Was bringt ein Hackathon mit Kulturdaten?

Die Veranstaltung eines Hackathon kann sich für viele Museen lohnen. Doch was macht einen erfolgreichen Kultur-Hackathon aus – und welche kritischen Aspekte sind dabei zu beachten?

Die Veranstaltung eines Hackathon kann sich für viele Museen lohnen. Doch was macht einen erfolgreichen Kultur-Hackathon aus?

[Leitfaden] Seit über 10 Jahren rufen einige Museen und andere Kulturinstitutionen zu Hackathon-Veranstaltungen auf. Die kollaborativen Events versprechen Innovation, Community-Building und neue Zugänge zu Museumssammlungen und anderen Kulturerbe-Daten. In Deutschland fanden von 2014 bis 2022 diverse Hackathons im Kulturbereich statt, in Kooperation mit Coding Da Vinci. Mit ihren Sammlungsdaten beteiligten sich unter anderem die Deutsche Nationalbibliothek, die Berlinische Galerie, die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und die Historischen Museen Hamburg. Basierend auf den Daten des MK&G – Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg entstand im Rahmen von Coding Da Vinci Nord 2016 so zum Beispiel die Zeitblick-App, eine deutsche Konkurrenz zur Google Arts & Culture App, mit der man via Gesichtserkennung seinen Kunst-Zwilling finden konnte.

Nachdem es nach dem Ende von Coding Da Vinci etwas ruhiger in Deutschland wurde, steht nun in Berlin mit „culture.explore(data)“ der nächste Kultur-Hackathon an. Am 7. und 8. Oktober 2025 sollen digitale Anwendungen auf Basis der Daten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz entwickelt werden. Auch die Bibliotheken und Museen der University of Oxford stellen ihre Daten für das Event zur Verfügung. Doch was macht einen erfolgreichen Kultur-Hackathon aus – und welche kritischen Aspekte sind dabei zu bedenken?


Hackathons rund um Kulturdaten

Der Begriff „Hackathon“ setzt sich aus „Hack“, im Sinne von kreativem Problemlösen und technischem Basteln, und „Marathon“ zusammen. Es sind Events, die meist 1-2 Tage dauern und bei denen interdisziplinäre Teams gemeinsam an innovativen Lösungen für vorgegebene technische Herausforderungen arbeiten. Ursprünglich in der Softwareentwicklung entstanden, haben Hackathons längst andere Bereiche erobert, auch den Kulturbereich.

Hachathons zeichnen sich durch intensive Zusammenarbeit in kurzer Zeit aus, durch experimentelles Arbeiten mit ausgeprägter Fehlerkultur und durch die Verbindung unterschiedlicher Kompetenzen. Am Ende eines Hackathon sollte idealerweise ein Projekt vorgestellt werden, das zumindest in den Grundlagen funktionsfähig ist. Teilnehmende kommen meist aus verschiedenen Disziplinen, wobei die Grundlage Menschen mit IT- und Programmierfähigkeiten sein müssen – ohne sie funktioniert es nicht. Idealerweise werden Hackathon-Teams durch Menschen mit Design-Expertise ergänzt und wenn es um den Kulturbereich geht natürlich auch um Menschen mit (wissenschaftlicher) Kultur-Expertise, die am besten auch mit den genutzten Daten vertraut sind. Grundsätzlich können aber auch Menschen mit ganz anderen Hintergründen teilnehmen, die Ideen oder Fragestellungen mitbringen und sich dann als Tester der entwickelten Anwendungen einbringen.

Das Besondere an Kultur-Hackathons ist, dass in der Regel nicht kommerzielle Anwendungen im Mittelpunkt stehen, sondern der verbesserte Zugang zu Kulturdaten für ein möglichst breites Publikum. Es kann aber auch um die Entwicklung neuer und kreativer Vermittlungsformen im digitalen Bereich gehen. Ein entscheidender Vorteil liegt hier in der Verfügbarkeit von Open Access und Public Domain Daten. Viele Museen haben in den letzten Jahren ihre Sammlungen digitalisiert und unter offenen Lizenzen verfügbar gemacht; diese Datenbestände, von hochauflösenden Objektfotografien über Metadaten bis hin zu 3D-Scans, bilden die Grundlage für kreative Anwendungen. Wenn Museen ihre Daten für einen Hackathon zur Verfügung stellen, profitieren sie letztendlich von neuen Nutzungsformen ihrer Sammlungen, die vielleicht weitere Zielgruppen erschließen und überraschende Verbindungen schaffen können.


