Verbessert eine Promotion die Berufschancen?

Ist man mit Doktortitel am Ende nur überqualifiziert für den Arbeitsmarkt? Oder verbessert eine Promotion die Berufschancen wirklich?

Ist man mit Doktortitel am Ende nur überqualifiziert für den Arbeitsmarkt? Oder verbessert eine Promotion die Berufschancen wirklich?

[Debatte] Wie wichtig ist die Promotion für Geisteswissenschaftler? Für eine akademische Karriere lässt sich die Frage leicht beantworten: Wer eine wissenschaftliche Forschungs- bzw. Lehrstelle anstrebt, legt mit einem Promotionsstudium den Grundstein für den späteren Karriereweg. Doch wie sieht es aus, wenn man als Geisteswissenschaftler einen anderen Berufsweg einschlagen möchte, der nicht an eine Hochschule oder ein Forschungsinstitut führt? Ist der Doktorgrad in der Privatwirtschaft gern gesehen – oder ist man damit völlig überqualifiziert?


Wirkt sich eine Promotion positiv auf Karrierechancen aus?

Susanne Falk und Hans-Ulrich Küpper führten eine Studie durch, um herauszufinden, ob promovierte Hochschulabsolventen in der Privatwirtschaft einen Vorteil gegenüber ihren nicht-promovierten Kommilitonen haben. [1] Falk, Projektleiterin des Bayerischen Absolventenpanels (BAP), und Küpper, wissenschaftlicher Leiter des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung, untersuchten anhand der Daten bayerischer Hochschulabsolventen für die ersten fünf bis sechs Jahre nach Studienabschluss [2], ob eine Promotion sich positiv auf deren Karrierechancen ausgewirkt hatte.

Sie untersuchten, ob etwa Einkommensvorteile feststellbar sind, oder ob der Zugang zu Führungspositionen erleichtert wurde. Zudem wurde überprüft, ob Absolventen mit Promotion zufriedener mit ihrem Beruf sind, und ob die berufliche Tätigkeit auch fachlich stärker mit den ursprünglichen Studiengängen in Zusammenhang steht, als bei nicht-promovierten Hochschulabsolventen.


Mehr Promovierende als je zuvor

Falk und Küpper schätzten die Zahl der Doktoranden bei ihrer Untersuchung im Wintersemester 2010/11 auf etwa 200.400 Personen [3], wovon insgesamt rund 25.600 Studierende die Promotion im Jahr 2010 erfolgreich abgeschlossen hatten. Der Anteil von Sprach- und Kulturwissenschaftlern lag hier bei 11% – also ca. 2.800 Personen. [4] Betrachtet man im Vergleich dazu die Entwicklung der letzten 40 Jahre, so fällt auf, dass zwischen 1973 und ca. 1987 die jährliche Anzahl promovierter Geisteswissenschaftler stets um ca. 1.300 lag. Ab dem Ende der 1980er Jahre stieg diese Zahl jedoch kontinuierlich an, bis sie sich zur Mitte der 2000er Jahre mehr als verdoppelt hatte. [5]

Die Hälfte der in der Studie befragten Promovierten aller Fächergruppen plante fünf bis sechs Jahre nach dem Hochschulabschluss keine wissenschaftliche Karriere; ca. 30% waren sich noch unsicher. [6] Dies zeigt, dass ein erheblicher Anteil an Studierenden sich für eine Promotion entschieden hatte, obwohl diese für die angestrebte berufliche Laufbahn im freien Arbeitsmarkt nicht zwangsläufig notwendig war.


Gründe für eine Promotion

Doch worin liegen die Gründe für eine solche Entscheidung, die mit einem nicht unerheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden ist? Zum einen wird der Doktorgrad in Deutschland nach wie vor mit einem höheren gesellschaftlichen Prestige in Verbindung gebracht. [7] Zum anderen erhoffen sich die Studierenden hiervon bessere berufliche Möglichkeiten – in finanzieller bzw. inhaltlicher Hinsicht:

„Bundesweite Absolventenstudien zeigen, dass karrierebezogene Motive bei der Aufnahme einer Promotion eine große Rolle spielen. Die häufigsten Motive für die Promotion sind daher neben der Arbeit an einem interessanten Thema sowie der persönlichen Weiterbildung die Verbesserung der Berufschancen“. [8]


Was bringt die Promotion?

Allgemein kommen Falk und Küpper zu dem Ergebnis, dass besonders in der Privatwirtschaft der Abschluss einer Promotion durch ein höheres Gehalt honoriert wird. Im Öffentlichen Dienst spielt der erlangte Doktorgrad hingegen keine signifikante Rolle. Bei promovierten Sprach- und Kulturwissenschaften ist der Verdienst hier sogar geringer als bei nicht-promovierten Hochschulabsolventen. [9] Dies liegt daran, dass letztere über eine längere Berufspraxis verfügen, da sie in der Regel 3-4 Jahre früher ins Berufsleben eintreten konnten.

