[Rezension] Mit der Ausstellung „Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung“ wirft das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster einen Blick auf die wechselseitigen Beziehungen der nach Amerika emigrierten Bauhaus-Akteure zu amerikanischen Kunstschaffenden. Im Zentrum der Ausstellung stehen dabei besonders die Licht- und Bewegungsexperimente, die – ausgehend von der Bauhausbühne – nicht nur die bildende Kunst, sondern auch Film und Fotografie bis hin zu Tanz- und Performancekunst beeinflusst haben. Begleitend zur Ausstellung ist im Kerber Verlag ein Ausstellungskatalog erschienen, der Werke von rund 50 Kunstschaffenden vorstellt. Leider kommen die Künstlerinnen hier aber zu kurz – im Fokus stehen die Männer.
Die Bauhaus-Frauen
Am Bauhaus studierten in Weimar, Dessau und Berlin insgesamt 462 Frauen. Lange wurden sie marginalisiert – zum 100. Jubiläum rücken sie jetzt wieder in den Fokus. So widmeten die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20 und die Tate in London Anni Albers unlängst eine Einzelausstellung. Und das Erfurter Angermuseum stellt vom 24. März bis 16. Juni 2019 vier Künstlerinnen in der Ausstellung „Bauhausmädels“ vor. Der Titel der Ausstellung ist dabei, auch wenn es aus heutiger Perspektive so scheint, nicht despektierlich gemeint. In den 1920er Jahren sollte der Begriff „Bauhausmädel“ ein Etikett für Modernität und Avantgarde sein.
Die Zeitschrift Die Woche typisierte die Frauen des Bauhaus als „Mädchen, die etwas lernen wollen“ – daher der Titel der Ausstellung, die sich auf Gertrud Arndt (1903-2000), Marianne Brandt (1893-1983), Margarete Heymann (1899-1990) und Margaretha Reichardt (1907-1984) konzentriert. Parallel zeigt die Kunsthalle Erfurt vom 18. April bis 14. Juli 2019 eine Ausstellung zu „Bauhaus Frauen“ mit Werken von Lehrerinnen und Absolventinnen der Bauhaus-Universität Weimar.
Von den historischen 462 Frauen des Bauhaus hatten nicht alle Studentinnen ihr Studium beendet. Nicht alle wurden danach erfolgreich im Beruf. Doch einige hatten eine bemerkenswerte Karriere – auch in den USA. Schließlich zeigten sich auch amerikanische Künstlerinnen vom Bauhaus beeinflusst. Dies macht die Ausstellung „Bauhaus und Amerika“ im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster deutlich, auch wenn man im Ausstellungskatalog erst sehr genau nach den Künstlerinnen suchen muss.
Impulsgeberin des Bauhaus
Die Textilkünstlerin Anni Albers
Anni Albers (1899-1994, gebürtige Annelise Fleischmann) bewarb sich zunächst erfolglos am Bauhaus. Ihre zweite Bewerbung verlief jedoch erfolgreich und so konnte sie 1922 ihr Studium in Weimar beginnen. Als Schülerin von Paul Klee (1879-1940) und Wassily Kandinsky (1866-1944) widmete sich Anni Albers in ihrem Studium vor allem dem Ausdruckspotenzial von Farben und einfachen geometrischen Formen. Nach ihrem Abschluss 1930 leitete von 1931 bis 1933 am Bauhaus in Dessau die Weberei.
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten emigrierte sie mit ihrem Mann Josef Albers (1888-1976) in die USA und begann am Black Mountain College in North Carolina zu unterrichten. Hier baute sie die Webwerkstatt auf und arbeitete nicht nur in der Lehre, sondern war auch künstlerisch tätig. Anni Albers war bekannt für ihre Kompositionen aus geometrischen Mustern, die durch gerade Linien und eine kräftige Farbgebung hervorstachen. Beeinflusst wurde ihr Stil nach ihrer Emigration besonders durch Eindrücke aus Mexiko und Kuba. Beide Länder besuchte sie 1935. Sie war fasziniert von traditionellen Webmustern, die sie in den folgenden Jahren bei 13 weiteren Reisen nach Lateinamerika studierte.
1949 veranstaltete das Museum of Modern Art in News York eine erste Retrospektive. Anni Albers war damit die erste Textilkünstlerin, die hier eine Einzelausstellung erhielt. Im Anschluss wurde die Ausstellung in 26 weiteren Museen in den USA und in Kanada gezeigt.
Ab 1963 begann Anni Albers auch mit Drucktechniken zu experimentieren. Sie beschäftigte sich mit Lithografie, Siebdruck und diversen Tiefdruck-Techniken. Auch Offsetdruck und fotografische Verfahren interessierten die Künstlerin. Besonders ihre Werke mit sich wiederholenden Mustern und kontrastreichen Farben stechen hier hervor. Albers schuf geradezu rhythmische, sich bewegende zweidimensionale Werke der Op Art, die zahlreiche Kunstschaffende späterer Generationen beeinflusste, etwa die Amerikanische Künstlerin Tauba Auerbach (*1981). [1]
Dokumentarin des Bauhaus
Die Fotografin Lucia Moholy
Die Tschechin Lucia Moholy (1894-1989, gebürtige Schulz) lernte nach ihrem Studium in Prag 1920 in Berlin den Künstler László Moholy-Nagy (1895-1946) kennen. Ein Jahr später heirateten sie. Als ihr Ehemann 1923 ans Bauhaus berufen wurde, folgte Lucia Moholy ihm nach Weimar. Sie nahm hier jedoch kein Studium auf, sondern besuchte von 1925 bis 1926 die Akademie für Grafische Künste und Buchgewerbe in Leipzig. Hier vertiefte sie ihre fotografischen und drucktechnischen Kenntnisse.