Die Vorteile eines Kultur-Hackathon

Die Veranstaltung eines Kultur-Hackathon bietet für Kulturinstitutionen viele Vorteile, die weit über die unmittelbaren Ergebnisse hinausgehen. Zunächst fungieren sie als Innovationslabor: In kurzer Zeit entstehen diverse Prototypen und Ideen, die interne Entwicklungsprozesse inspirieren können. Museen können so kostengünstig Zugang zu externem Know-how und zu neuen Perspektiven erhalten, die das eigene Team ergänzen. Hackathons machen zudem das Museum zu einem Ort der Co-Creation und signalisieren Offenheit für partizipative Ansätze. Und natürlich lassen sich die Events auch sehr gut für PR und Social-Media-Content nutzen.

Der größte Vorteil für Museen ist aber natürlich der Output eines Hackathon: Am Ende stehen im Idealfall konkrete, nutzbare Ergebnisse wie Apps, Datenvisualisierungen, interaktive Installationen oder digitale Vermittlungstools, die das Museum direkt für den Einsatz weiterentwickeln kann. Und selbst wenn die meisten Prototypen nach einem Hackathon nicht zur Marktreife gelangen, können sie wertvolle Erkenntnisse über Zielgruppenbedürfnisse und technische Möglichkeiten liefern.


Hackathon Dos & Don’ts

Ein erfolgreicher Kultur-Hackathon erfordert eine sorgfältige Planung. Die Vorbereitung beginnt mit der Definition klarer Ziele: Soll der Fokus auf technischer Innovation, partizipativer Vermittlung oder Community-Building liegen? Diese Entscheidung prägt alle weiteren Schritte. Auch die Auswahl und Aufbereitung der Daten ist zentral. Museen müssen ihre digitalen Bestände nicht nur technisch zugänglich machen, sondern auch inhaltlich kontextualisieren: APIs sollten gut dokumentiert, Metadaten strukturiert und Bildmaterial in verschiedenen Auflösungen verfügbar sein. Gleichzeitig brauchen die Teilnehmenden alle notwendigen Hintergrundinformationen zu Sammlungen, Entstehungsgeschichten und wissenschaftlichen Fragestellungen.

Der nächste Schritt ist die Zusammenstellung heterogener Teams. Der „culture.explore(data)“ Hackathon in Berlin setzt vermutlich auch deshalb auf eine vorherige Anmeldung. Eine ausgewogene Mischung aus verschiedenen Erfahrungs-Levels und Altersgruppen kann hier Kreativität und gegenseitiges Lernen fördern. Und natürlich muss darauf geachtet werden, dass alle notwendigen Expertisen vertreten sind, von IT über Geisteswissenschaften bis hin zu Menschen mit Vermittlungserfahrung und vielleicht auch Vertreter aus Zielgruppen. Würde man zum Beispiel barrierefreie Angebote bei einem Hackathon entwickeln wollen, müssten auch Menschen mit entsprechenden Behinderungen direkt eingebunden sein. Sollen es Angebote für Kinder und Jugendliche sein, könnte man sie mit ihren Eltern zur Teilnahme einladen usw.

Sind diese organisatorischen Punkte erfüllt, muss vor Ort für den Hackathon auf die räumlichen und technischen Rahmenbedingungen geachtet werden: ausreichend Platz für Teams, leistungsstarkes WLAN, Präsentationstechnik und flexible Möblierung. Verpflegung und Orte zum Ausruhen schaffen zusätzlich eine entspannte Atmosphäre. Schließlich müssen vor Ort auch Ansprechpersonen für die Teams bereit stehen, sowohl für technische Fragen als auch für museumsspezifische Inhalte. Zusätzlich kann eine Moderation notwendig werden, um bei der Teambildung zu helfen und einen strukturierten Ablauf zu gewährleisten.


