[Debatte] Im Kulturbereich, gerade in Museen, werden Stellen häufig nur befristet ausgeschrieben. Angefangen beim Volontariat, das maximal 24 Monate dauert, bis hin zu befristeten Stellen für Ausstellungs- oder Forschungsprojekte – für Kulturschaffende bedeutet das eine enorme Unsicherheit. Befristungen haben verschiedene Gründe. Für Museen bedeuten sie oft maximale Flexibilität, besonders was die Planbarkeit von Lohnkosten angeht. Wenn nicht klar ist, wie die Finanzierung eines Museums in den nächsten Jahren aussieht, kommt es gelegen, wenn Mitarbeiter immer nur nach Bedarf oder nach finanziellen Ressourcen beschäftigt werden können. Was für die Arbeitgeberseite in der Kultur also eine Notwendigkeit zu sein scheint, ist für die Arbeitnehmerseite ein großes Problem. Wir sprachen darüber mit der Historikerin Juliane Haubold-Stolle, die sich dafür einsetzt, dass sich befristet Beschäftigte im Museumsbereich besser vernetzen. Mittlerweile wurde „Geschichte wird gemacht“ gegründet, das Netzwerk für faire Arbeitsbedingungen in Museen und Gedenkstätten.
Ein Dilemma zwischen Flexibilität und Unsicherheit
Juliane Haubold kennt die Situation gut, in der sich zahlreiche Geisteswissenschaftler befinden, die im Kulturbereich tätig sind. Die Historikerin hat selbst schon mehrere befristete Stellen hinter sich, etwa als Projektleiterin der Ausstellung „1914–1918. Der Erste Weltkrieg“ am Deutschen Historischen Museum in Berlin oder in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde der Stiftung Berliner Mauer. Ihr ist bewusst, dass sich befristete Stellen in Museen nicht vermeiden lassen, solange für die Kulturinstitutionen keine ausreichende Anzahl von unbefristeten Stellen finanziert bzw. bewilligt wird.
Immerhin gibt es auch positive Aspekte von temporären Stellen, denn neues Personal kann neue Ideen mit in eine Institution einbringen und so wird ein Austausch von Perspektiven angeregt. Aber: „Die Befristungen dürfen nicht zu kurz sein und sie müssen gut begründet werden“, so Haubold. „Es sollte möglich sein, auch ein zweites Mal an einer Institution eine befristete Stelle zu bekommen. Und ich denke, dass der wissenschaftliche, didaktische Mittelbau in den Museen viel zu klein ist und die Museen mehr Dauerstellen brauchen.“ Zudem kritisiert die Historikerin, dass Museen häufig eher auf die Arbeitsbedingungen ihrer Festangestellten achten und Projektmitarbeiter hier kaum berücksichtigt werden.
Gerade im Kulturbereich sind befristete Stellen weit verbreitet. Neben Befristungen mit Sachgrund, z.B. bei Schwangerschaftsvertretungen oder saisonalen Festivals, gibt es noch sogenannte sachgrundlose Befristungen und projektgebundene Stellen, die dennoch sachgrundlos befristet werden. Projektbezogene Befristungen können dann sinnvoll sein, wenn Experten an unterschiedlichen Museen an verschiedenen Projekten arbeiten, sei es in den Ausstellungen, Bildungsangeboten oder auch in den anderen Querschnittsbereichen, wie etwa Öffentlichkeitsarbeit. Nach Haubolds Einschätzung entsteht aber dann ein Problem, wenn die Museen auch die projektbezogenen Befristungen als sachgrundlose Befristungen organisieren: „Die momentane Rechtsprechung besagt, dass nur eine sachgrundlose Befristung bei einem Arbeitgeber erlaubt ist. Das heißt, eine Person kann nur genau ein einziges Mal an einem Museum ein Projekt bearbeiten. Danach ist keine weitere befristete Beschäftigung mehr möglich – selbst dann nicht, wenn die Person eigentlich die Geeignetste für diesen Job wäre.“ Und die Alternative zur befristeten Beschäftigung ist eben nicht die Dauerstelle, sondern die Vergabe über Werkverträge.
Befristete Stellen als eine Folge von Sparmaßnahmen
Sachgrundlose Befristungen sind nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) besonders bei Neueinstellungen vorgesehen. Deshalb sind Museen quasi gezwungen so vorzugehen, wenn sie keine unbefristeten Stellen bewilligt bekommen. Um die sachgrundlose Beschäftigung von Mitarbeitern aufrechterhalten zu können, müssen die Institutionen immer wieder neue Projektmitarbeiter einstellen, denn dann handelt es sich um die vom Gesetzgeber geforderte Neueinstellung. Anstatt eine längerfristig benötigte Aufgabe oder ein umfangreicheres Projekt über einen erforderlichen Zeitraum von nur einem Experten betreuen zu lassen, muss also regelmäßig immer wieder die Person ausgetauscht werden, um nicht gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz zu verstoßen.
