Der Englische Friedhof in Florenz: Arnold Böcklins „Toteninsel“

Arnold Böcklins Gemälde „Die Toteninsel“ zählt zu den wichtigsten Motiven des Symbolismus und inspirierte Künstler wie Dalí und HR Giger. Vorbild ist der Cimitero degli Inglesi, der Englische Friedhof in Florenz.

Arnold Böcklins Gemälde "Die Toteninsel" zählt zu den wichtigsten Motiven des Symbolismus. Vorbild ist der Cimitero degli Inglesi, der Englische Friedhof in Florenz.

[Reise-Tipp] Die „Toteninsel“ zählt zu den berühmtesten Werken des Schweizer Malers Arnold Böcklin (1827-1901) und gilt als eines der wichtigsten Motive des Symbolismus. Das Bild, das in einer ersten Version im Jahr 1880 entstand und eine mit hohen Zypressen bewachsene Felseninsel zeigt, der sich eine verhüllte Gestalt auf einem Boot nähert, hat seit dem 19. Jahrhundert bis heute zahlreiche Werke inspiriert. So diente Böcklins Bild als Anregung für knapp dreißig Kompositionen Klassischer Musik, allen voran Sergei Rachmaninows „Die Toteninsel, Tondichtung für großes Orchester op. 29“ (1909). Das Motiv der „Toteninsel“ wird auch in diversen Werken der Literatur und in Filmen zitiert, von Friedrich Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker“ (1950) oder Christian Krachts „Imperium“ (2012), bis hin zu Filmen wie „Walked with a Zombie“ (Jaques Tourneur, 1943) oder „Alien: Covenant“ (Ridley Scott, 2017). Und Schließlich haben sich auch zahlreiche Kunstschaffende durch Böcklins „Toteninsel“ inspirieren lassen, etwa Max Klinger, Karl Wilhelm Diefenbach, Salvador Dalí oder HR Giger. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Arnold Böcklin ein reales Vorbild für seine „Toteninsel“ hatte, und zwar den Cimitero degli Inglesi, den wohl schönste Friedhof in Florenz.


Arnold Böcklin: Die Toteninsel (Erste Fassung, 1880) - Kunstmuseum Basel
Arnold Böcklin: Die Toteninsel (Erste Fassung, 1880) – Kunstmuseum Basel – gemeinfrei
Arnold Böcklin: Die Toteninsel (Fassung für Marie Berna, 1880) - Metropolitan Museum of Art
Arnold Böcklin: Die Toteninsel (Fassung für Marie Berna, 1880) – Metropolitan Museum of Art – Public Domain, bearbeitet

Arnold Böcklins „Die Toteninsel“

Böcklin malte „Die Toteninsel“ in insgesamt fünf verschiedenen Fassungen. Die ersten beiden Versionen gehören dabei eng zusammen, da sie beide für einen privaten Auftrag entstanden. Das erste Gemälde, das sich heute in der Sammlung des Kunstmuseum Basel befindet, schuf Böcklin im Frühjahr 1880 in seinem Atelier in Florenz. Es war ein Auftrag seines Mäzens Alexander Günther. Kurz darauf begann Böcklin mit einer zweiten, kleineren Version. Anlass war der Besuch der jung verwitweten Marie Berna im April 1880. Sie hatte sich bei Böcklin ein „Bild zum Träumen“ gewünscht. Diese zweite Fassung befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York. Nachdem Böcklin das Bild am 23. Juni 1880 an Marie Berna geschickt hatte, schrieb er ihr:

„Sie werden sich hineinträumen können in die dunkle Welt der Schatten, bis Sie den leisen, lauen Hauch zu fühlen glauben, […] den das Meer kräuselt. Bis Sie Scheu haben, die feierliche Stille durch ein lautes Wort zu stören.“ [1]

Arnold Böcklin, 29. Juni 1880

Die dritte Fassung des Bildes entstand 1883 im Auftrag des Berliner Kunsthändlers Fritz Gurlitt und befindet sich heute in der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. Die vierte Version von 1884 wurde vom Kunstsammler Heinrich Baron Thyssen erworben und gilt als im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört; die fünfte Fassung von 1886 wurde für das MdbK – Museum der bildenden Künste Leipzig gemalt, wo das Bild bis heute zur Sammlung gehört.