Die Herausforderung der Nachhaltigkeit

Ein kritischer Punkt bei Kultur-Hackathons ist die Nachhaltigkeit der Ergebnisse. Während die Events oft große Begeisterung auslösen, verschwinden viele Prototypen nach der Abschlusspräsentation in der digitalen Versenkung. Museen müssen Strategien entwickeln, wie sie vielversprechende Projekte langfristig unterstützen können, sei es durch technische Infrastruktur, finanzielle Förderung oder personelle Ressourcen. Die Nachbereitung ist dabei entscheidend: Ergebnisse sollten dokumentiert, Teilnehmende weiter eingebunden und vielversprechende Projekte gegebenenfalls weiterentwickelt werden. Denn ein Hackathon sollte der Beginn einer längeren Beziehung sein, nicht ein isoliertes Event.

Eine andere Frage zur Nachhaltigkeit ist auch die Aufwandsentschädigung der Teilnehmenden. Wer bei einem Hackathon dabei ist, investiert meist einiges an Zeit und Kreativität, oft ohne finanzielle Entschädigung zu erhalten. Besonders problematisch wird dies, wenn Museen von den Ergebnissen profitieren, während die Urheber leer ausgehen. Natürlich bietet ein Hackathon auch einen ideellen Mehrwert für die Teilnehmenden: es ist eine gute Möglichkeit Gelerntes anzuwenden, zu experimentieren, Neues zu lernen und zu netzwerken. Hackathons werden deshalb meist als Bildungsveranstaltungen verstanden, bei denen der Erkenntnisgewinn die Entschädigung darstellt. Zudem hat ein Hackathon meist einen experimentellen Charakter, denn viele Prototypen sind ohnehin nicht kommerziell verwertbar. Doch Hackathons können eben auch als kostengünstige Form der Produktentwicklung missbraucht werden. Wenn Museen klare kommerzielle Interessen verfolgen, ist die Nutzung der unbezahlten Arbeit nicht vertretbar. Besonders kritisch wird es, wenn ein Hackathon dazu genutzt wird, Entwicklungskosten zu sparen.

Ein weiteres Problem ist die soziale Selektivität. Unbezahlte Events können sich primär Menschen leisten, die finanziell abgesichert sind oder Hackathons als Karriere-Chance betrachten. Bei Kultur-Hackathons verstärkt dies die bestehende Ungleichheiten im Tech- und Kulturbereich und schließt möglicherweise wertvolle Perspektiven aus. Hier reicht es nicht, beim Hackathon einfach gratis Verpflegung anzubieten. Und schließlich kann auch da Thema Kinderbetreuung eine Rolle spielen. Es gibt Hackathons die Betreuung für Kinder anbieten, damit auch Eltern teilnehmen können. Im Kulturbereich ist das allerdings bisher längst nicht die Regel.

Grundsätzlich sollten Museen prüfen, ob es möglich ist, den Teilnehmenden eine Aufwandsentschädigung zu bieten oder die entwickelten Projekte mit Sachpreisen auszuzeichnen, um zumindest eine Wertschätzung für die Arbeit ausdrücken. Man kann auch über hybride Modelle nachdenken: eine kostenlose Teilnahme für Studierende und Hobby-IT’ler und Honorare für professionelle Teilnehmende. Sehr wichtig ist zudem auch das Thema Transparenz: Teilnehmende sollten im Vorfeld darüber aufgeklärt werden, wie ihre Entwicklungen vom Museum weiter genutzt werden, wenn sie funktionsfähig sind.


culture.explore(data)

Open Cultural Data Hackathon
7./8. Oktober 2025
Staatsbibliothek zu Berlin


Header-Bild: Angelika Schoder – Alte Nationalgalerie, Berlin 2025


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Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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