Insbesondere sachgrundlose Befristungen, die nicht projektbezogen sind, sondern auf denen letztlich Daueraufgaben bearbeitet werden, etwa im Bereich Veranstaltungen oder Öffentlichkeitsarbeit, sieht Haubold grundsätzlich als problematisch an: „Spätestens alle zwei Jahre muss dann die Stelle neu besetzt werden. Das erfolgt normalerweise nicht nahtlos, d.h. zeitweise ist die Stelle nicht besetzt. Jede neu eingestellte Person muss sich dann wieder komplett neu einarbeiten. So geht den Museen wertvolles institutionelles Wissen verloren.“
Generell sei es in Deutschland schwer, öffentliche Zuwendungsgeber (Land, Bund oder Kommune) davon zu überzeugen, Dauerstellen für Museen zu schaffen, so Haubold. „Die sachgrundlose Befristung von Daueraufgaben resultiert aus einem Sparprogramm. Es gibt hierzulande nur wenige Institutionen, die jede Menge neue Stellen bewilligt bekommen, z.B. das Humboldt-Forum. Die Bedingungen für andere Institutionen sind problematisch, besonders in der Berliner Museumslandschaft“, stellt die Historikerin fest. „Diese Art von sachgrundlosen Befristungen gibt es nur deswegen, weil die öffentliche Hand die Museen lange Zeit klein gespart hat. Es fehlen einfach Dauerstellen in Museen, besonders in den kommunalen Museen. Aber auch in Bundeseinrichtungen gibt es (unterhalb der Leitungsebene) zu wenig Dauerstellen.“
Perspektiven für befristete Mitarbeiter in Museen
Waren in der jüngsten Vergangenheit noch befristete Stellen für zwei Jahre im Museumsbereich eher die Regel, scheinen jetzt für immer kürzere Abstände Stellen ausgeschrieben zu werden. Man findet mittlerweile Museumsstellen, die auf zwölf oder sechs Monate befristet sind. Die Verkürzung der Befristungen ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn ein Projekt wirklich innerhalb von wenigen Monaten abgeschlossen werden kann. „Das ist aber nur selten der Fall“, so Haubold. „Entweder nutzen Arbeitgeber diese kurzen Befristungen als bequemes Mittel, um Angestellte ‚motiviert‘ zu halten – oder aber es ist eine Art von Lohndumping. Wo früher eine große Ausstellung auch mal drei Jahre Vorbereitungszeit hatte, hat sie heute oft nicht einmal mehr zwei Jahre, manchmal sogar nur ein Jahr oder anderthalb.“
Diese Situation setzt Mitarbeiter unter Stress, denn jede neue Stelle an einer neuen Institution heißt, dass man sich neu einarbeiten muss. Je kürzer die Beschäftigung, umso mehr Zeit geht also für die eigentliche Arbeit verloren. Auch aus Sicht der Museen ist dieses Vorgehen eigentlich höchst ineffektiv. Letztendlich geht dieses Konzept der Befristung aber besonders zulasten der Arbeitnehmer. „Für die Lebensplanung der Beschäftigten sind kurze Befristungszeiten besonders problematisch. Je kürzer die Beschäftigungszeit, desto schwieriger wird irgendeine Art von Planung. Besonders die Familienplanung wird so unmöglich“, kritisiert Haubold.
Welche Möglichkeiten haben Museumsmitarbeiter also, mit dieser Situation der Befristungen umzugehen? Wenn kein Sachgrund vorliegt, gibt es in Einzelfällen die Möglichkeit der Klage, berichtet Haubold. Wenn man unter zwei Jahren und nur einmal einen Vertrag bei einem Arbeitgeber hatte, bestehe allerdings keine Möglichkeit. „Viele Museen sind sehr vorsichtig geworden, damit sich niemand einklagen kann“, so Haubold. Genau deshalb setzt sich die Historikerin jetzt dafür ein, dass sich Betroffene in einer Initiative organisieren. „Nach dem Ende des Volontariats gibt es keine berufliche Vertretung für uns, die wir nur zeitweise in Museen arbeiten. Wir sind sehr verstreut, eben immer nur kurzfristig in wechselnden Institutionen beschäftigt und so fallen wir als Berufsgruppe für die Gewerkschaften durchs Raster. Erst wenn wir anfangen uns zu organisieren, können wir überhaupt Gehör finden“, betont Haubold.
Wer im Volontariat oder darüber hinaus im Museumsbereich ebenfalls nur befristet beschäftigt ist und Interesse hat, sich in einer Interessenvertretung zu organisieren: Das Netzwerk „Geschichte wird gemacht“ setzt sich für faire Arbeitsbedingungen in Museen und Gedenkstätten ein.
Header-Bild: Angelika Schoder – Tate Britain, London 2018
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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