Der Cimitero degli Inglesi, der Englische Friedhof in Florenz, wurde 1827 eröffnet und war bis 1877 in Betrieb.
Der Cimitero degli Inglesi, der Englische Friedhof in Florenz, wurde 1827 eröffnet und war bis 1877 in Betrieb. Doch auch danach wurden noch vereinzelt Menschen hier bestattet.
Der Friedhof wurde von Carlo Reishammer entworfen. Er liegt auf einer Verkehrsinsel am Piazzale Donatello, einem flachen Hügel, der mit hohen Zypressen bewachsen ist.
Der Friedhof wurde von Carlo Reishammer entworfen. Er liegt auf einer Verkehrsinsel am Piazzale Donatello, einem flachen Hügel, der mit hohen Zypressen bewachsen ist.

Der Englische Friedhof in Florenz

Wer das reale Vorbild zu Böcklins ikonischen Werken besuchen möchte, muss sich nach Florenz begeben. Am Rande der historischen Innenstadt liegt hier der Cimitero degli Inglesi, der „Friedhof der Engländer“. Offiziell heißt der Protestantische Friedhof Porta a’ Pinti, ein Name der auf seine Entstehung im Jahr 1827 verweist. Damals lag das Gelände noch außerhalb des gleichnamigen Stadttores und der Stadtmauer. Beide Strukturen wurden später abgerissen, um Platz für die neue Stadtplanung zu schaffen. Bis dahin gehörte das leicht ansteigende Grundstück zu einem abgelegenen Teil der Stadt. Es wurde von der Evangelisch-Reformierten Kirche der Schweiz von der Großherzoglichen Verwaltung unter Leopold II erworben, um der wachsenden protestantischen Gemeinde in Florenz sowie orthodoxen Christen eine Begräbnisstätte zu bieten. Bis dahin konnten diese, wenn sie in Florenz starben, nur im ca. hundert Kilometer entfernten Livorno beigesetzt werden.

Der Friedhof, der auf einem mit hohen Zypressen bewachsenen Hügel liegt, wurde von Carlo Reishammer entworfen. Zwei Wege, die sich im rechten Winkel kreuzen, teilen das Gelände in vier Bereiche; an der Kreuzung dieser Wege, auf dem höchsten Punkt der „Insel“, steht eine Säule mit einem Steinkreuz, die Friedrich Wilhelm IV. von Preußen im Jahr 1858 errichten ließ. Die heutige ovale Form des Friedhofs wurde durch den Architekten Giuseppe Poggi angelegt. Dies geschah, als Florenz ab 1865 Hauptstadt Italiens wurde und man die mittelalterlichen Stadtmauern abriss, um stattdessen die neuen Ringstraßen (Viali di Circonvallazione) anzulegen. Seit dieser Zeit liegt der Friedhof auf einer Verkehrsinsel am Piazzale Donatello. Auf dem Friedhof befinden sich über 1.400 Gräber, darunter Persönlichkeiten aus Kunst, Wirtschaft und Politik aus 16 Nationen. Da hier besonders viele Menschen aus England ihre letzte Ruhe fanden, etablierte sich bald der Name „Friedhof der Engländer“.


Auf dem Englischen Friedhof in Florenz befinden sich über 1.400 Gräber.
Auf dem Englischen Friedhof in Florenz befinden sich über 1.400 Gräber, darunter Persönlichkeiten aus Kunst, Wirtschaft und Politik aus 16 Nationen.
Böcklins Motiv der "Toteninsel" - und damit auch der Friedhof in Florenz - beeinflussten viele weitere Kunstschaffende.
Böcklins Motiv der „Toteninsel“ – und damit auch der Friedhof in Florenz – beeinflussten viele weitere Kunstschaffende, von Sergei Rachmaninow bis Salvador Dalí oder HR Giger.

