Das Caricatura Museum Frankfurt und ein Twitter-Takeover

Das Caricatura Museum Frankfurt geht nicht nur mit seinen Ausstellungen neue Wege, sondern auch in Social Media – mit einem Twitter-Takeover.

Das Caricatura Museum Frankfurt geht nicht nur mit seinen Ausstellungen neue Wege, sondern auch in Social Media - mit einem Twitter-Takeover.

[Pressereise] Frankfurt hat etwas Wichtigeres als Banken zu bieten: Es hat Satirezeitschriften (damals Pardon, heute Titanic), die Neue Frankfurter Schule und das caricatura – Museum für komische Kunst. Das caricatura museum ist neben den Frankfurter Kunst- und Geschichtsmuseen ein echtes Highlight in der Kulturlandschaft der Stadt. Und mit einem Twitter-Takeover ging es sogar neue Wege in Social Media…


Comics und „richtige Kunst“

Alle Künstler, die etwas Komisches schaffen, haben vermutlich irgendwann einmal mit dem Vorurteil zu kämpfen, ihre Kunst sei etwas Minderwertiges. Wenn man über etwas lacht, kann es nichts Seriöses sein und wenn etwas nicht seriös ist, kann es nicht gut sein. Diese Idee scheint noch immer in unserer Kultur fest verankert zu sein. Comics leiden dazu noch an einem weiteren formalen Stigma, um als „richtige Kunst“ anerkannt zu werden: Sie werden meistens auf billigem Papier gedruckt und der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Abgesehen davon, dass diese Vorurteile Unsinn sind, gibt es mindestens zwei Gründe, warum Comic-Zeichnungen eine wichtige Kunstform darstellen:

Die einfachen Mittel und die geringe Grundausbildung, die man braucht um Comics zu zeichnen, erlauben es vielen Menschen, Comics als Kreativitätsventil zu verwenden. Unter diesen Menschen befinden sich auch äußerst talentierte Künstler, die mit Comics jenseits von Konventionen arbeiten. Dazu kommt, dass die Satire als ein Spiegel für die Gesellschaft, in der sie produziert wird, funktioniert. Wenn man eine Gesellschaft verstehen möchte, sollte man ihre Comics verstehen.


Das caricatura museum frankfurt

Das caricatura museum zeigt natürlich überwiegend Karikaturen. Die Dauerausstellung präsentiert Werke von fünf Mitgliedern der Neuen Frankfurter Schule (eine Satirikerbewegung aus Mitarbeitern von den bereits erwähnten Zeitschriften Pardon und Titanic). Interessant ist, dass es sich eigentlich nicht um eine echte Dauerausstellung handelt. Die Künstler und die Räume bleiben, aber die Werke werden in regelmäßigen Abständen ausgetauscht. Die Sonderausstellungen wechseln ebenso häufig und widmen sich meistens dem Werk eines Künstlers.

Das Ausstellungskonzept

Was ist am caricatura museum so überraschend? Zum einen das Konzept, das hinter der räumlichen Aufteilung des Gebäudes steht. Die Dauerausstellung ist ganz oben im Gebäude untergebracht und die Sonderausstellung unten. Der Raum der Dauerausstellung wirkt kleiner und konservativer als die Räume der Sonderausstellung. Er ist weiß, rechtwinkelig und in sechs Bereiche aufgeteilt: der Überblicksbereich und einen Bereich pro Künstler. Der Raum der Dauerausstellung tut was er soll, aber er ist auf keinen Fall als Höhepunkt des Museums entworfen worden.

Der Höhepunkt ist der Raum für Sonderausstellungen, gleich hinter dem Eingang des Museums. Der historische Raum wird gestört durch eine kluge dunkle Konstruktion aus Holzbalken. Das Ganze hat zahlreiche Winkel und erstreckt sich über zwei Stockwerke. Die Ausstellmöglichkeiten sind alles außer monoton, nicht zuletzt durch die beweglichen Wände im Erdgeschoss. Dadurch kann ein Kontrast zwischen engeren und breiteren Räumen geschaffen werden. Der Raum kann sich gut an die Exponate anpassen und es gibt sogar eine Bühne für Veranstaltungen. Das Design bleibt aber bescheiden und gibt den Exponaten den Vorrang, den sie verdienen.

