Die Villa Flora in Winterthur: Von der Sammlung zum Museum

Das Ehepaar Hahnloser sammelte von 1906 bis 1936 in der Villa Flora zahlreiche Kunstwerke von Vallotton bis Cézanne. Nun entsteht in Winterthur ein Museum.

Das Ehepaar Hahnloser sammelte von 1906 bis 1936 in der Villa Flora zahlreiche Kunstwerke von Vallotton bis Cézanne. Nun entsteht in Winterthur ein Museum.

[Pressereise] Einst hing der ganze Salon in der Villa Flora voller Kunstwerke. Fast jedes Zimmer glich einer Galerie und auch im Schlafzimmer reihte sich ein Bilderrahmen an den nächsten. Selbst im Badezimmer fanden sich Ölgemälde über der Wanne. Heute ist vieles anders. Zurzeit wird das Haus, das vor Jahrzehnten zu einem der wichtigsten kulturellen Treffpunkte in Winterthur gehörte, von einer Studenten-WG bewohnt. Doch das soll sich bald ändern. Die Villa Flora soll (wieder) zu einem Museum werden.


Das Ehepaar Hedy und Arthur Hahnloser sammelte zwischen 1906 und 1936 zahlreiche Kunstwerke von van Gogh, Cézanne, Bonnard, Vallotton oder Matisse und machte sie in seiner Villa in Winterthur einem interessierten Kennerkreis zugänglich.

Die Geschichte der Villa Flora

Jahrelang war die Villa Flora in Winterthur das Domizil der Familie Hahnloser. Das 1846 erbaute Haus im klassizistischen Stil wurde 1898 von Hedy Hahnloser-Bühler (1873–1952) samt Anwesen erworben. Hedys Mann, Arthur Hahnloser (1870–1936), nutzen das Haus zunächst für seine Augenarztpraxis. Nach dem Wegzug der Praxis diente die Villa Flora ab 1907 schließlich nur noch als Wohnhaus.

Vom Grün umrahmt zeigten sich Bronzeskulpturen im Freien und an den Wänden des Hauses brachten eigens angeschaffte Stofftapeten die hier hängenden Kunstwerke noch besser zur Geltung. Fenster des Hauses wurden zugemauert, um noch mehr Platz zur Verfügung zu haben für die Bilder, die das Ehepaar Hahnloser zwischen 1906 und 1936 kaufte. Nach und nach fügten sich zahlreiche Gemälde, Skulpturen und andere Kunstwerke zu einer bemerkenswerten Sammlung zusammen.

Alles begann mit Hedy Hahnloser, die enge persönliche und oft auch freundschaftliche Kontakte zu verschiedenen zeitgenössischen Künstlern unterhielt. Zu ihrem Freundeskreis gehörten etwa Édouard Vuillard (1868–1940) oder Pierre Bonnard (1867–1947). Man schrieb sich regelmäßig und besuchte sich gegenseitig, pflegte also eine sehr vertraute Sammler-Künstler-Beziehung. Erst diese ermöglichte es dem Ehepaar Hahnloser, die geeigneten Werke für ihre Sammlung auszuwählen. Ihre Intention war es stets, das historische Umfeld und den Werdegang der von ihnen bevorzugten Künstler zu verdeutlichen.


Hedy, eine ausgebildete Kunsthandwerkerin, ließ nicht nur das Innenleben des Hauses in zeitgenössisch-modernem Stil gestalten. Sie beauftragte auch den Architekten Robert Rittmeyer (1868 – 1960) damit, den Garten gezielt auf zwei Skulpturen von Aristide Maillol auszurichten: „L‘ Eté“ (1911) und „Pomone“ (1910/11).

Die Villa Flora als Museum

Nach dem Tod von Arthur Hahnloser im Jahr 1936 begann das „öffentliche Leben“ der Villa Flora, denn ab dann empfing Hedy zahlreiche Kunstliebhaber als Gäste in ihrem Haus. Diese Tradition führte ihre Tochter Lisa Jäggli-Hahnloser fort, die 1952 die Villa mit ihrer Familie bezog, nachdem Hedy verstorben war.

Viele Jahrzehnte lang war die Villa Flora in Winterthur ein privater Besuchermagnet für Kunstbegeisterte. Im Jahr 1995 konnte das Haus dann sogar offiziell als Museum seine Türen für Besucher öffnen. Doch bereits im Jahr 2014 war damit Schluss: Das Museum in der Villa Flora musste aufgrund einer kommunalen Entscheidung geschlossen werden. Nun wird die Villa zu einem modernen Museum umgebaut – im Jahr 2022 soll wieder eröffnet werden.

Zwischenzeitlich machten sich die Kunstwerke aus der Villa Flora auf die Reise. Im Sommer 2015 waren zunächst über 200 Werke von 18 Künstlern aus der Sammlung des Ehepaars Hahnloser sowie Objekte aus der Villa Flora in der Hamburger Kunsthalle zu sehen. Danach ging es in einer veränderten Zusammenstellung für die Werke weiter ins Musée Marmottan Monet nach Paris, ins Kunstmuseum Moritzburg nach Halle (Saale) und in die Staatsgalerie nach Stuttgart. Nachdem die Kunstwerke der Sammlung im Frühjahr 2018 in Bern gezeigt wurden, macht die Sammlung Hahnloser 2020 Station in der Albertina in Wien.