Bis zur Trennung von László Moholy-Nagy unterstützte Lucia Moholy ihren Mann als Lektorin, etwa bei den „Bauhausbüchern“. Darüber hinaus war sie für das Bauhaus besonders als Dokumentarin wichtig, da sie das Schaffen der Akteure hier fotografisch begleitete. Damit prägte sie bis heute maßgeblich die Rezeption der Kunstschule, etwa durch ihre Fotos verschiedener Bühnenbilder und Inszenierungen.
Von 1929 bis 1931 unterrichtete Lucia Moholy an Johannes Ittens privater Kunsthochschule. 1933 floh die Tschechin mit jüdischen Wurzeln nach London, wo sie als Fotografin und Dozentin für Fotografie arbeitete. Ab 1940 war sie an wissenschaftlichen Dokumentationen beteiligt und berichtete ab 1946 auch regelmäßig über das Bauhaus. Dabei nahm sie jedoch stets eine kritische Haltung gegenüber der Kunstschule und ihren Akteuren ein.
Transformatorin der Bauhaus-Theorien
Die Filmemacherin Mary Ellen Bute
Mary Ellen Bute (1906-1983) studierte zunächst an der Pennsylvania Academy of Art in Philadelphia Malerei und später Theaterbeleuchtung in New York und an der Yale School of Drama in New Haven. Bereits in den 1920er Jahren begann Mary Ellen Bute das Medium Malerei zu hinterfragen. Sie setzte sich stattdessen mit den Möglichkeiten einer kinetischen Kunst in Verbindung mit Musik auseinander. Ab 1933 arbeitete sie experimentell mit Film; ihre Werke bezeichnete sie als „Seeing Sound“. Als Inspiration dienten ihr Arbeiten von Oskar Fischinger (1900-1967). Von ihm hatte Mary Ellen Bute bereits Anfang der 1930er Jahre einen Kurzfilm im Kino gesehen, der sie nachhaltig beeindruckt hatte.
Ein besonderer Einfluss waren für sie aber die Werke und Theorien von Wassily Kandinsky. Sie schrieb über ihn: „He used abstract, nonobjective elements so you could experience a canvas the way you experience a musical composition […] [but] these things should be unwound in time continuity. It was a dance. That became my [objective].“ [2]
Von Mary Ellen Bute stammt der wahrscheinlich erste rein abstrakte Film der amerikanischen Avantgarde, der in den USA öffentlich aufgeführt wurde: „Rhythm in Light“ (1934). Die für sie optimale Symbiose von Farbe, Musik und Bewegung erreichte sie jedoch erst 1939 in ihrem sogenannten „Filmballett“ mit dem Titel „Spook Sport“. Als eine der ersten experimentellen Filmkünstlerinnen der USA wurde sie in den 1950er Jahren zum Gründungsmitglied der Women’s Independent Film Exchange. [3]
Der Begleitband zur Ausstellung „Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung“, herausgegeben von Hermann Arnold für das LWL-Museum für Kunst und Kultur, ist 2018 im Kerber Verlag erschienen (ISBN: 978-3-7356-0508-5). Der Band enthält, neben zahlreichen Werk-Abbildungen, Biografien, einer Werkliste sowie einer Übersicht zu weiterer Literatur, Texte von Kristin Bartels, Ulrike Gärtner, Torsten Blume, Tanja Pirsig-Marshall, Julie Jones, Eline van Dijk, Gail B. Kirkpatrick, Andreas Hapkemeyer, Jeannette Redensek, Marijke Lukowicz und Márton Orosz.
Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung
LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster
09.11.2018 – 10.03.2019
musermeku dankt dem Kerber Verlag für die kostenfreie Überlassung des Ausstellungskatalogs als Rezensions-Exemplar.
Header-Bild: Detail aus: New York vom R.C.A. Building aus gesehen, vermutl. Wouter Cool (1936) – Rijksmuseum, RP-F-2004-285-13 – Public Domain
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
Fußnoten
[1] Tanja Pirsig-Marshall: Das stimulierte Auge: Josef Albers und die amerikanische Op Art, In: Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung, Hg.v. Hermann Arnold für das LWL-Museum für Kunst und Kultur, Kerber Verlag 2018, S. 52-63, hier S. 58
[2] Mary Ellen Bute: Statement I, In: Gerald O’Grady und Bruce Posner: Articulated Light. The Emergence of Abstract Film in America, 1995, S. 8 – Zitiert nach: Kristin Bartels: Rhythm and Light: Der Absolute Film in Deutschland und den USA, In: Bauhaus und Amerika, S. 74-85, hier S. 83
[3] Kristin Bartels: Rhythm and Light: Der Absolute Film in Deutschland und den USA, In: Bauhaus und Amerika, S. 74-85, hier S. 82f
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