Deutlich positiver zeigt sich in der Studie der Einfluss einer Promotion im Hinblick auf das leichtere Erreichen einer Führungsposition bei Sprach- und Kulturwissenschaftlern. Sowohl im Öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft haben mehr promovierte Geisteswissenschaftler innerhalb der ersten fünf bis sechs Jahre nach Hochschulabschluss eine Führungsposition inne, als nicht-promovierte Hochschulabsolventen. [10] Generell spielen aber, zu einem so frühen Zeitpunkt der Karriere, andere Aspekte bei dem Erreichen einer Führungsposition eine wichtigere Rolle als die Promotion – hierzu zählen Faktoren wie Berufserfahrung, Unternehmens- und Arbeitsplatzmerkmale oder die soziale Herkunft. [11]

Was die Inhaltsadäquanz der beruflichen Tätigkeit und die Berufszufriedenheit mit den Tätigkeitsinhalten angeht, zeigt sich in der Untersuchung für fast alle Fächergruppen eine durchweg positive Tendenz für promovierte Hochschulabsolventen.  81% der promovierten Sprach- und Kulturwissenschaftler beurteilten ihre Tätigkeit als fachlich ihrem Studium angemessen, im Vergleich dazu traf dies nur auf 59% aller nicht-promovierten Hochschulabsolventen zu. [12]

Zur Zufriedenheit mit den Tätigkeitsinhalten befragt, liegt der Unterschied zwischen promovierten (83%) und nicht-promovierten (78%) Sprach- und Kulturwissenschaftlern wiederum nur leicht auseinander. Dennoch wirkte sich auch hier eine Promotion positiv aus. [13]


Promovieren – oder nicht?

Lohnt sich also eine Promotion als Sprach- und Kulturwissenschaftler, wenn man eine berufliche Laufbahn außerhalb der Wissenschaft anstrebt? Die Untersuchung von Falk und Küpper kommt zu dem Ergebnis, dass die Frage im Hinblick auf das spätere Einkommen bejaht werden kann – zumindest in der Privatwirtschaft.

Auch die Wahrscheinlichkeit, eine Tätigkeit auszuüben, die fachlich dem Studium entspricht und zufriedenstellende Inhalte bietet, steigt für Absolventen mit Doktorgrad. Eine Garantie für diese Punkte bietet eine Promotion natürlich nicht. Zudem sollten Hochschulabsolventen, die über ein Promotionsstudium nachdenken, berücksichtigen, dass die höhere Qualifikation, die man hierdurch erwirbt, gleichzeitig auch eine Disqualifikation für eine Vielzahl von Stellen bedeutet – insbesondere im Öffentlichen Dienst.

Wer nur aus dem Grund promoviert, um die Entscheidung für einen späteren Beruf noch etwas hinauszuzögern, begeht sicherlich einen Fehler. Eine Promotion ist nur dann sinnvoll, wenn man sich im Vornherein darüber im klaren ist, welchen Beruf man anstrebt – und ob eine Promotion hierfür wirklich notwendig ist.


Header-Bild: Detail aus: Poster des Verlages Hermann Seemann Nachfolger, Walter Tiemann (1900) – Rijksmuseum, RP-P-2015-26-2114Public Domain


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Angelika Schoder

Über die Autorin

Bei musermeku schreibt Dr. Angelika Schoder über Themen zur Digitalisierung, über Museen und Ausstellungen sowie über Reise- und Kultur-Tipps.

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Fußnoten

[1] Susanne Falk, Hans-Ulrich Küpper: Verbessert der Doktortitel die Karrierechancen von Hochschulabsolventen? In: Beiträge zur Hochschulforschung, 35. Jahrgang, 1/2013, S. 58-77.

[2] Grundlage bilden die Daten aus der zweiten Befragung (fünf bis sechs Jahre nach Hochschulabschluss) des Jahrgangs 2003/04 durch das Bayerische Absolventenpanel (BAP). Dazu: Susanne Falk, Bernadette Huyer-May: Erfolgreich im Beruf. Bayerische Hochschulabsolventen fünf Jahre nach dem Studium. Studien zur Hochschulforschung 81. (Hg.) Bayerisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung. München 2011.

[3] Falk, Küpper, S. 60. Dazu: Miriam Wolters, Sven Schmiedel: Promovierende in Deutschland 2010. (Hg.) Statistisches Bundesamt. Wiesbaden 2012, S. 5.

[4] Falk, Küpper, S. 61. Dazu: Statistisches Bundesamt: Bildung und Kultur. Prüfungen an Hochschulen 2011. Fachserie 11, Reihe 4.2. Wiesbaden 2012, S. 9 und S. 13.

[5] Ebd. S. 62.

[6] Falk, Küpper, S. 65.

[7] Dazu: Jürgen Enders: Research Training and Careers in Transition: A European Perspective on the many Faces of the Ph.D. In: Studies in Continuing Education, Vol. 26, 3/200. DOI: 10.1080/0158037042000265935, S. 419-429.

[8] Falk, Küpper, S. 59. Dazu: Gregor Fabian, Kolja Briedis: Aufgestiegen und erfolgreich. Ergebnisse der dritten HIS-Absolventenbefragung des Jahrgangs 1997 zehn Jahre nach dem Examen. HIS: Forum Hochschule, 2/2009. (Hg.) HIS Hochschul-Informations-System. Hannover 2009, S. 99.

[9] Falk, Küpper, S. 66.

[10] Ebd. S. 69.

[11] Ebd. S. 70.

[12] Ebd. S. 72 f.

[13] Ebd. S. 73.


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