In der Ausstellung zu sehen sind nicht nur die wichtigsten Gemälde aus der Sammlung des Ehepaars Hahnloser, wie z.B. eine ganze Reihe an Portraits, die verschiedene Künstler von dem Paar und dessen Familie und Künstlerfreunden anfertigten. Gezeigt wurden teils auch mehrere Skulpturen und sogar Möbel des Hauses, z.B. ein Schemel, der in der Villa zum Modellsitzen genutzt wurde, oder ein kleiner Tisch, an dem wohl das Ehepaar Hahnloser Gäste zu wöchentlichen Kaffeerunden empfing. Vervollständigt wurden die Möbel in der Ausstellung durch Einrichtungsgegenstände, etwa ein Tischtuch, das die künstlerischen Fähigkeiten Hedy Hahnlosers zeigte, oder eine von ihrem Cousin Richard Bühler gestaltete Lampe.

In der Hamburger Kunsthalle bot außerdem der Dokumentarfilm „VILLA FLORA. Ihre Sammler, ihre Künstler“ einen spannenden Einblick in das Leben der Hahnlosers. Die Kunsthalle hatte den Film begleitend zur Ausstellung „Verzauberte Zeit“ in Auftrag gegeben. Zu Wort kommen in dem Film die Enkel und Urenkel des Ehepaars Hahnloser. Sie sprechen über deren Sammelleidenschaft für postimpressionistische Künstler – und besonders über die Bedeutung, die Hedy Hahnloser hier einnahm. Auch der durch den Film ermöglichte Einblick in Aufzeichnungen und Briefwechsel von Hedy erlaubt eine neue Betrachtungsweise der in der Ausstellung präsentierten Kunstwerke.


Im parkähnlichen Garten der Villa Flora sind zahlreiche Skulpturen zu sehen, die auch zur Kunstsammlung des Ehepaar Hedy und Arthur Hahnloser zählen.

Die Stationen der Sammlung Hahnloser

  • Hamburger Kunsthalle: Verzauberte Zeit. Meisterwerke aus der Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler (20.02. – 16.08.2015)
  • Musée Marmottan Paris: Villa Flora, les temps enchantés. Monet, Renoir, Cézanne, van Gogh, Bonnard, Vuillard, Vallotton, Matisse… Chefs-d’Œuvre de la collection Arthur et Hedy Hahnloser Villa Flora (10.09.2015 – 07.02.2016)
  • Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale): Magie des Augenblicks – van Gogh, Cézanne, Bonnard, Vallotton, Matisse. Meisterwerke aus der Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler (12.03. – 11.09.2016)
  • Staatsgalerie Stuttgart: Aufbruch Flora. Meisterwerke aus der Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler (03.02. – 18.06.2017)
  • Kunstmuseum Bern: Die Sehnsucht lässt alle Dinge blühen…Van Gogh bis Cézanne, Bonnard bis Matisse. Die Sammlung Hahnloser (11.08.2017 – 15.04.2018)
  • Albertina Wien: Von Cézanne und Van Gogh bis Bonnard und Matisse. Sammlung Hahnloser – Das ideale Lehrmuseum (22.02. – 24.05.2020)

Die Villa Flora wird zu einem modernen Museum umgebaut. Im Jahr 2022 soll das Haus wieder eröffnet werden.

Die Sammlung Hahnloser

Die Kunstsammlung des Ehepaars Hedy und Arthur Hahnloser umfasst u.a. Werke von Malern, Grafikern und Bildhauern. Zu den Highlights der Sammlung zählen „Der Sämann“ von Vincent van Gogh, „Nizza, schwarzes Notizbuch“ (1918) von Henri Matisse, „La Blanche et la Noire“ (1913) von Félix-Édouard Vallotton oder „Die Anemonen“ (1912) von Odilon Redon.

Zunächst sammelten Hedy und Arthur Hahnloser Schweizer Künstler wie Giovanni Giacometti, den Vater des Bildhauers Alberto Giacometti, und Ferdinand Hodler. Dann wurden sie auf Felix Vallotton aufmerksam, der sie wiederum mit anderen Künstlern in Kontakt brachte, etwa mit Bonnard, Vuillard und Maillol. So begann das Ehepaar Hahnloser Werke der „Nabis“ zu sammeln, zu denen die Künstler zwischen 1888 und 1900 zählten. Sie kauften vorhandene Werke bei ihnen direkt an oder gaben Porträts von sich und ihrem Umfeld in Auftrag. Später kamen auch Werke des Fauvismus in die Sammlung der Hahnlosers, etwa von Henri Matisse, Albert Marquet und Henri Manguin. Zudem sammelten sie auch einzelne Gemälde der Vorgänger der genannten Künstler, etwa von Edouard Manet, Pierre-Auguste Renoir oder Paul Cézanne.

Im Jahr 1980 wurde von den Erben des Sammlerehepaars die Hahnloser/Jaeggli Stiftung als Träger des Hauses gegründet. Nachdem die Villa Flora 1995 als Museum eröffnet werden konnte, wurden bis 2014 insgesamt 24 Ausstellungen organisiert. Nach der Schließung des Museums ging die Villa Flora in einen Verbund mit den Winterthurer Museen beim Stadthaus und Reinhart am Stadtgarten über. Heute ist das Haus, dass 2024 wieder eröffnet, der dritte Standort des Kunst Museum Winterthur.


Museum Villa Flora

Kunst Museum Winterthur
Tösstalstrasse 44, 8400 Winterthur

musermeku dankt den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur und House of Winterthur für die Übernahme der Kosten der Reise.


Bilder: Angelika Schoder – Villa Flora, Winterthur 2018


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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