[Pressereise] Die Impulse, die das Staatliche Bauhaus in der Kunst und Architektur setzte, wirken bis heute nach. Doch auch im Design von Alltagsgegenständen war die 1919 gegründete Hochschule wegweisend. Die Künstler und Handwerker des Bauhaus waren auf der Suche nach einer neuen Formensprache, die den Anforderungen von Industrie und Massenproduktion genügen sollte. Die Entwürfe, die in Weimar, Dessau, Berlin und darüber hinaus entstanden, hatten eines gemeinsam: sie waren nicht nur nützlich, sondern auch schön. Diesem Produktdesign von 1920 bis 1940 widmet das LVR-Industriemuseum im Peter-Behrens-Bau in Oberhausen nun seine aktuelle Sonderausstellung.
Der Wandel der Warenwelt
Die Entwicklung neuartiger Materialien in den 1920er Jahren machte auch eine neue Formensprache möglich. Kunststoffe wie PVC, Nylon, Perlon und Plexiglas ergänzten plötzlich das bis dahin bekannte Material Phenoplast bzw. Bakelit. Zahlreiche Plastik-Produkte eroberten nun den Haushalt. Aber in den 20ern setzte nicht nur eine „Plastifizierung“ ein. Auch der bereits 1912 von der Fried. Krupp AG zum Patent angemeldete rostfreie Stahl eröffnete zahlreiche neue Möglichkeiten für den Einsatz im Alltag. Industriell hergestelltes und massenhaft verarbeitetes Aluminium wurde zum „Metall der Moderne“.
Neben neuen Materialien konnten sich aber auch traditionelle Werkstoffe wie Holz, Glas oder Keramik weiterhin behaupten. Einige der erfolgreichsten Bauhaus-Produkte wurden aus Glas oder Keramik gefertigt, z.B. die Kaffeemaschine „Sintrax“ von Gerhard Marcks oder die seriell gefertigten Geschirr-Stücke von Otto Lindig. Durch neue Produktgestaltung erlebten die herkömmlichen Materialen eine Renaissance, ob alleine oder in Kombination mit den neuen Stoffen.
Schöner Wohnen im 20. Jahrhundert
Neue Produktdesigns breiteten sich ab den 1920er Jahren im ganzen Haushalt aus. Die industriell gefertigten Möbel, Küchenutensilien, Schmuck oder Wohnaccessoires waren für viele Menschen erschwinglich. Für ein völlig neues Wohngefühl sorgten verchromte Stahlrohrmöbel, etwa der Stuhl „Wassily“ von Marcel Breuer. Auch die schlichten und zweckmäßigen Entwürfe der Deutschen Werkstätten Hellerau waren wegweisend in ihrem Design. Die Küche wurde von Töpfen aus Aluminium erobert und das Wohnzimmer wurde mit dem Staubsauer „Saugling“ aus Bakelit und verchromtem Metall in Ordnung gehalten. Das „gute Porzellan“ wich dem praktischen Geschirr aus einfachem Pressglas. Doch Glas durfte auch kunstvoll ausfallen, etwa wenn es von Wilhelm Wagenfeld gestaltet wurde.
Für Wärme sorgte der Dauerbrandofen von Bauhaus-Gründer Walter Gropius und Spielspaß garantierte der Metallbaukasten „Elex“ von Märklin. Wenn es zum Ausgehen abends etwas glamouröser sein durfte, schlüpfte die Dame in ein Tanzkleid mit funkelnden Pailletten aus Celluloid. Ein Erinnerungsfoto wurde mit dem Fotoapparat „Agfa Box 14“ festgehalten. Dieser wurde, aufgrund seiner Beschaffenheit aus dem Press-Kunststoff Trolit, auch als „Trolix“ bekannt.
Doch auch außerhalb der Wohnung waren neue Werkstoffe und innovatives Design auf dem Vormarsch. Automobile und Motoren wurden aus Aluminium gefertigt, ebenso wie Propeller für Flugzeuge und Bauelemente für Zeppeline.
Typisch Bauhaus: nützlich & schön
Die Einflüsse des Staatlichen Bauhaus zeigten sich auch jenseits von Weimar, Dessau und Berlin, wie die Ausstellung „nützlich & schön“ unter Beweis stellt. Besonders im Westen Deutschlands wurden die Mode, das Kunstgewerbe, die Wohnungsgestaltung, der Arbeitsalltag oder die Freizeit geprägt. Konsum- und Investitionsgüter wurden nicht mehr nur auf ihre Funktionalität reduziert, sondern es entwickelte sich auch ein gewisser Anspruch an Ästhetik. Im Hintergrund stand dabei immer das Ziel, dass die Produkte nicht nur einer kleinen wohlhabenden Schicht vorbehalten blieben. Auch für die breite Bevölkerung sollten die Produkte erschwinglich sein. Es war der Versuch einer grundsätzlichen Demokratisierung von Design.
Die Ausstellung des LWL-Industriemuseums im Peter-Behrens-Bau in Oberhausen, die im Rahmen von „100 jahre bauhaus im westen“ stattfindet, zeigt hierzu rund 500 unterschiedliche Gebrauchsgegenstände aus allen Lebensbereichen. Von Haushalt und Wohnen oder Hygiene über Freizeit und Mobilität bis hin zu Arbeit und Produktion wird nachvollziehbar, wie sich das Produktdesign von den 1920er bis zu den 1940ern veränderte.
Der Leitgedanke war es, die Gestaltung der industriell geprägten Warenwelt mit künstlerischen Ausdrucksformen zu verbinden. Die Entwicklung einer neuen Formensprache, ermöglicht durch neuartige Materialien und Verarbeitungstechniken, wurde von den Designern, Handwerkern und Künstlern nicht nur als kulturelle, sondern auch als eine gesellschaftliche Aufgabe begriffen. Die Gegenstände, mit denen Menschen tagtäglich in Berührung kommen, sollten eben nicht nur nützlich sein, sondern auch schön. So wurde damit begonnen, das Leben in allen Facetten zu gestalten.
nützlich & schön. Produktdesign von 1920 bis 1940
LVR-Industriemuseum
Peter-Behrens-Bau
19.05.2019 – 23.02.2020
musermeku dankt Tourismus NRW für die Einladung zum Besuch des Museums und für die Übernahme der Kosten der Reise.
Bilder: Angelika Schoder – LVR-Industriemuseum, Peter-Behrens-Bau, 2019
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Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.
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