmen dieses Street Art Festivals ist in der U-Boot-Basis die Ausstellung „Urban Legends“ (bis 16.09.2018) zu sehen. Neben Arbeiten von Street Art Legenden wie Invader, Banksy, Shepard Fairey oder JR sind auch Gemälde, Zeichnungen, Rauminstallationen, Multimedia-Kunstwerke sowie Augmented Reality und Virtual Reality Arbeiten von Nachwuchskünstlern wie ARDPG, Erell, Gris 1, Monkey Bird oder Nasti in dieser Gruppenausstellung zu sehen. Auf zwei Ebenen und in insgesamt 21 Räumen lässt sich so die Street Art Geschichte der letzten knapp 65 Jahre nachvollziehen, seit den 1950er Jahren.


Das Gebäude des CAPC stammt aus dem 19. Jhd. Seit 2015 wird das zentrale Atrium von wechselnden Künstlern mit Installationen gestaltet.

CAPC – Musée d’Art Contemporain de Bordeaux

Fragt man Kunst-Fans, welche Museen in Bordeaux man gesehen haben muss, fällt immer zuerst der Name CAPC. Das Museum für zeitgenössische Kunst befindet sich in einem ehemaligen Lagerhaus, das zwischen 1822 und 1824 von Ingenieur Claude Deschamps gebaut wurde. Im 19. Jhd. hatte das Gebäude noch einen direkten Zugang zur Dordogne, damit die Handelsgüter aus der ganzen Welt, die über den Seeweg in Bordeaux eintrafen, hier untergebracht werden konnten. Heute erinnert noch das große Atrium des Museums an diese Zeit. Kennt man die Vorgeschichte nicht, hält man die monumentale Institution mit ihren hohen Decken und Steinbögen auch schnell für eine ehemalige Kirche.

Das CAPC wurde 1973 gegründet und von nationalen und internationalen Künstlern bis 1984 als multidisziplinärer Produktions- und Ausstellungsort genutzt. Ab 1975 wurden die ersten Wanderausstellungen aus dem In- und Ausland gezeigt, doch erst 1984 wurde das CAPC offiziell zum Museums für zeitgenössische Kunst ernannt. Heute werden im Obergeschoss des Museums Werke der umfangreichen Sammlung gezeigt. Diese umfasst 1.299 Arbeiten von 189 Künstlern. Im Erdgeschoss sind verschiedene Sonderausstellungen zu sehen. Wechselnden Künstlern wird seit 2015 außerdem das Atrium zur Verfügung gestellt, um hier ortsspezifische Installationen zu zeigen. Nachdem Leonor Antunes, Rosa Barba und Naufus Ramírez-Figueroa den kirchenartigen Raum bespielt haben, greift aktuell Danh Vo die Lagerhaus-Geschichte des Museums mit einer Installation auf (noch bis 28.10.2018). Zu den dauerhaften Kunstwerken des Museums gehört unter anderem der Aufzugschacht, der von Keith Haring mit einem Wandgemälde versehen wurde (1985), Wandgemälde von George Route (1982) und Stein-Installationen von Richard Long auf der Dachterrasse (1985 und 1990/ 2014).


Angesiedelt ist das Architekturzentrum arc en rêve, das sich mit architektonischer Kultur sowie mit Landschafts- und Stadtentwicklung beschäftigt, im zweiten Stock des CAPC.

Arc en Rêve – Centre d’Architecture

Das 1981 gegründete Architekturzentrum arc en rêve widmet sich den Themen Architektur, Stadtentwicklung, Landschaft und Design. Angesiedelt ist die Institution im zweiten Stock des CAPC. Wer das Museum für zeitgenössische Kunst besucht, sollte also auch die aktuelle Ausstellung des arc en rêve mit einbeziehen. Neben Ausstellungen organisiert die Institution übrigens auch regelmäßig Vorträge und Workshops zu architektonischer Kultur sowie zu Landschafts- und Stadtentwicklung.

Noch bis 28.10.2018 widmet arc en rêve seine aktuelle Ausstellung den Arbeiten der chinesischen Architekten Wang Shu und Lu Wenyu. Mit ihrem Amateur Architecture Studio in Hangzhou haben die beiden Architekten einen Ansatz entwickelt, der sich radikal von den meisten chinesischen Architekturen unterscheidet. Wang und Lu erforschen die Beziehung zwischen der sich verändernden Architektur und den Lebensstilen in China. Die Ausstellung zeigt, wie beide Architekten mit ihrem Studio versuchen, traditionelle chinesische Techniken und Handwerk durch zeitgenössische Architektur und Recycling-Methoden zu interpretieren. Im Vordergrund stehen dabei nicht nur Bilder und Modelle von Bauwerken. Der Besucher erhält auch einen Einblick in die Verwendung traditioneller und moderner Baumaterealien in China.


Im Musée des Arts décoratifs et du Design treffen historische Räume vergangener Jahrhunderte auf modernes Design in einem ehemaligen Gefängnis.