Bekannte Persönlichkeiten auf dem Cimitero degli Inglesi

Zwischen den Grabsteinen finden sich zahlreiche Namen, die an die internationale Kulturszene des 19. Jahrhunderts erinnern. Besonders bekannt ist das Grab der britischen Dichterin Elizabeth Barrett Browning, die Florenz zu ihrer Wahlheimat machte. Ihr Haus, die Casa Guidi an der Piazza San Felice, kann bis heute besichtigt werden. Ihr neoklassizistischer Sarkophag, gestaltet vom Bildhauer Sir Frederic Leighton, zählt zu den eindrucksvollsten Denkmälern des Friedhofs. Auch andere bekannte Persönlichkeiten fanden hier ihre letzte Ruhestätte: der Schriftsteller Walter Savage Landor, die Familie Trollope und der Arzt Thomas Southwood Smith. Viele der hier beigesetzten Briten kämpften in den Napoleonischen Kriegen in Italien und bei Waterloo.

Unter den rund hundert Amerikanern, die hier begraben liegen, sind die Abolitionisten Theodore Parker, Richard Hildreth und Hiram Powers. Letzterer schuf die berühmte Skulptur „Die griechische Sklavin“, die zum Symbol des Kampfes gegen die Sklaverei wurde. Bemerkenswert ist auch das Grab von „Nadezdha“, ihr Name bedeutet „Hoffnung“. Sie war eine ehemalige Schwarze Sklavin, die von einer orthodoxen Familie adoptiert wurde. Ihr Grab ist an einem orthodoxen Kreuz erkennbar. Zu den weiteren bemerkenswerten Persönlichkeiten auf dem Friedhof zählt der in Italien geborene Schweizer Jean Pierre Vieusseux, dessen Grab an seine Rolle als Förderer der italienischen Literatur und Kultur erinnert.

Arnold Böcklin lebte eine Zeit lang in Florenz und lernte so den Friedhof kennen. Seine früh verstorbene Tochter wurde hier bestattet, in einem heute unbekannten Grab. Noch bevor Böcklin im Jahr 1880 sein erstes Gemälde der „Toteninsel“ malte, wurde der Friedhof 1877 geschlossen, denn ein neues Gesetz schrieb damals einen Mindestabstand von 100 Metern zwischen Friedhöfen und Wohnhäusern vor. Nur ein Jahr später, 1878, wurde als Nachfolgeanlage der Friedhof „agli Allori“ eröffnet. Gelegentlich werden aber noch bis heute Menschen auf dem Englischen Friedhof in Florenz bestattet; der Cimitero degli Inglesi ist daher noch immer eine aktiv gepflegte Friedhofsanlage.


Cimitero degli Inglesi

Piazzale Donatello 38
50132 Cimitero, Florenz

Die Öffnungszeiten des Cimitero degli Inglesi

  • Montag: 9-12 Uhr
  • Dienstag bis Freitag: 15-18 Uhr
  • Samstag und Sonntag: geschlossen

Der Eintritt ist frei.


Fotos: Angelika Schoder – Cimitero degli Inglesi, Florenz 2025


Wir brauchen deine Unterstützung

Werde jetzt Mitglied im musermeku Freundeskreis: Erhalte wöchentlich News zu Kunst und Kultur direkt per E-Mail, sichere dir den Zugang zu exklusiven Inhalten und hilf uns dabei, unsere Betriebskosten für musermeku.org zu decken.


Angelika Schoder

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

Bei LinkedIn vernetzen


Fußnote

[1] Zitiert nach: Sammlungsdatenbank des Kunstmuseum Basel


Linktipps


Der Newsletter zu Kunst & Kultur

In unserem kostenlosen Newsletter informieren wir einmal im Monat über aktuelle Neuigkeiten aus dem Kunst- und Kulturbereich.


|

, |