Ein Museum mit Stammgästen

Da es in Frankfurt andere Touristenmagnete gibt und das caricatura museum wohl nicht alle Kunstpilger, die es zum Überleben bräuchte, auf sich ziehen kann, braucht das Museum Stammgäste. Und davon scheint das Museum einige zu haben. Die Stammgäste werden durch die Wandelbarkeit des Museums, aber auch durch humane Eintrittspreise angelockt. Die sehr sympathischen Mitarbeiter tragen sicher außerdem dazu bei. Aber der Hauptgrund, warum man sich im Museum wohl fühlt, liegt an dem, was dort ausgestellt wird: Lustige Kunst über die die Besucher lachen können.


Das caricatura museum in Social Media

Auch in Social Media lohnt sich ein Blick auf das caricatura museum. Der eher kleine Museums-Account bei Twitter (@caricaturaffm) durchlief im Februar 2016 eine Transformation. Lange fristete der Account eine Art Untoten-Dasein, versorgt mit automatischen Inhalten aus Facebook und weitestgehend ohne Dialog. Mittlerweile wurde der Twitter-Account des Museums allerdings zum Leben erweckt: Statt Facebook-Resten gibt es nun den Karikaturisten BeCK – live, in Farbe, manchmal in Schwarz-Weiß, aber eben persönlich. Mit uns sprachen jetzt Achim Frenz, der Direktor des caricatura museum frankfurt, und BeCK, der nicht nur aktuell im Museum ausstellt, sondern der für dieses nun auch twittert.

Twitter-Takeover mit BeCK

Herr Frenz, das caricatura museum twittert seit Dezember 2012. Wieso wurde ursprünglich die Entscheidung getroffen, Twitter zu nutzen?

Achim Frenz: „Die Idee war ein junges Publikum anzusprechen, um das Durchschnittsalter der Besucher zu senken. Gleichzeitig wollten wir damit auch auf das junge Museum hinweisen und neue Formen der Kommunikation finden.“

Die neuen Formen der Kommunikation hatten aber so ihre Tücken. Die Inhalte des Accounts @caricaturaffm wurden in der Vergangenheit ja oft automatisch via Facebook synchronisiert. Ergebnis waren teilweise „abgebrochene Tweets“ mit fb.me/-Links oder auch etwas aussagelose Inhalte wie „Ich habe ein neues Foto auf Facebook gepostet“. Spielte Twitter neben Facebook für das Museum denn so eine untergeordnete Rolle?

Achim Frenz: „Wir haben das gesehen und waren mit der Synchronisierung mit Facebook nicht glücklich. Unsere Hauptaktivitäten laufen über Facebook und Twitter spielte tatsächlich eine untergeordnete Rolle. Wir dachten mit der Verknüpfung erreichen wir auch die Menschen, die mit Twitter unterwegs sind. Wir sind halt zu wenige, die das Museum am Laufen halten, sodass wir die Zeit nicht finden entsprechend nebenher die verschiedenen Plattformen zu bedienen. Der Traum einer eigenen Kommunikationsabteilung oder gar nur einer Stelle für Social Media im städtischen Kulturbetrieb ist undenkbar. Deshalb sind wir sehr froh, dass BeCK bei uns und für uns twittert.“

Wie kam es zu der Idee für das Twitter-Takeover?