MADD – Musée des Arts décoratifs et du Design

Das Museum für Dekorative Kunst und Design in Bordeaux ist in einem Herrenhaus aus dem späten 18. Jhd. zu finden. Wer ein klassisches Kunstgewerbe- oder Design-Museum erwartet, wird hier überrascht. Das MADD zeigt keine Objekte in Vitrinen, sondern belässt sie in ihrem Kontext: Einrichtungsgegenstände wie Möbel oder Kunstobjekte werden in Zimmern präsentiert, die im Stil des 17., 18. oder 19. Jhd. gestaltet sind – von den originalen Holzböden über die Tapeten bis hin zu den Kronleuchtern.

Mit Sonderausstellungen ergänzt das MADD sein Programm, um auch zeitgenössisches Design zu beleuchten. Aktuell (noch bis 07.10.2018) zeigt das Museum Arbeiten von Martin Szekely. Die 40 Exponate der Ausstellung „Construction“, entworfen zwischen 1978 und 2018, zeigen Szekelys Auseinandersetzung mit dem Thema der Konstruktion. Spannend an der Ausstellung ist die Inszenierung der Möbel, Design-Objekte und interaktiven Stationen. Als Ausstellungsraum dient nämlich ein Gebäude hinter dem Museum – ein ehemaliges Gefängnis. Szekelys Objekte nehmen hier die alten Zellen für sich ein, es entsteht ein Kontrast zwischen den historischen Mauern und den minimalistischen Designobjekten.


Das Musée d’Aquitaine widmet sich der Geschichte von Bordeaux und seiner Region, von der Ur- und Frühgeschichte bis zur Gegenwart.

Musée d’Aquitaine

Das 1960 gegründete Musée d’Aquitaine widmet sich der Geschichte von Bordeaux und seiner Region, von der Ur- und Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Die Sammlung des Museum umfasst archäologische, historische und enthnographische Objekte aus der Region, aber auch aus Ländern, zu denen Bordeaux Handelsbeziehungen unterhielt. Einen genauen Blick hierauf wirft die Dauerausstellung „Bordeaux, Hafen der Welt: 1800-1939“. Hunderte Objekte zeigen den einstigen Reichtum von Bordeaux mit Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen, Objekten des täglichen Lebens, mit Plakaten und historischen Filmen. Die Ausstellung zeigt, wie der Hafen im 19. Jhd. zur treibenden Kraft der Wirtschaft von Bordeaux wird, angetrieben durch das goldene Zeitalter der Eisenbahn und durch die Erweiterung des Seehandels. Insbesondere der Weinhandel floriert auf dem amerikanischen Kontinent und in Nordeuropa. Hinzu kommt der Handel mit Kolonien in Nord-Afrika und südlich der Sahara, den Antillen, Indochina, Neukaledonien und China.

In engem Bezug zu diesem Ausstellungsabschnitt steht ein weiterer Teil der Dauerausstellung: „Bordeaux, der transatlantische Handel und die Sklaverei“. Anhand der Geschichte des 18. Jhd. wird eines der wichtigen Kapitel der Geschichte der Stadt beleuchtet. Das Museum zeigt, dass der Reichtum von Bordeaux auf Kosten von Menschenleben erlang wurde und wirft auch einen Blick auf die Gegenwart. Der letzte der vier Ausstellungsräume zu diesem Thema widmet sich dabei den Folgen der Sklaverei in der französischen Gesellschaft, indem das politische, soziale und kulturelle Erbe und dessen Einflüsse auf die heutige Zeit diskutiert werden. Absolut sehenswert.


Das Grand Théâtre vereint als Mehrspartenhaus Sprechtheater, Tanztheater, Konzerte sowie Opern und Operetten unter einem Dach.

Grand Théâtre / Opéra National de Bordeaux

Theaterfans sollten sich einen Besuch im Grand Théâtre nicht entgehen lassen. Das Theater wurde zwischen 1773 und 1780 nach Plänen des Architekten Victor Louis errichtet und ist heute Spielstätte der Opéra National de Bordeaux. Das Mehrspartenhaus, in dem Sprechtheater, Tanztheater, Konzerte sowie Opern und Operetten aufgeführt werden, liegt im Zentrum der historischen Altstadt und fasst etwa 1.100 Besucherplätze. Das Theater kann außerhalb der Sommerpause tagsüber mit Führungen besichtigt werden.

Highlights des Theatersaals sind der 1,2 Tonnen schwere Kronleuchter aus dem Jahr 1917 mit böhmischen Kristallen und 400 Lampen, sowie die Kuppel, die von Jean-Baptiste Robin bemalt wurde. Das Deckengemälde zeigt Apollo und die Musen, die den „Kunsttempel“ von Bordeaux weihen. Auch an der Fassade des Gebäudes finden sich die Musen wieder: Bekrönt wird das Natursteingebäude von zwölf Statuen, welche die neun Musen sowie die Göttinnen Juno, Venus und Minerva zeigen.

musermeku dankt Bordeaux Tourisme für die Bereitstellung von zwei Bordeaux CityPass, der uns den freien Eintritt in die genannten Museen ermöglicht hat.


Bilder: Angelika Schoder – Stein-Installationen von Richard Long auf der Dachterrasse des CAPC, Bordeaux, 2018


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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