[Ausstellung] Er sammelte wertvolle Gemälde von William Turner oder Johann Heinrich Füssli, trug zahllose Architekturfragmente und -modelle zusammen und stellte sich sogar einen ägyptischen Sarkophag in den Keller: Der britische Architekt Sir John Soane (1753-1837) war Inhaber einer der wohl ungewöhnlichsten Sammlungen Londons. Als Professor für Architektur an der Londoner Royal Academy sammelte er in seinem Wohnhaus am Lincoln’s Inn Fields Park nicht nur Bücher und Zeichnungen zum Thema Architektur; er wandelte sein Wohnhaus auch nach und nach in ein Museum um, in dem sich seine Studierenden weiterbilden sollten. Als der Platz für seine Exponate nicht mehr ausreichte, erwarb Soane zusätzlich die Nachbarhäuser, um seine Sammlung erweitern zu können. Heute umfasst das John Soane’s Museum drei schmale Londoner Stadthäuser, die zu einer Zeitreise ins frühe 19. Jhd. einladen: in eine echte Wunderkammer aus Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen und architektonischen Designelementen.
Eines der ältesten Museen Londons
Im Rahmen seiner Ausbildung als Architekt konnte John Soane mit einem königlichen Stipendium eine große Europareise unternehmen, bei der er die Ruinen des antiken Rom und Pompeji besuchte. Sein hier gewecktes Interesse an klassischer Kunst und Architektur wurde später zum größten Antrieb für den Aufbau seiner Sammlung. Für diese errichtete er auch sein Haus in Holborn, sein heute bekanntestes architektonisches Werk, neben der Bank of England und der Dulwich Picture Gallery. Zunächst kaufte Soane im Jahr 1792 das Gebäude mit der Hausnummer 12 am Lincoln’s Inn Fields Park in London, ließ es abreißen und baute an der Adresse ein Wohn- und Bürogebäude nach seinen Entwürfen.
Im Jahr 1807 kaufte er dann das Nachbarhaus Nr. 13 und errichte den heutigen Kuppelbereich, den er mit seinen Sammlungsstücken ausstattete, allen voran mit Büsten, Reliefs und anderen architektonischen Elementen. An zentraler Stelle platziere er hier eine Büste von sich selbst, die 1829 von Sir Francis Chantrey geschaffen wurde. Darunter arragierte er kleine Statuen von Raphael und Michelangelo; zusammen sollte diese Anordnung die Vereinigung der Künste Architektur, Bildhauerei und Malerei symbolisieren, gewissermaßen der Grundgedanke von Soanes Sammlung. Gegenüber im Kuppelbereich platzierte Soane einen maßstabsgetreuen Abguss des Apollo Belvedere. Das Original dieser Statue befindet sich in den Vatikanischen Museen in Rom. Ende 1823 erwarb Soane zusätzlich das Haus Nr. 14, das er ebenfalls abreißen ließ, um einen neuen Gemäldesaal als Erweiterung zum zentralen Gebäude zu errichten.
Bereits zu seinen Lebzeiten plante und nutzte John Soane sein erweitertes Haus als Museum. Im Jahr 1833 handelte er ein privates Parlamentsgesetz aus, um das Haus nach seinem Tod dauerhaft für die Öffentlichkeit als Museum zugänglich zu machen. Nach seinem Ableben im Jahr 1837 übernahm dann ein Kuratorium die Verantwortung für das Sir John Soane’s Museum und bewahrt bis heute die Gebäude und die hier gezeigte Sammlung in ihrer ursprünglichen Struktur. Das Museum wirkt deshalb auf den ersten Blick ziemlich überwältigend und unübersichtlich, folgt jedoch einem von John Soane persönlich geplanten System. Jeder Raum ist dabei als eine Art Gesamtkunstwerk gedacht und wurde von Soane hingebungsvoll kuratiert, indem er die hier gezeigten Werke hinsichtlich ihrer Wirkung, Struktur, Geschichte und Bedeutung zusammenstellte.
Die Sammlung des Museums
Eines der berühmtesten Objekte in der Sammlung des Sir John Soane’s Museum ist der Alabaster-Sarkophag des ägyptischen Pharaos Sethos I. Dieser wurde ursprünglich im Jahr 1279 v. Chr. in einem aufwendigen Grab im Tal der Könige beigesetzt. Auf der Innen- und Außenseite des Sarkophags ist in Hieroglyphen ein ägyptischer Text eingemeißelt, das sogenannte „Pfortenbuch“. Es ist eine Reihe von Zaubersprüchen und Ritualen, die eine verstorbene Person durch die Unterwelt ins Jenseits geleiten sollten. Auf den Boden des Sarkophags wurde zudem die Figur der Himmelsgöttin Nut gezeichnet, deren Aufgabe es war, die Toten zu führen. Der Sarkophag von Sethos I wurde 1817 von Giovanni Battista Belzoni entdeckt und sollte zunächst an das British Museum verkauft werden, wurde aber letztendlich von John Soane als kostbarstes Objekt für seine private Sammlung erworben.