BeCK: „Ich hatte aus einer Laune heraus dem Museum vorgeschlagen, „mittwittern“ zu dürfen. Der Account war mir zu leblos – wobei ich schon verstehe, dass die Museumsleitung andere Aufgaben hat, als auch noch zu twittern. Wir wissen ja alle, twittern kostet viel Zeit, wenn man es gut machen will und kein Celebrity ist. Aber ich hatte Lust drauf und twittere mit Vergnügen, sonst als @new_toon  und nun auch als @caricaturaffm.“

BeCK, du bis schon ziemlich lange bei Twitter aktiv…

BeCK: „Mit Twitter habe ich schon 2009 angefangen, mein erster Account hieß BECKintl. Daneben hatte ich mir damals schon einen „stummen“ Zweitaccount zugelegt, mit dem ich anfangs nur ‚lauschen‘ wollte… Der Plan war, mein Englisch zu verbessern und zu lernen, wie englische Muttersprachler im Alltag so sprechen. Bald habe ich aber bemerkt, was für ein unglaubliches Witzpotenzial Twitter bietet und angefangen, Tweets zu ‚illustrieren‘. Das mache ich bis heute, obwohl ich 2012 eine Twitter-Sinnkrise bekam und meinen damals schon recht erfolgreichen BECKintl Account löschte.“

Die Twitter-Sinnkrise ist aber jetzt überwunden. Was schätzt du mittlerweile an der Plattform besonders?

BeCK: „Anfang 2014 hatte ich einen kleineren Twitter-Erfolg, als nämlich der Betreiber des einflussreichen @twoptwips-Accounts, dessen Tweets ich bis dahin sehr oft ‚cartoonifizierte‘, anfragte, ob ich sein Buch illustrieren würde. Das Buch ‚Top Tips for Life‘ erschien 2014 bei Ebury Press/ Random House in London… So macht Twitter Spaß!

Ich twittere jetzt als @new_toon weiterhin ungerührt auf Englisch und versuche, ein bisschen meine [deutsche] Identität zu verschleiern. Aber die Leute sind ja nicht doof – mein Englisch ist eben doch immer wieder ziemlich Deutsch. Wenn ich Muttersprachler wäre und viel mehr twittern würde, hätte ich – da bin ich mir ganz sicher – definitiv mehr Follower. Aber darauf kommt es mir eigentlich gar nicht an. Es macht mir, ehrlich gesagt, etwas mehr Spaß mit den „Engländern“ zu twittern, die sind oft sehr schnell und witzig und meist unglaublich herzlich. Habe mich auch schon in London mit ‚Twitter-Freunden‘ im Pub getroffen… ein Vergnügen!“

Mittlerweile hast du mit @new_toon fast 6.000 Follower – das Museum hat hingegen nur rund 700. Welche Tipps hast du für das Museum?

BeCK: „Meine Tipps für @caricaturaffm sind die üblichen: Keine synchronisierten Inhalte, sondern lebendige Tweets posten; mit Leuten reden; auch mal retweeten, faven sowieso; nicht so vielen News-Kanälen folgen, sondern mehr richtigen, aktiven Accounts; sich einen einflussreichen Mäzen suchen, der sehr viele Follower hat. Bei mir als @new_toon war das damals @NeinQuarterly: Wir mochten uns von Anfang an und ein Retweet von ihm bringt mir immer wieder neue Follower….

Aber man darf natürlich nie vergessen: Die Einzigen, die Nutzen von uns Twitterern haben, sind die „Besitzer“ von Twitter. Und man darf nicht vergessen, dass twittern Arbeit ist. Es kostet Zeit, viel Zeit, die man genau so gut woanders investieren könnte, z.B. in die Familie…“

Wie wird es mit dem Account des Museums nach dem Twitter-Takeover weiter gehen?

BeCK: „Ich fänd es genial, wenn es zu einem Job werden könnte, aber wer weiß, vielleicht hat der nächste Künstler auch Ambitionen…. Mein ehrgeiziges Ziel ist es jedenfalls, für das Museum bis Juni wenigstens 1.000 Follower eingesammelt zu haben.“

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Angelika Schoder.


caricatura museum frankfurt

BeCK – 11.02. – 12.06.2016

musermeku dankt dem historischen museum frankfurt für die Einladung zum Besuch des Museums und für die Übernahme der Kosten der Reise.


Header-Bild: caricatura museum frankfurt – Angelika Schoder, 2019


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Damian Moran Dauchez

Bei musermeku schreibt Damián Morán Dauchez über Geschichtsthemen, Ausstellungs- und Museumsdesign sowie über Erinnerungskultur.

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