Ein weiteres Highlight im Museum ist Soanes Kunstsammlung mit Werken von unter anderem William Hogarth oder Canaletto. Dessen Gemälde „Riva degli Schiavoni“, eines der größten Werke des italienischen Malers, ist gegenüber dem Eingang zum Gemäldezimmer platziert. Es zeigt eine Ansicht der bekannten Promenade von Venedig mit einem Blick in Richtung Markusplatz am Horizont. Rechts und links über dem Gemälde sind zwei weitere Werke von Canaletto ausgestellt, eine Ansicht der Rialto-Brücke und eine Darstellung des Markusplatzes. Im Gemälderaum sind außerdem Tuschezeichnungen von Giovanni Battista Piranesi zu sehen, den Soane im Jahr 1778 in Italien persönlich kennengelernt hatte. Beide Männer teilten die gleiche Faszination für antike Ruinen und klassische Architektur. Als Inspiration für seine Arbeit erwarb Soane zahlreiche Arbeiten von Piranesi, bekam aber auch einige Werke vom Künstler geschenkt. Aus konservatorischen Gründen zeigt das Museum heute übrigens Faksimiles von Piranesis Tuschezeichnungen.
Besonders sehenswert ist außerdem der Modellraum, der allerdings nur im Rahmen eines geführten Rundgangs zugänglich ist. Hier sind Soanes Architekturmodelle ausgestellt, die einige der berühmtesten Monumente der Antike sowie Soanes eigene Bauprojekte abbilden. Das Interesse für die römische Antike wurde bei Soane bereits in jungen Jahren geweckt, während seiner Grand Tour durch Europa. Hier lernte der Architekt zahlreiche Bauwerke kennen, die ihm während seiner gesamten Laufbahn als Inspirationen für seine eigenen Entwürfe dienten. Um als Architekturprofessor seine Studierenden zu unterrichten, legte Soane in den Folgejahren seiner Europareise eine Sammlung von Architekturmodellen an. Hierzu zählen unter anderem Korkmodelle der Ausgrabungen in Pompeji und eines Tempels in Paestum, beide von dem Modellbauer Domenico Padiglione, oder diverse Pariser Gipsmodelle von François Fouquet, etwa ein Modell des Vesta-Tempels in Tivoli.
Ein Museum im Wandel
Obwohl John Soane verfügt hatte, dass das Museum nach seinem Tod in seinem Originalzustand erhalten bleiben sollte, wurden über die Jahre immer wieder Veränderungen am Gebäude vorgenommen, die in den Charakter der Sammlungspräsentation eingriffen. So wurde etwa das gesamte zweite Stockwerk, in dem Soane und seine Ehefrau ihre Schlafzimmer hatten und später der Raum mit Soanes Architekturmodellen zu finden war, zeitweise in eine Wohnung für den Kurator und später in Verwaltungsräume für die Museumsmitarbeitenden umgewandelt. Auch die Lobby zum Frühstücksraum wurde im Laufe der Zeit verändert und im Bereich der Kuppel wurde unter anderem eine Wand eingerissen.
Erst als 2009 die Mitarbeiterbüros in das Nachbargebäude umzogen, konnten die historischen Räume in ihren ursprünglichen Zustand wie zu Soanes Lebzeiten zurückversetzt werden. Im Zuge dieser Rekonstruktion wurden auch die Forschungsbibliothek und die Ausstellungsgalerie verlegt, was in Gebäude Nr. 12 Platz schuf für die Soane Gallery, ein Raum für Wechselausstellungen. Hier und in einem Raum hinter dem Kuppelbereich zeigt das Sir John Soane’s Museum nun regelmäßig aktuelle Sonderausstellungen zu diversen Themen rund um Design- und Architekturthemen.
In einer zweiten Umbauphase, die 2015 abgeschlossen werden konnte, wurden die ehemaligen Wohnräume des Ehepaars Soane wieder in ihren historischen Zustand zurückversetzt, dazu zählt das Morgenzimmer, das Badezimmer, das Schlafzimmer und ein Büchergang. Auch der Modellraum, in dem Soane seine Architekturmodelle neben Modellen antiker römischer Bauwerke und Ruinen ausstellte, wurde wieder hergestellt. Zu sehen sind hier nun rund 40 Modelle, viele davon auf einem ungewöhnlichen dreistöckigen Modellständer, anhand derer Soane einst seine Architekturstudenten von der Royal Academy unterrichtete. Neben diesen Modellen können Museumsbesucher hier auch Soanes Sammlungen von Zeichnungen, Aquarellen und Glasmalereien betrachten.
In den letzten Jahren wurde zudem das zentrale Gebäude des Sir John Soane’s Museum restauriert. So wurde etwa die Lobby zum Frühstücksraum wiederhergestellt und die Katakomben im Untergeschoss wurden renoviert. Auch ein erheblicher Teil der Sammlungsobjekte wurde restauriert und wieder an ihren von Soane vorgesehenen Ausstellungsorten platziert. Nun lässt sich das Museum wieder so besichtigen, wie es sich John Soane einst vor rund 200 Jahren vorgestellt hatte.
Sir John Soane’s Museum
13 Lincoln’s Inn Fields
London WC2A 3BP
Bilder: Angelika Schoder – Sir John Soane’s Museum, London 2023
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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